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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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einen vielleicht sehr guten Feldboden dazu gewinnt, der ihm eine viel
höhere Rente bringt.

Es ist ein gar sonderbares Ding um den Geldeswerth des Waldes!

Hier soll nicht auf die schwierigen Gebiete der Waldwerthberechnung
und Forsttaxation eingetreten werden, erinnern müssen wir uns aber mit
aller möglichen Klarheit des Bewußtseins, daß wir uns eben inmitten
eines Leben und Gedeihen spendenden Gebirgswaldes an einem Platze
befinden, wo die verschiedensten Interessen mit einander im Widerstreit
liegen: Gewinnsucht selbst der erlaubtesten Art und verzichtleistende Sorge
für die kommenden Geschlechter, Freiheit des Eigenthums und gesetzliche
Beschränkung im Interesse des öffentlichen Wohles, gebieterisches Begehren
des Holzbedürfnisses und Versagen des gleichwohl thatsächlich vorhandenen
Befriedigungsmittels.

Im Durcheinander so argen Zusammenstoßes -- was kann da Klarheit
über Recht und Unrecht, über Thun und Lassen, was Ruhe und Frieden
schaffen? Was anders als Belehrung und daraus fließendes Wissen?
Und es ist ein großer Vortheil, daß zu dem Schutze, der dem Walde aus
dem "Wissen Aller" hervorgehen soll, der Schutz der Liebe sich gesellt,
die Alle für den schönen Wald fühlen.

Indem wir noch einige Augenblicke uns im Gebirgswalde umsehen,
muß uns aus dem auf den letzten Seiten Erwogenen hervorgehen, daß
er zu dem Auenwalde in dem Verhältnisse des Ernährers steht. Der
Auenwald ist mit jenem verglichen ein sorglos Genießender. Um seine
Füße spielen die Wellen des Flusses, der aus dem Schooße des Gebirgs-
waldes herunterkommt. Dadurch scheint sich gewissermaßen ein Unterschied
in der Bedeutung beider darlegen zu wollen. Die Bedeutung des Gebirgs-
waldes ist mehr eine vermittelnde, wie ein Naturgesetz stetig wirkende und
darum Verständniß und Anbequemung von uns erheischende; die Bedeu-
tung des Auenwaldes, des fast immer mit Leichtigkeit wiederherzustellenden,
ist eine unmittelbar durch seine Vorräthe nützende. Daraus ergiebt sich,
daß das schreckliche Wort Wald-Devastation gegenüber dem Auenwalde
einen geringeren Vorwurf ausdrückt, als in Beziehung auf den Gebirgs-
wald, der, wenn in größerer Ausdehnung devastirt, schon nach wenigen
Jahren des Unterlassens der Wiederbepflanzung oft nicht mehr herzustellen
ist, weil der Waldboden, wenn er unbebaut liegen bleibt, oft in überraschend

einen vielleicht ſehr guten Feldboden dazu gewinnt, der ihm eine viel
höhere Rente bringt.

Es iſt ein gar ſonderbares Ding um den Geldeswerth des Waldes!

Hier ſoll nicht auf die ſchwierigen Gebiete der Waldwerthberechnung
und Forſttaxation eingetreten werden, erinnern müſſen wir uns aber mit
aller möglichen Klarheit des Bewußtſeins, daß wir uns eben inmitten
eines Leben und Gedeihen ſpendenden Gebirgswaldes an einem Platze
befinden, wo die verſchiedenſten Intereſſen mit einander im Widerſtreit
liegen: Gewinnſucht ſelbſt der erlaubteſten Art und verzichtleiſtende Sorge
für die kommenden Geſchlechter, Freiheit des Eigenthums und geſetzliche
Beſchränkung im Intereſſe des öffentlichen Wohles, gebieteriſches Begehren
des Holzbedürfniſſes und Verſagen des gleichwohl thatſächlich vorhandenen
Befriedigungsmittels.

Im Durcheinander ſo argen Zuſammenſtoßes — was kann da Klarheit
über Recht und Unrecht, über Thun und Laſſen, was Ruhe und Frieden
ſchaffen? Was anders als Belehrung und daraus fließendes Wiſſen?
Und es iſt ein großer Vortheil, daß zu dem Schutze, der dem Walde aus
dem „Wiſſen Aller“ hervorgehen ſoll, der Schutz der Liebe ſich geſellt,
die Alle für den ſchönen Wald fühlen.

