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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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die Buche vor der Eiche den hohen schlanken astreinen Schaft voraus,
welcher durch die glatte silbergraue Rinde nicht wenig dazu beiträgt, die
Buche entschieden zu unserem schönsten deutschen Baume zu machen, einen
Vorzug, den ihr die Eiche bei ihrem ernsten Charakter nicht streitig machen
kann. Man wird gegen beide gerecht, wenn man die Buche das Sinn-
bild der weiblichen und die Eiche das der männlichen Schönheit nennt.

Was die landesüblichen Benennungen der Buche betrifft, so findet
darin beinahe keine Verschiedenheit statt; überall heißt sie Buche und nur
durch vorgesetzte Beiwörter machen sich provinzielle Verschiedenheiten
geltend, wodurch aber zum Theil besondere Spielarten, die sich meist in
der Beschaffenheit des Holzes aussprechen, bezeichnet werden sollen. So
nennt man z. B. Steinbuche eine Spielart mit besonders hartem und
dunkeln Holze.


Zum Schlusse muß unserem der Buche gewidmeten Kupferstiche noch
ein begleitendes Wort beigegeben werden. Die vielen Hunderte, welche
in dem reizenden Tharand von 1811 bis 1844 unter Heinrich Cotta,
oder seit dessen Tode am 30. October 1844 ihre forstliche Bildung später
daselbst genossen haben; die vielen Tausende, welche alljährlich dieses
liebliche Winkelchen deutscher Erde besuchen, sie alle werden in unserem
Bilde eine Partie aus dem linken Thalgehänge des Badethales von
Tharand erkennen, welche durch das bekannte Gedicht von Richard Roos
als "Tharands heilige Hallen" berühmt geworden ist. Um den-
jenigen meiner Leser, namentlich den Forstmännern unter ihnen, welche
zu jenen vielen Tausenden gehören, diesen Erinnerungsgruß bieten zu
können, opferte ich die bei den übrigen dargestellten Bäumen festgehaltene
Portrait-Auffassung und wählte die Buche zum Motiv für das Titelbild,
welches jedoch nicht weniger Portrait ist und nicht weniger den Charakter
eines Buchen-Gebirgswaldes trägt, wenn auch darauf keine einzelne Buche
in ihrer ganzen Gestalt sich geltend macht.

Solche Einsattelungen in den Thalgehängen schmaler Gebirgsthäler
sind so recht eigentlich die Lieblingsplätzchen des schönen Baumes, die er
uns zu wahren Tempelhallen der Natur zaubert, in denen ganz von
selbst ein heiliger Schauer über uns kommt. Hoch oben blickt der blaue

die Buche vor der Eiche den hohen ſchlanken aſtreinen Schaft voraus,
welcher durch die glatte ſilbergraue Rinde nicht wenig dazu beiträgt, die
Buche entſchieden zu unſerem ſchönſten deutſchen Baume zu machen, einen
Vorzug, den ihr die Eiche bei ihrem ernſten Charakter nicht ſtreitig machen
kann. Man wird gegen beide gerecht, wenn man die Buche das Sinn-
bild der weiblichen und die Eiche das der männlichen Schönheit nennt.

Was die landesüblichen Benennungen der Buche betrifft, ſo findet
darin beinahe keine Verſchiedenheit ſtatt; überall heißt ſie Buche und nur
durch vorgeſetzte Beiwörter machen ſich provinzielle Verſchiedenheiten
geltend, wodurch aber zum Theil beſondere Spielarten, die ſich meiſt in
der Beſchaffenheit des Holzes ausſprechen, bezeichnet werden ſollen. So
nennt man z. B. Steinbuche eine Spielart mit beſonders hartem und
dunkeln Holze.


