Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Ganz besonders und nicht so massenweise nach nur wenigen Arten
vertheilt, gestaltet sich die Moosdecke auf einem felsigen Waldboden. Da
sind die lose übereinanderliegenden Blöcke meist ganz und gar mit locker
aufliegenden Moosperrücken bedeckt, die man von den harten Glatzköpfen
leicht abnehmen kann. Hier sind es vorzugsweise die Astmoose -- eine
jede Gebirgsflora vermag deren wohl an 50 Arten aufzuweisen -- welche
die Blöcke nicht selten so vollkommen verhüllen, daß der Unkundige ge-
fährlich strauchelt, wenn er dem dunkeln Moosteppich vertraut.

Gehen wir um einen Systemschritt weiter, so finden wir nun die
Farrnkräuter, in der alten Linne'schen umfassenden Bedeutung, als
wesentlich betheiligt bei der Bildung der Pflanzendecke. Außer einigen
sumpfliebenden Schachtelhalmen, Equisetum, finden sie sich am liebsten
auf mäßig frischen Waldstellen ein und namentlich die echten Farrnkräuter
nicht selten in solcher Menge, daß sie einen wesentlichen Antheil an der
Waldstreu nehmen und dem Walde einen Schmuck verleihen, der für den-
jenigen eine ahnungsvolle Bedeutung gewinnt, der da weiß, daß die Farrn-
kräuter wenigstens auf deutschem Boden nur die wenigen Ueberlebenden
eines hier einst mächtigen Geschlechts sind, dessen Urahnen jetzt als Stein-
kohlen aus millionenjähriger Grabesruhe wieder auferstehen. Der Gebirgs-
wald würde einen wesentlichen Schmuck und Vorzug vor dem Ebenenwalde
entbehren, wenn auch diese wenigen Ueberreste der Farrnwelt ausgestorben
wären. Die zu eleganten stammlosen Palmenkronen gruppirten Wedel
der Schildfarrn, Aspidium, und verwandter Gattungen verleihen
unseren frischen Gebirgswäldern einen fast tropischen Zug, der für den
Unkundigen, dem aber doch das Auge für die Formen der Pflanzenwelt
offen ist, dadurch noch einen geheimnißvollen Reiz gewinnt, daß er an
diesen zierlich zusammengesetzten ansehnlichen Blattgebilden zu keiner Zeit
und an keinem Orte jemals Blüthen, sondern auf der Rückseite derselben
nur räthselhafte, aus kleinen braunen Körnchen bestehende regelmäßig
gruppirte Häufchen findet, deren Bedeutung als Früchte er kaum zu ver-
muthen wagt. Am meisten fühlt man sich von dem Adlerfarrn, Pteris
aquilina,
angezogen, dessen dreifachgetheilter Wedel auf frischem lockeren
Lehmboden nicht selten mannshoch wird; denn bei diesem stattlichen Ge-
wächs, welches oft mit den Nadelhölzern, deren Gesellschaft es am meisten

Ganz beſonders und nicht ſo maſſenweiſe nach nur wenigen Arten
vertheilt, geſtaltet ſich die Moosdecke auf einem felſigen Waldboden. Da
ſind die loſe übereinanderliegenden Blöcke meiſt ganz und gar mit locker
aufliegenden Moosperrücken bedeckt, die man von den harten Glatzköpfen
leicht abnehmen kann. Hier ſind es vorzugsweiſe die Aſtmooſe — eine
jede Gebirgsflora vermag deren wohl an 50 Arten aufzuweiſen — welche
die Blöcke nicht ſelten ſo vollkommen verhüllen, daß der Unkundige ge-
fährlich ſtrauchelt, wenn er dem dunkeln Moosteppich vertraut.