Indem wir noch einige Augenblicke uns im Gebirgswalde umſehen,
muß uns aus dem auf den letzten Seiten Erwogenen hervorgehen, daß
er zu dem Auenwalde in dem Verhältniſſe des Ernährers ſteht. Der
Auenwald iſt mit jenem verglichen ein ſorglos Genießender. Um ſeine
Füße ſpielen die Wellen des Fluſſes, der aus dem Schooße des Gebirgs-
waldes herunterkommt. Dadurch ſcheint ſich gewiſſermaßen ein Unterſchied
in der Bedeutung beider darlegen zu wollen. Die Bedeutung des Gebirgs-
waldes iſt mehr eine vermittelnde, wie ein Naturgeſetz ſtetig wirkende und
darum Verſtändniß und Anbequemung von uns erheiſchende; die Bedeu-
tung des Auenwaldes, des faſt immer mit Leichtigkeit wiederherzuſtellenden,
iſt eine unmittelbar durch ſeine Vorräthe nützende. Daraus ergiebt ſich,
daß das ſchreckliche Wort Wald-Devaſtation gegenüber dem Auenwalde
einen geringeren Vorwurf ausdrückt, als in Beziehung auf den Gebirgs-
wald, der, wenn in größerer Ausdehnung devaſtirt, ſchon nach wenigen
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[571/0627] einen vielleicht ſehr guten Feldboden dazu gewinnt, der ihm eine viel höhere Rente bringt. Es iſt ein gar ſonderbares Ding um den Geldeswerth des Waldes! Hier ſoll nicht auf die ſchwierigen Gebiete der Waldwerthberechnung und Forſttaxation eingetreten werden, erinnern müſſen wir uns aber mit aller möglichen Klarheit des Bewußtſeins, daß wir uns eben inmitten eines Leben und Gedeihen ſpendenden Gebirgswaldes an einem Platze befinden, wo die verſchiedenſten Intereſſen mit einander im Widerſtreit liegen: Gewinnſucht ſelbſt der erlaubteſten Art und verzichtleiſtende Sorge für die kommenden Geſchlechter, Freiheit des Eigenthums und geſetzliche Beſchränkung im Intereſſe des öffentlichen Wohles, gebieteriſches Begehren des Holzbedürfniſſes und Verſagen des gleichwohl thatſächlich vorhandenen Befriedigungsmittels. Im Durcheinander ſo argen Zuſammenſtoßes — was kann da Klarheit über Recht und Unrecht, über Thun und Laſſen, was Ruhe und Frieden ſchaffen? Was anders als Belehrung und daraus fließendes Wiſſen? Und es iſt ein großer Vortheil, daß zu dem Schutze, der dem Walde aus dem „Wiſſen Aller“ hervorgehen ſoll, der Schutz der Liebe ſich geſellt, die Alle für den ſchönen Wald fühlen. Indem wir noch einige Augenblicke uns im Gebirgswalde umſehen, muß uns aus dem auf den letzten Seiten Erwogenen hervorgehen, daß er zu dem Auenwalde in dem Verhältniſſe des Ernährers ſteht. Der Auenwald iſt mit jenem verglichen ein ſorglos Genießender. Um ſeine Füße ſpielen die Wellen des Fluſſes, der aus dem Schooße des Gebirgs- waldes herunterkommt. Dadurch ſcheint ſich gewiſſermaßen ein Unterſchied in der Bedeutung beider darlegen zu wollen. Die Bedeutung des Gebirgs- waldes iſt mehr eine vermittelnde, wie ein Naturgeſetz ſtetig wirkende und darum Verſtändniß und Anbequemung von uns erheiſchende; die Bedeu- tung des Auenwaldes, des faſt immer mit Leichtigkeit wiederherzuſtellenden, iſt eine unmittelbar durch ſeine Vorräthe nützende. Daraus ergiebt ſich, daß das ſchreckliche Wort Wald-Devaſtation gegenüber dem Auenwalde einen geringeren Vorwurf ausdrückt, als in Beziehung auf den Gebirgs- wald, der, wenn in größerer Ausdehnung devaſtirt, ſchon nach wenigen Jahren des Unterlaſſens der Wiederbepflanzung oft nicht mehr herzuſtellen iſt, weil der Waldboden, wenn er unbebaut liegen bleibt, oft in überraſchend

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/627>, abgerufen am 29.04.2024.