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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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nig eitel. Avez vous jamais vu une dou-
ceur, une egalite de caractere plus parfaite,
que dans Mlle. Lisette?
fragte sie mich neu-
lich mit der sichtbarlichsten Selbstgefälligkeit. Die
Mutter fängt jetzt an zu ahnen, daß sie sich in
der Wahl der Erzieherin ihrer Töchter wohl ge-
irrt haben könnte. Sie machte gestern die Bemer-
kung, unsere Kinder schienen ihr viel glücklicher
als die ihrigen -- und obgleich sie auf den ersten
Anblick mehr Kinder zu seyn das Ansehen hätten
so könne man an ihnen doch nichts kindisches, nichts
läppisches gewahr werden, und setzte dann hinzu:
ich fürchte, ich werde Jhre kleine Familie bald
lieber haben müssen, als meine eigene. Das
sollen Sie nicht müssen, siel ich ein; denn noch
wird die heitere Kindheit in den Jhrigen vielleicht
wieder hervorzurufen seyn.

"Wie das aber?"

Wir müssen unser Heil fürs erste an Mlle.
Fleuri versuchen. Können wir sie nicht gelen-
kiger machen, dann müssen wir mit ihr in Trak-
taten eingehen, daß sie die Kinder wenigstens seyn
lasse, was sie selbst nicht mehr seyn kann, und vor

nig eitel. Avez vous jamais vu une dou-
ceur, une égalité de caractére plus parfaite,
que dans Mlle. Lisette?
fragte ſie mich neu-
lich mit der ſichtbarlichſten Selbſtgefälligkeit. Die
Mutter fängt jetzt an zu ahnen, daß ſie ſich in
der Wahl der Erzieherin ihrer Töchter wohl ge-
irrt haben könnte. Sie machte geſtern die Bemer-
kung, unſere Kinder ſchienen ihr viel glücklicher
als die ihrigen — und obgleich ſie auf den erſten
Anblick mehr Kinder zu ſeyn das Anſehen hätten
ſo könne man an ihnen doch nichts kindiſches, nichts
läppiſches gewahr werden, und ſetzte dann hinzu:
ich fürchte, ich werde Jhre kleine Familie bald
lieber haben müſſen, als meine eigene. Das
ſollen Sie nicht müſſen, ſiel ich ein; denn noch
wird die heitere Kindheit in den Jhrigen vielleicht
wieder hervorzurufen ſeyn.

„Wie das aber?‟

Wir müſſen unſer Heil fürs erſte an Mlle.
Fleuri verſuchen. Können wir ſie nicht gelen-
kiger machen, dann müſſen wir mit ihr in Trak-
taten eingehen, daß ſie die Kinder wenigſtens ſeyn
laſſe, was ſie ſelbſt nicht mehr ſeyn kann, und vor

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[138/0146] nig eitel. Avez vous jamais vu une dou- ceur, une égalité de caractére plus parfaite, que dans Mlle. Lisette? fragte ſie mich neu- lich mit der ſichtbarlichſten Selbſtgefälligkeit. Die Mutter fängt jetzt an zu ahnen, daß ſie ſich in der Wahl der Erzieherin ihrer Töchter wohl ge- irrt haben könnte. Sie machte geſtern die Bemer- kung, unſere Kinder ſchienen ihr viel glücklicher als die ihrigen — und obgleich ſie auf den erſten Anblick mehr Kinder zu ſeyn das Anſehen hätten ſo könne man an ihnen doch nichts kindiſches, nichts läppiſches gewahr werden, und ſetzte dann hinzu: ich fürchte, ich werde Jhre kleine Familie bald lieber haben müſſen, als meine eigene. Das ſollen Sie nicht müſſen, ſiel ich ein; denn noch wird die heitere Kindheit in den Jhrigen vielleicht wieder hervorzurufen ſeyn. „Wie das aber?‟ Wir müſſen unſer Heil fürs erſte an Mlle. Fleuri verſuchen. Können wir ſie nicht gelen- kiger machen, dann müſſen wir mit ihr in Trak- taten eingehen, daß ſie die Kinder wenigſtens ſeyn laſſe, was ſie ſelbſt nicht mehr ſeyn kann, und vor

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/146>, abgerufen am 28.04.2024.