Zum Schluſſe muß unſerem der Buche gewidmeten Kupferſtiche noch
ein begleitendes Wort beigegeben werden. Die vielen Hunderte, welche
in dem reizenden Tharand von 1811 bis 1844 unter Heinrich Cotta,
oder ſeit deſſen Tode am 30. October 1844 ihre forſtliche Bildung ſpäter
daſelbſt genoſſen haben; die vielen Tauſende, welche alljährlich dieſes
liebliche Winkelchen deutſcher Erde beſuchen, ſie alle werden in unſerem
Bilde eine Partie aus dem linken Thalgehänge des Badethales von
Tharand erkennen, welche durch das bekannte Gedicht von Richard Roos
als „Tharands heilige Hallen“ berühmt geworden iſt. Um den-
jenigen meiner Leſer, namentlich den Forſtmännern unter ihnen, welche
zu jenen vielen Tauſenden gehören, dieſen Erinnerungsgruß bieten zu
können, opferte ich die bei den übrigen dargeſtellten Bäumen feſtgehaltene
Portrait-Auffaſſung und wählte die Buche zum Motiv für das Titelbild,
welches jedoch nicht weniger Portrait iſt und nicht weniger den Charakter
eines Buchen-Gebirgswaldes trägt, wenn auch darauf keine einzelne Buche
in ihrer ganzen Geſtalt ſich geltend macht.

Solche Einſattelungen in den Thalgehängen ſchmaler Gebirgsthäler
ſind ſo recht eigentlich die Lieblingsplätzchen des ſchönen Baumes, die er
uns zu wahren Tempelhallen der Natur zaubert, in denen ganz von
ſelbſt ein heiliger Schauer über uns kommt. Hoch oben blickt der blaue

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[381/0415] die Buche vor der Eiche den hohen ſchlanken aſtreinen Schaft voraus, welcher durch die glatte ſilbergraue Rinde nicht wenig dazu beiträgt, die Buche entſchieden zu unſerem ſchönſten deutſchen Baume zu machen, einen Vorzug, den ihr die Eiche bei ihrem ernſten Charakter nicht ſtreitig machen kann. Man wird gegen beide gerecht, wenn man die Buche das Sinn- bild der weiblichen und die Eiche das der männlichen Schönheit nennt. Was die landesüblichen Benennungen der Buche betrifft, ſo findet darin beinahe keine Verſchiedenheit ſtatt; überall heißt ſie Buche und nur durch vorgeſetzte Beiwörter machen ſich provinzielle Verſchiedenheiten geltend, wodurch aber zum Theil beſondere Spielarten, die ſich meiſt in der Beſchaffenheit des Holzes ausſprechen, bezeichnet werden ſollen. So nennt man z. B. Steinbuche eine Spielart mit beſonders hartem und dunkeln Holze. Zum Schluſſe muß unſerem der Buche gewidmeten Kupferſtiche noch ein begleitendes Wort beigegeben werden. Die vielen Hunderte, welche in dem reizenden Tharand von 1811 bis 1844 unter Heinrich Cotta, oder ſeit deſſen Tode am 30. October 1844 ihre forſtliche Bildung ſpäter daſelbſt genoſſen haben; die vielen Tauſende, welche alljährlich dieſes liebliche Winkelchen deutſcher Erde beſuchen, ſie alle werden in unſerem Bilde eine Partie aus dem linken Thalgehänge des Badethales von Tharand erkennen, welche durch das bekannte Gedicht von Richard Roos als „Tharands heilige Hallen“ berühmt geworden iſt. Um den- jenigen meiner Leſer, namentlich den Forſtmännern unter ihnen, welche zu jenen vielen Tauſenden gehören, dieſen Erinnerungsgruß bieten zu können, opferte ich die bei den übrigen dargeſtellten Bäumen feſtgehaltene Portrait-Auffaſſung und wählte die Buche zum Motiv für das Titelbild, welches jedoch nicht weniger Portrait iſt und nicht weniger den Charakter eines Buchen-Gebirgswaldes trägt, wenn auch darauf keine einzelne Buche in ihrer ganzen Geſtalt ſich geltend macht. Solche Einſattelungen in den Thalgehängen ſchmaler Gebirgsthäler ſind ſo recht eigentlich die Lieblingsplätzchen des ſchönen Baumes, die er uns zu wahren Tempelhallen der Natur zaubert, in denen ganz von ſelbſt ein heiliger Schauer über uns kommt. Hoch oben blickt der blaue

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/415>, abgerufen am 29.04.2024.