Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

sich? Du sagtest etwas vom Gelübde: was heißt
das?

Jch. Wie sich das Gelübde von einem jeden
andern Vorsatz unterscheidet, das kannst du noch
nicht ganz verstehen, Liebe. Aber er zürnt mit
sich, weil er das Gelübde gebrochen. Wenn du
älter bist, sprechen wir mehr davon. Den armen
Paul müssen wir für's erste sich selbst überlassen.

Jda. Liebe Tante, mir fällt dabei noch et-
was ein.

Jch. Und was, mein gutes Kind? Sage.

Jda. Daß ich nicht mehr so bös seyn will,
wenn ich Leute sehe, die unvernünftig sind, weil
sie zu viel getrunken haben.

Jch. Warum, Jda? Findest du es denn nicht
mehr garstig?

Jda. O wohl! aber ich kann mir es nun vor-
stellen, wie das gekommen ist, und daß einer sich
aus Versehen betrunken haben kann.

Jch. Und wenn die Trauben eine eben solche
Wirkung thäten?

ſich? Du ſagteſt etwas vom Gelübde: was heißt
das?

Jch. Wie ſich das Gelübde von einem jeden
andern Vorſatz unterſcheidet, das kannſt du noch
nicht ganz verſtehen, Liebe. Aber er zürnt mit
ſich, weil er das Gelübde gebrochen. Wenn du
älter biſt, ſprechen wir mehr davon. Den armen
Paul müſſen wir für’s erſte ſich ſelbſt überlaſſen.

Jda. Liebe Tante, mir fällt dabei noch et-
was ein.

Jch. Und was, mein gutes Kind? Sage.

Jda. Daß ich nicht mehr ſo bös ſeyn will,
wenn ich Leute ſehe, die unvernünftig ſind, weil
ſie zu viel getrunken haben.

Jch. Warum, Jda? Findeſt du es denn nicht
mehr garſtig?

Jda. O wohl! aber ich kann mir es nun vor-
ſtellen, wie das gekommen iſt, und daß einer ſich
aus Verſehen betrunken haben kann.

Jch. Und wenn die Trauben eine eben ſolche
Wirkung thäten?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0245" n="231"/>
&#x017F;ich? Du &#x017F;agte&#x017F;t etwas vom Gelübde: was heißt<lb/>
das?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Wie &#x017F;ich das Gelübde von einem jeden<lb/>
andern Vor&#x017F;atz unter&#x017F;cheidet, das kann&#x017F;t du noch<lb/>
nicht ganz ver&#x017F;tehen, Liebe. Aber er zürnt mit<lb/>
&#x017F;ich, weil er das Gelübde gebrochen. Wenn du<lb/>
älter bi&#x017F;t, &#x017F;prechen wir mehr davon. Den arm<hi rendition="#g">en</hi><lb/>
Paul mü&#x017F;&#x017F;en wir für&#x2019;s er&#x017F;te &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jda</hi>. Liebe Tante, mir fällt dabei noch et-<lb/>
was ein.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Und was, mein gutes Kind? Sage.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jda</hi>. Daß ich nicht mehr &#x017F;o bös &#x017F;eyn will,<lb/>
wenn ich Leute &#x017F;ehe, die unvernünftig &#x017F;ind, weil<lb/>
&#x017F;ie zu viel getrunken haben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Warum, Jda? Finde&#x017F;t du es denn nicht<lb/>
mehr gar&#x017F;tig?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jda</hi>. O wohl! aber ich kann mir es nun vor-<lb/>
&#x017F;tellen, wie das gekommen i&#x017F;t, und daß einer &#x017F;ich<lb/>
aus Ver&#x017F;ehen betrunken haben kann.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Und wenn die Trauben eine eben &#x017F;olche<lb/>
Wirkung thäten?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0245] ſich? Du ſagteſt etwas vom Gelübde: was heißt das? Jch. Wie ſich das Gelübde von einem jeden andern Vorſatz unterſcheidet, das kannſt du noch nicht ganz verſtehen, Liebe. Aber er zürnt mit ſich, weil er das Gelübde gebrochen. Wenn du älter biſt, ſprechen wir mehr davon. Den armen Paul müſſen wir für’s erſte ſich ſelbſt überlaſſen. Jda. Liebe Tante, mir fällt dabei noch et- was ein. Jch. Und was, mein gutes Kind? Sage. Jda. Daß ich nicht mehr ſo bös ſeyn will, wenn ich Leute ſehe, die unvernünftig ſind, weil ſie zu viel getrunken haben. Jch. Warum, Jda? Findeſt du es denn nicht mehr garſtig? Jda. O wohl! aber ich kann mir es nun vor- ſtellen, wie das gekommen iſt, und daß einer ſich aus Verſehen betrunken haben kann. Jch. Und wenn die Trauben eine eben ſolche Wirkung thäten?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/245
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/245>, abgerufen am 03.05.2024.