Gehen wir um einen Syſtemſchritt weiter, ſo finden wir nun die
Farrnkräuter, in der alten Linné’ſchen umfaſſenden Bedeutung, als
weſentlich betheiligt bei der Bildung der Pflanzendecke. Außer einigen
ſumpfliebenden Schachtelhalmen, Equisetum, finden ſie ſich am liebſten
auf mäßig friſchen Waldſtellen ein und namentlich die echten Farrnkräuter
nicht ſelten in ſolcher Menge, daß ſie einen weſentlichen Antheil an der
Waldſtreu nehmen und dem Walde einen Schmuck verleihen, der für den-
jenigen eine ahnungsvolle Bedeutung gewinnt, der da weiß, daß die Farrn-
kräuter wenigſtens auf deutſchem Boden nur die wenigen Ueberlebenden
eines hier einſt mächtigen Geſchlechts ſind, deſſen Urahnen jetzt als Stein-
kohlen aus millionenjähriger Grabesruhe wieder auferſtehen. Der Gebirgs-
wald würde einen weſentlichen Schmuck und Vorzug vor dem Ebenenwalde
entbehren, wenn auch dieſe wenigen Ueberreſte der Farrnwelt ausgeſtorben
wären. Die zu eleganten ſtammloſen Palmenkronen gruppirten Wedel
der Schildfarrn, Aspidium, und verwandter Gattungen verleihen
unſeren friſchen Gebirgswäldern einen faſt tropiſchen Zug, der für den
Unkundigen, dem aber doch das Auge für die Formen der Pflanzenwelt
offen iſt, dadurch noch einen geheimnißvollen Reiz gewinnt, daß er an
dieſen zierlich zuſammengeſetzten anſehnlichen Blattgebilden zu keiner Zeit
und an keinem Orte jemals Blüthen, ſondern auf der Rückſeite derſelben
nur räthſelhafte, aus kleinen braunen Körnchen beſtehende regelmäßig
gruppirte Häufchen findet, deren Bedeutung als Früchte er kaum zu ver-
muthen wagt. Am meiſten fühlt man ſich von dem Adlerfarrn, Pteris
aquilina,
angezogen, deſſen dreifachgetheilter Wedel auf friſchem lockeren
Lehmboden nicht ſelten mannshoch wird; denn bei dieſem ſtattlichen Ge-
wächs, welches oft mit den Nadelhölzern, deren Geſellſchaft es am meiſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0060" n="36"/>
          <p>Ganz be&#x017F;onders und nicht &#x017F;o ma&#x017F;&#x017F;enwei&#x017F;e nach nur wenigen Arten<lb/>
vertheilt, ge&#x017F;taltet &#x017F;ich die Moosdecke auf einem fel&#x017F;igen Waldboden. Da<lb/>
&#x017F;ind die lo&#x017F;e übereinanderliegenden Blöcke mei&#x017F;t ganz und gar mit locker<lb/>
aufliegenden Moosperrücken bedeckt, die man von den harten Glatzköpfen<lb/>
leicht abnehmen kann. Hier &#x017F;ind es vorzugswei&#x017F;e die <hi rendition="#g">A&#x017F;tmoo&#x017F;e</hi> &#x2014; eine<lb/>
jede Gebirgsflora vermag deren wohl an 50 Arten aufzuwei&#x017F;en &#x2014; welche<lb/>
die Blöcke nicht &#x017F;elten &#x017F;o vollkommen verhüllen, daß der Unkundige ge-<lb/>
fährlich &#x017F;trauchelt, wenn er dem dunkeln Moosteppich vertraut.</p><lb/>
          <p>Gehen wir um einen Sy&#x017F;tem&#x017F;chritt weiter, &#x017F;o finden wir nun die<lb/><hi rendition="#g">Farrnkräuter,</hi> in der alten Linné&#x2019;&#x017F;chen umfa&#x017F;&#x017F;enden Bedeutung, als<lb/>
we&#x017F;entlich betheiligt bei der Bildung der Pflanzendecke. Außer einigen<lb/>
&#x017F;umpfliebenden <hi rendition="#g">Schachtelhalmen,</hi> <hi rendition="#aq">Equisetum,</hi> finden &#x017F;ie &#x017F;ich am lieb&#x017F;ten<lb/>
auf mäßig fri&#x017F;chen Wald&#x017F;tellen ein und namentlich die echten Farrnkräuter<lb/>
nicht &#x017F;elten in &#x017F;olcher Menge, daß &#x017F;ie einen we&#x017F;entlichen Antheil an der<lb/>
Wald&#x017F;treu nehmen und dem Walde einen Schmuck verleihen, der für den-<lb/>
jenigen eine ahnungsvolle Bedeutung gewinnt, der da weiß, daß die Farrn-<lb/>
kräuter wenig&#x017F;tens auf deut&#x017F;chem Boden nur die wenigen Ueberlebenden<lb/>
eines hier ein&#x017F;t mächtigen Ge&#x017F;chlechts &#x017F;ind, de&#x017F;&#x017F;en Urahnen jetzt als Stein-<lb/>
kohlen aus millionenjähriger Grabesruhe wieder aufer&#x017F;tehen. Der Gebirgs-<lb/>
wald würde einen we&#x017F;entlichen Schmuck und Vorzug vor dem Ebenenwalde<lb/>
entbehren, wenn auch die&#x017F;e <choice><sic>wenigeu</sic><corr>wenigen</corr></choice> Ueberre&#x017F;te der Farrnwelt ausge&#x017F;torben<lb/>
