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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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wir zwischen den Steinen auf kleine ganz von Walderde ausgefüllte
Räume und wenn wir Steine und Erde gesondert aufschütten wollten,
so würde die letztere gegen jene nur einen sehr kleinen Haufen geben.
Wir treffen sogar hier und da auf leere Räume, in denen ein Thaubeschlag
die Steinflächen bedeckt und Modergeruch daraus hervordringt.

Wir wühlen und wühlen und immer noch wollen die Spuren des
tief eindringenden Lebens, wenn auch nur in Leichenüberresten, nicht auf-
hören. Endlich wird der schwarzen Modererde weniger, die Blöcke liegen
dichter an einander bis wir zuletzt in ihrer gegenseitigen Lage sehen, daß
sie die nur wenig auseinander gewichenen Trümmer des Gneisfelsens sind,
und wir werden inne, daß wir bisher in der alten verwitterten Haut
desselben gewühlt haben bis wir endlich auf das feste Felsenfleisch gekommen
sind. In ihm kommen wir zufällig auf eine Schicht, wo die unablässig
saugende Lippe der Verwitterung das feste Gefüge aufgelockert hat. Die
Grundmasse des Felsengesteins zeigt sich entfärbt, hellgelblich und zerreiblich.
Die Fugen der Felsenzerklüftung sind bezeichnet durch weiche bröcklige dünne
Schichten, die wir durch eine eingetriebene Spitzhacke leicht zum Ausein-
anderreißen des Felsgefüges benutzen könnten. Die schwarze Färbung ist
nicht so weit herabgedrungen; wir wissen, daß sie von den vermoderten
Ueberresten organischer Körper, namentlich von Pflanzentheilen herrührt,
und deshalb nennen wir solche dunkle Erde Moder- oder Dammerde
oder mit dem vornehmklingenden Namen Humus. Hier würden wir auch
den Gärtnerausdruck Wald- oder Holzerde wählen können.

Jetzt gehen wir einmal mit unserem Gehülfen nach jenem Fichten-
bestande, der auf dem Rücken einer sanft geschwellten Hochebene liegt, an
drei Seiten von einer saftiggrünen Bergwiese begrenzt.

Die Fichte hat hier das unbestrittene Regiment und bildet ein in freu-
digem Wuchse stehendes, etwa dreißigjähriges geschlossenes Stangenholz. Die
Wipfel stehen in gutem Schuß und erst kaum zum vierten Theil aufwärts
haben sich die Stämme gereinigt. Den Boden bedeckt eine dichte Moos-
decke, hier und da an etwas trockenen Orten von Nadelstreu verdrängt.
Nur an etwas lichteren Stellen hat das freier hereinfallende Sonnenlicht
einige im Boden ruhende Samen höherer Pflanzen zur Entwicklung gebracht:
einige Grasstöcke der Waldschmiele, Aira flexuosa, Waldkreuzkraut, Sene-
cio silvaticus,
und ein schönes Weidenröschen, Epilobium angustifolium

wir zwiſchen den Steinen auf kleine ganz von Walderde ausgefüllte
Räume und wenn wir Steine und Erde geſondert aufſchütten wollten,
ſo würde die letztere gegen jene nur einen ſehr kleinen Haufen geben.
Wir treffen ſogar hier und da auf leere Räume, in denen ein Thaubeſchlag
die Steinflächen bedeckt und Modergeruch daraus hervordringt.

Wir wühlen und wühlen und immer noch wollen die Spuren des
tief eindringenden Lebens, wenn auch nur in Leichenüberreſten, nicht auf-
hören. Endlich wird der ſchwarzen Modererde weniger, die Blöcke liegen
dichter an einander bis wir zuletzt in ihrer gegenſeitigen Lage ſehen, daß
ſie die nur wenig auseinander gewichenen Trümmer des Gneisfelſens ſind,
und wir werden inne, daß wir bisher in der alten verwitterten Haut
deſſelben gewühlt haben bis wir endlich auf das feſte Felſenfleiſch gekommen
ſind. In ihm kommen wir zufällig auf eine Schicht, wo die unabläſſig
ſaugende Lippe der Verwitterung das feſte Gefüge aufgelockert hat. Die
Grundmaſſe des Felſengeſteins zeigt ſich entfärbt, hellgelblich und zerreiblich.
Die Fugen der Felſenzerklüftung ſind bezeichnet durch weiche bröcklige dünne
Schichten, die wir durch eine eingetriebene Spitzhacke leicht zum Ausein-
anderreißen des Felsgefüges benutzen könnten. Die ſchwarze Färbung iſt
nicht ſo weit herabgedrungen; wir wiſſen, daß ſie von den vermoderten
Ueberreſten organiſcher Körper, namentlich von Pflanzentheilen herrührt,
und deshalb nennen wir ſolche dunkle Erde Moder- oder Dammerde
oder mit dem vornehmklingenden Namen Humus. Hier würden wir auch
den Gärtnerausdruck Wald- oder Holzerde wählen können.

