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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Lassen wir uns dies Stellungsgesetz der Knospenschuppen jetzt nicht
unwichtig vorkommen, denn wir werden bald sehen, daß sich das Gesetz
an dem Baume in höheren Verhältnissen wiederholt.

Die Zahl der Knospenschuppen ist zwar selten so streng festgehalten,
wie z. B. die der Staubgefäße, aber wenigstens die der äußerlich sicht-
baren bietet doch einige Anhaltepunkte der Unterscheidung dar. An der
Hartriegelknospe (Cornus) kann man äußerlich nur ein Schuppenpaar
unterscheiden, bei der Esche 2, bei den Ahornarten 3--4 (bei allen diesen
stehen sie kreuzweise gegenüber); die Linde läßt nur 2 Knospenschuppen
sehen, die Erle und Birke 3, die Buche und Eiche 10 bis 15. Die an
den Trieb angedrückten Knospen der Weiden sind von einer einzigen
kapuzenförmigen Schuppe dicht umschlossen, welche bei der Knospenent-
faltung abgehoben wird (III. 12.).

Daß die Farbe der Knospen ein allein schon ausreichendes Unter-
scheidungsmerkmal abgeben kann, davon liefert die gelbgrüne Knospe des
Bergahorns und die schmutzig karminrothe des Spitzahorns ein Beispiel.
Die feine seidenartige Behaarung unterscheidet die Knospe der Feld-
rüster von der kahlen der Flatterrüster.

Die Knospen der Buche und des Hornbaumes sind einander sehr
ähnlich, aber bei jener steht sie unter einem großen Winkel von dem
Triebe ab (III. 9.), bei diesem ist sie angedrückt (III. 10.).

Gewöhnlich ist die Knospe sitzend, d. h. ohne besonderen Stiel
angeheftet, bei der Erle jedoch ist sie gestielt (III. 11.).

Daß die Gestalten der Knospen verschieden seien, läßt sich ver-
muthen, und werden wir hierüber wie über die vorstehenden, blos an-
gedeuteten, Verhältnisse bei der Betrachtung unserer verschiedenen Wald-
bäume Weiteres erfahren.

Ehe wir jetzt das Innere der Knospe betrachten, müssen wir noch
Seitenknospen und Endknospen unterscheiden.

Nicht jede Knospe, welche am Ende, an der Spitze, des Triebes
steht, verdient die besondere Bezeichnung als Endknospe, sondern eigentlich
wird nur bei der kreuzweise gegenständigen Knospenstellung die unpaarig
an der Triebspitze stehende Knospe so genannt, während unter und zu-
nächst neben ihr nur Knospenpaare stehen, wie es an III. 4. bei der
Esche der Fall ist, wo wir an dem obersten, diesjährigen Triebe drei

Laſſen wir uns dies Stellungsgeſetz der Knospenſchuppen jetzt nicht
unwichtig vorkommen, denn wir werden bald ſehen, daß ſich das Geſetz
an dem Baume in höheren Verhältniſſen wiederholt.

Die Zahl der Knospenſchuppen iſt zwar ſelten ſo ſtreng feſtgehalten,
wie z. B. die der Staubgefäße, aber wenigſtens die der äußerlich ſicht-
baren bietet doch einige Anhaltepunkte der Unterſcheidung dar. An der
Hartriegelknospe (Cornus) kann man äußerlich nur ein Schuppenpaar
unterſcheiden, bei der Eſche 2, bei den Ahornarten 3—4 (bei allen dieſen
ſtehen ſie kreuzweiſe gegenüber); die Linde läßt nur 2 Knospenſchuppen
ſehen, die Erle und Birke 3, die Buche und Eiche 10 bis 15. Die an
den Trieb angedrückten Knospen der Weiden ſind von einer einzigen
kapuzenförmigen Schuppe dicht umſchloſſen, welche bei der Knospenent-
faltung abgehoben wird (III. 12.).

Daß die Farbe der Knospen ein allein ſchon ausreichendes Unter-
ſcheidungsmerkmal abgeben kann, davon liefert die gelbgrüne Knospe des
Bergahorns und die ſchmutzig karminrothe des Spitzahorns ein Beiſpiel.
Die feine ſeidenartige Behaarung unterſcheidet die Knospe der Feld-
rüſter von der kahlen der Flatterrüſter.

