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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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herzlich daran. Nein, Emma, so dacht' ich mir
den Ausgang nicht. Arme Mutter, Du sollst
Dich auf, Gott weiß, wie lange, von Deinen
beiden Lieblingen trennen, und Deinem Ge-
mahl nach dem rauhen Norden folgen? Jmmer
vermuthete ich, daß die Regierung ihm einen
solchen Posten anweisen würde; aber nach Pe-
tersburg, nein, das dacht' ich nicht. Und Dein
Gemahl hat unwiderruflich entschieden, daß die
Kinder in Deutschland bleiben sollen?

Sehr ehrend für mich ist sein Vertrauen, in
welchem er mir, mit Dir übereinstimmend, Jda
bis zu eurer Rückkehr ganz übergeben will, und
daß auch er glaubt, Herr von P. sey der einzige
Mann in unserm weiten Kreise, der Woldemar
zur schönsten Entwickelung helfen könne. Aber
Du, arme Mutter, wie willst Du das Opfer
bringen, ohne daß der Schmerz Dein Jnneres
zernagt? Kann es Dich trösten, so laß Dir er-
zählen, daß meine Vermuthung völlig erfüllet
und meine Hoffnung übertroffen ist.

Woldemar kam am Sonntag Mittag an, als
Herr von P. eben bei uns speisete. Die Art,



herzlich daran. Nein, Emma, ſo dacht’ ich mir
den Ausgang nicht. Arme Mutter, Du ſollſt
Dich auf, Gott weiß, wie lange, von Deinen
beiden Lieblingen trennen, und Deinem Ge-
mahl nach dem rauhen Norden folgen? Jmmer
vermuthete ich, daß die Regierung ihm einen
ſolchen Poſten anweiſen würde; aber nach Pe-
tersburg, nein, das dacht’ ich nicht. Und Dein
Gemahl hat unwiderruflich entſchieden, daß die
Kinder in Deutſchland bleiben ſollen?

Sehr ehrend für mich iſt ſein Vertrauen, in
welchem er mir, mit Dir übereinſtimmend, Jda
bis zu eurer Rückkehr ganz übergeben will, und
daß auch er glaubt, Herr von P. ſey der einzige
Mann in unſerm weiten Kreiſe, der Woldemar
zur ſchönſten Entwickelung helfen könne. Aber
Du, arme Mutter, wie willſt Du das Opfer
bringen, ohne daß der Schmerz Dein Jnneres
zernagt? Kann es Dich tröſten, ſo laß Dir er-
zählen, daß meine Vermuthung völlig erfüllet
und meine Hoffnung übertroffen iſt.

Woldemar kam am Sonntag Mittag an, als
Herr von P. eben bei uns ſpeiſete. Die Art,

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[115/0129] herzlich daran. Nein, Emma, ſo dacht’ ich mir den Ausgang nicht. Arme Mutter, Du ſollſt Dich auf, Gott weiß, wie lange, von Deinen beiden Lieblingen trennen, und Deinem Ge- mahl nach dem rauhen Norden folgen? Jmmer vermuthete ich, daß die Regierung ihm einen ſolchen Poſten anweiſen würde; aber nach Pe- tersburg, nein, das dacht’ ich nicht. Und Dein Gemahl hat unwiderruflich entſchieden, daß die Kinder in Deutſchland bleiben ſollen? Sehr ehrend für mich iſt ſein Vertrauen, in welchem er mir, mit Dir übereinſtimmend, Jda bis zu eurer Rückkehr ganz übergeben will, und daß auch er glaubt, Herr von P. ſey der einzige Mann in unſerm weiten Kreiſe, der Woldemar zur ſchönſten Entwickelung helfen könne. Aber Du, arme Mutter, wie willſt Du das Opfer bringen, ohne daß der Schmerz Dein Jnneres zernagt? Kann es Dich tröſten, ſo laß Dir er- zählen, daß meine Vermuthung völlig erfüllet und meine Hoffnung übertroffen iſt. Woldemar kam am Sonntag Mittag an, als Herr von P. eben bei uns ſpeiſete. Die Art,

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/129>, abgerufen am 05.05.2024.