Jetzt gehen wir einmal mit unſerem Gehülfen nach jenem Fichten-
beſtande, der auf dem Rücken einer ſanft geſchwellten Hochebene liegt, an
drei Seiten von einer ſaftiggrünen Bergwieſe begrenzt.

Die Fichte hat hier das unbeſtrittene Regiment und bildet ein in freu-
digem Wuchſe ſtehendes, etwa dreißigjähriges geſchloſſenes Stangenholz. Die
Wipfel ſtehen in gutem Schuß und erſt kaum zum vierten Theil aufwärts
haben ſich die Stämme gereinigt. Den Boden bedeckt eine dichte Moos-
decke, hier und da an etwas trockenen Orten von Nadelſtreu verdrängt.
Nur an etwas lichteren Stellen hat das freier hereinfallende Sonnenlicht
einige im Boden ruhende Samen höherer Pflanzen zur Entwicklung gebracht:
einige Grasſtöcke der Waldſchmiele, Aira flexuosa, Waldkreuzkraut, Sene-
cio silvaticus,
und ein ſchönes Weidenröschen, Epilobium angustifolium

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[28/0052] wir zwiſchen den Steinen auf kleine ganz von Walderde ausgefüllte Räume und wenn wir Steine und Erde geſondert aufſchütten wollten, ſo würde die letztere gegen jene nur einen ſehr kleinen Haufen geben. Wir treffen ſogar hier und da auf leere Räume, in denen ein Thaubeſchlag die Steinflächen bedeckt und Modergeruch daraus hervordringt. Wir wühlen und wühlen und immer noch wollen die Spuren des tief eindringenden Lebens, wenn auch nur in Leichenüberreſten, nicht auf- hören. Endlich wird der ſchwarzen Modererde weniger, die Blöcke liegen dichter an einander bis wir zuletzt in ihrer gegenſeitigen Lage ſehen, daß ſie die nur wenig auseinander gewichenen Trümmer des Gneisfelſens ſind, und wir werden inne, daß wir bisher in der alten verwitterten Haut deſſelben gewühlt haben bis wir endlich auf das feſte Felſenfleiſch gekommen ſind. In ihm kommen wir zufällig auf eine Schicht, wo die unabläſſig ſaugende Lippe der Verwitterung das feſte Gefüge aufgelockert hat. Die Grundmaſſe des Felſengeſteins zeigt ſich entfärbt, hellgelblich und zerreiblich. Die Fugen der Felſenzerklüftung ſind bezeichnet durch weiche bröcklige dünne Schichten, die wir durch eine eingetriebene Spitzhacke leicht zum Ausein- anderreißen des Felsgefüges benutzen könnten. Die ſchwarze Färbung iſt nicht ſo weit herabgedrungen; wir wiſſen, daß ſie von den vermoderten Ueberreſten organiſcher Körper, namentlich von Pflanzentheilen herrührt, und deshalb nennen wir ſolche dunkle Erde Moder- oder Dammerde oder mit dem vornehmklingenden Namen Humus. Hier würden wir auch den Gärtnerausdruck Wald- oder Holzerde wählen können. Jetzt gehen wir einmal mit unſerem Gehülfen nach jenem Fichten- beſtande, der auf dem Rücken einer ſanft geſchwellten Hochebene liegt, an drei Seiten von einer ſaftiggrünen Bergwieſe begrenzt. Die Fichte hat hier das unbeſtrittene Regiment und bildet ein in freu- digem Wuchſe ſtehendes, etwa dreißigjähriges geſchloſſenes Stangenholz. Die Wipfel ſtehen in gutem Schuß und erſt kaum zum vierten Theil aufwärts haben ſich die Stämme gereinigt. Den Boden bedeckt eine dichte Moos- decke, hier und da an etwas trockenen Orten von Nadelſtreu verdrängt. Nur an etwas lichteren Stellen hat das freier hereinfallende Sonnenlicht einige im Boden ruhende Samen höherer Pflanzen zur Entwicklung gebracht: einige Grasſtöcke der Waldſchmiele, Aira flexuosa, Waldkreuzkraut, Sene- cio silvaticus, und ein ſchönes Weidenröschen, Epilobium angustifolium

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/52>, abgerufen am 13.05.2024.