Die Knospen der Buche und des Hornbaumes ſind einander ſehr
ähnlich, aber bei jener ſteht ſie unter einem großen Winkel von dem
Triebe ab (III. 9.), bei dieſem iſt ſie angedrückt (III. 10.).

Gewöhnlich iſt die Knospe ſitzend, d. h. ohne beſonderen Stiel
angeheftet, bei der Erle jedoch iſt ſie geſtielt (III. 11.).

Daß die Geſtalten der Knospen verſchieden ſeien, läßt ſich ver-
muthen, und werden wir hierüber wie über die vorſtehenden, blos an-
gedeuteten, Verhältniſſe bei der Betrachtung unſerer verſchiedenen Wald-
bäume Weiteres erfahren.

Ehe wir jetzt das Innere der Knospe betrachten, müſſen wir noch
Seitenknospen und Endknospen unterſcheiden.

Nicht jede Knospe, welche am Ende, an der Spitze, des Triebes
ſteht, verdient die beſondere Bezeichnung als Endknospe, ſondern eigentlich
wird nur bei der kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſtellung die unpaarig
an der Triebſpitze ſtehende Knospe ſo genannt, während unter und zu-
nächſt neben ihr nur Knospenpaare ſtehen, wie es an III. 4. bei der
Eſche der Fall iſt, wo wir an dem oberſten, diesjährigen Triebe drei

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[62/0086] Laſſen wir uns dies Stellungsgeſetz der Knospenſchuppen jetzt nicht unwichtig vorkommen, denn wir werden bald ſehen, daß ſich das Geſetz an dem Baume in höheren Verhältniſſen wiederholt. Die Zahl der Knospenſchuppen iſt zwar ſelten ſo ſtreng feſtgehalten, wie z. B. die der Staubgefäße, aber wenigſtens die der äußerlich ſicht- baren bietet doch einige Anhaltepunkte der Unterſcheidung dar. An der Hartriegelknospe (Cornus) kann man äußerlich nur ein Schuppenpaar unterſcheiden, bei der Eſche 2, bei den Ahornarten 3—4 (bei allen dieſen ſtehen ſie kreuzweiſe gegenüber); die Linde läßt nur 2 Knospenſchuppen ſehen, die Erle und Birke 3, die Buche und Eiche 10 bis 15. Die an den Trieb angedrückten Knospen der Weiden ſind von einer einzigen kapuzenförmigen Schuppe dicht umſchloſſen, welche bei der Knospenent- faltung abgehoben wird (III. 12.). Daß die Farbe der Knospen ein allein ſchon ausreichendes Unter- ſcheidungsmerkmal abgeben kann, davon liefert die gelbgrüne Knospe des Bergahorns und die ſchmutzig karminrothe des Spitzahorns ein Beiſpiel. Die feine ſeidenartige Behaarung unterſcheidet die Knospe der Feld- rüſter von der kahlen der Flatterrüſter. Die Knospen der Buche und des Hornbaumes ſind einander ſehr ähnlich, aber bei jener ſteht ſie unter einem großen Winkel von dem Triebe ab (III. 9.), bei dieſem iſt ſie angedrückt (III. 10.). Gewöhnlich iſt die Knospe ſitzend, d. h. ohne beſonderen Stiel angeheftet, bei der Erle jedoch iſt ſie geſtielt (III. 11.). Daß die Geſtalten der Knospen verſchieden ſeien, läßt ſich ver- muthen, und werden wir hierüber wie über die vorſtehenden, blos an- gedeuteten, Verhältniſſe bei der Betrachtung unſerer verſchiedenen Wald- bäume Weiteres erfahren. Ehe wir jetzt das Innere der Knospe betrachten, müſſen wir noch Seitenknospen und Endknospen unterſcheiden. Nicht jede Knospe, welche am Ende, an der Spitze, des Triebes ſteht, verdient die beſondere Bezeichnung als Endknospe, ſondern eigentlich wird nur bei der kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſtellung die unpaarig an der Triebſpitze ſtehende Knospe ſo genannt, während unter und zu- nächſt neben ihr nur Knospenpaare ſtehen, wie es an III. 4. bei der Eſche der Fall iſt, wo wir an dem oberſten, diesjährigen Triebe drei

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/86>, abgerufen am 13.05.2024.