wären. Die zu eleganten <choice><sic>&#x017F;tammmlo&#x017F;en</sic><corr>&#x017F;tammlo&#x017F;en</corr></choice> Palmenkronen gruppirten Wedel<lb/>
der <hi rendition="#g">Schildfarrn,</hi> <hi rendition="#aq">Aspidium,</hi> und verwandter Gattungen verleihen<lb/>
un&#x017F;eren fri&#x017F;chen Gebirgswäldern einen fa&#x017F;t tropi&#x017F;chen Zug, der für den<lb/>
Unkundigen, dem aber doch das Auge für die Formen der Pflanzenwelt<lb/>
offen i&#x017F;t, dadurch noch einen geheimnißvollen Reiz gewinnt, daß er an<lb/>
die&#x017F;en zierlich zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten an&#x017F;ehnlichen Blattgebilden zu keiner Zeit<lb/>
und an keinem Orte jemals Blüthen, &#x017F;ondern auf der Rück&#x017F;eite der&#x017F;elben<lb/>
nur räth&#x017F;elhafte, aus kleinen braunen Körnchen be&#x017F;tehende regelmäßig<lb/>
gruppirte Häufchen findet, deren Bedeutung als Früchte er kaum zu ver-<lb/>
muthen wagt. Am mei&#x017F;ten fühlt man &#x017F;ich von dem <hi rendition="#g">Adlerfarrn,</hi> <hi rendition="#aq">Pteris<lb/>
aquilina,</hi> angezogen, de&#x017F;&#x017F;en dreifachgetheilter Wedel auf fri&#x017F;chem lockeren<lb/>
Lehmboden nicht &#x017F;elten mannshoch wird; denn bei die&#x017F;em &#x017F;tattlichen Ge-<lb/>
wächs, welches oft mit den Nadelhölzern, deren Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft es am mei&#x017F;ten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0060] Ganz beſonders und nicht ſo maſſenweiſe nach nur wenigen Arten vertheilt, geſtaltet ſich die Moosdecke auf einem felſigen Waldboden. Da ſind die loſe übereinanderliegenden Blöcke meiſt ganz und gar mit locker aufliegenden Moosperrücken bedeckt, die man von den harten Glatzköpfen leicht abnehmen kann. Hier ſind es vorzugsweiſe die Aſtmooſe — eine jede Gebirgsflora vermag deren wohl an 50 Arten aufzuweiſen — welche die Blöcke nicht ſelten ſo vollkommen verhüllen, daß der Unkundige ge- fährlich ſtrauchelt, wenn er dem dunkeln Moosteppich vertraut. Gehen wir um einen Syſtemſchritt weiter, ſo finden wir nun die Farrnkräuter, in der alten Linné’ſchen umfaſſenden Bedeutung, als weſentlich betheiligt bei der Bildung der Pflanzendecke. Außer einigen ſumpfliebenden Schachtelhalmen, Equisetum, finden ſie ſich am liebſten auf mäßig friſchen Waldſtellen ein und namentlich die echten Farrnkräuter nicht ſelten in ſolcher Menge, daß ſie einen weſentlichen Antheil an der Waldſtreu nehmen und dem Walde einen Schmuck verleihen, der für den- jenigen eine ahnungsvolle Bedeutung gewinnt, der da weiß, daß die Farrn- kräuter wenigſtens auf deutſchem Boden nur die wenigen Ueberlebenden eines hier einſt mächtigen Geſchlechts ſind, deſſen Urahnen jetzt als Stein- kohlen aus millionenjähriger Grabesruhe wieder auferſtehen. Der Gebirgs- wald würde einen weſentlichen Schmuck und Vorzug vor dem Ebenenwalde entbehren, wenn auch dieſe wenigen Ueberreſte der Farrnwelt ausgeſtorben wären. Die zu eleganten ſtammloſen Palmenkronen gruppirten Wedel der Schildfarrn, Aspidium, und verwandter Gattungen verleihen unſeren friſchen Gebirgswäldern einen faſt tropiſchen Zug, der für den Unkundigen, dem aber doch das Auge für die Formen der Pflanzenwelt offen iſt, dadurch noch einen geheimnißvollen Reiz gewinnt, daß er an dieſen zierlich zuſammengeſetzten anſehnlichen Blattgebilden zu keiner Zeit und an keinem Orte jemals Blüthen, ſondern auf der Rückſeite derſelben nur räthſelhafte, aus kleinen braunen Körnchen beſtehende regelmäßig gruppirte Häufchen findet, deren Bedeutung als Früchte er kaum zu ver- muthen wagt. Am meiſten fühlt man ſich von dem Adlerfarrn, Pteris aquilina, angezogen, deſſen dreifachgetheilter Wedel auf friſchem lockeren Lehmboden nicht ſelten mannshoch wird; denn bei dieſem ſtattlichen Ge- wächs, welches oft mit den Nadelhölzern, deren Geſellſchaft es am meiſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/60
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/60>, abgerufen am 12.05.2024.