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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Geist dieses Büchleins als ein solcher betrachtet
seyn will, der von allen zufälligen Dingen unab-
hängig, es einzig mit dem Wesen der Sache zu
thun hat: so läßt sich doch auch sagen, daß das
Leben in jedem bürgerlichen Verhältniß seine ei-
genen Ansichten habe, welche von Frühem an bei
der Erziehung nicht aus der Acht gelassen werden
dürfen, wenn das Jndividuum bei aller innern
Treflichkeit durch seine Unkunde der äußern Ver-
hältnisse, oder durch ein unglückliches Mißkennen
der seinigen, nicht dennoch sehr elend werden soll.
Dennoch bleibt der Satz als eine unbestreitbare
Wahrheit stehen, als Hauptsumma aller Er-
ziehungslehre: Lasset eure Kinder Menschen wer-
den, und hindert sie nicht, sondern seyd ihnen
liebreich förderlich zur besten Erhaltung aller ih-
re Anlagen. Ziehet deren keine ungebührlich her-
vor, und bringet weder ihre Geistes- noch Körper-
kräfte in Treibhausluft, auf daß alles in reiner

Geiſt dieſes Büchleins als ein ſolcher betrachtet
ſeyn will, der von allen zufälligen Dingen unab-
hängig, es einzig mit dem Weſen der Sache zu
thun hat: ſo läßt ſich doch auch ſagen, daß das
Leben in jedem bürgerlichen Verhältniß ſeine ei-
genen Anſichten habe, welche von Frühem an bei
der Erziehung nicht aus der Acht gelaſſen werden
dürfen, wenn das Jndividuum bei aller innern
Treflichkeit durch ſeine Unkunde der äußern Ver-
hältniſſe, oder durch ein unglückliches Mißkennen
der ſeinigen, nicht dennoch ſehr elend werden ſoll.
Dennoch bleibt der Satz als eine unbeſtreitbare
Wahrheit ſtehen, als Hauptſumma aller Er-
ziehungslehre: Laſſet eure Kinder Menſchen wer-
den, und hindert ſie nicht, ſondern ſeyd ihnen
liebreich förderlich zur beſten Erhaltung aller ih-
re Anlagen. Ziehet deren keine ungebührlich her-
vor, und bringet weder ihre Geiſtes- noch Körper-
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[6/0012] Geiſt dieſes Büchleins als ein ſolcher betrachtet ſeyn will, der von allen zufälligen Dingen unab- hängig, es einzig mit dem Weſen der Sache zu thun hat: ſo läßt ſich doch auch ſagen, daß das Leben in jedem bürgerlichen Verhältniß ſeine ei- genen Anſichten habe, welche von Frühem an bei der Erziehung nicht aus der Acht gelaſſen werden dürfen, wenn das Jndividuum bei aller innern Treflichkeit durch ſeine Unkunde der äußern Ver- hältniſſe, oder durch ein unglückliches Mißkennen der ſeinigen, nicht dennoch ſehr elend werden ſoll. Dennoch bleibt der Satz als eine unbeſtreitbare Wahrheit ſtehen, als Hauptſumma aller Er- ziehungslehre: Laſſet eure Kinder Menſchen wer- den, und hindert ſie nicht, ſondern ſeyd ihnen liebreich förderlich zur beſten Erhaltung aller ih- re Anlagen. Ziehet deren keine ungebührlich her- vor, und bringet weder ihre Geiſtes- noch Körper- kräfte in Treibhausluft, auf daß alles in reiner

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/12>, abgerufen am 28.04.2024.