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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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aus dem Garten kam. Jch habe euch etwas vor-
zutragen, liebe Hausgenossen, redete ich sie an,
ich wünsche euch allen eine neue Mitgenossin zu
geben, die aber noch zu jung ist um uns viele Freu-
den geben, ja um sie nur von uns annehmen zu
können. Ja, die Sorge für sie wird uns manches
kleine Opfer abfordern, und manchen Zwang auf-
legen. Wir werden uns im freien Gebrauch unse-
rer Zeit sehr beschränkt sehen, und manches kleine
Ungemach zu erdulden haben; denn unsere kleine
Freundin ist erst 2 Jahr alt. Die Wiege, und
die ganze Kinderstube des wirklichen Lebens haben
für den äußern Sinn gar nicht viel poetisches, sie
sind vielmehr höchst prosaisch, und das rein poeti-
sche darin ist sehr geistig. Besonders Sie, lieber
Bruno, könnten wohl manche böse Viertelstunde da-
von haben. Jch frage Sie also ernstlich um Jhre
Meinung, und bitte um ihre Zustimmung, weil
es Sie am meisten belasten dürfte. Aber auch ihr,
meine Kinder, sollt freie Wahl haben. Verwei-
gern die Meisten von euch ihre Einwilligung, so un-
terbleibt die Aufnahme. Eine Stimme dazu habe
ich schon auf meiner Seite: ich blickte Jda an.



aus dem Garten kam. Jch habe euch etwas vor-
zutragen, liebe Hausgenoſſen, redete ich ſie an,
ich wünſche euch allen eine neue Mitgenoſſin zu
geben, die aber noch zu jung iſt um uns viele Freu-
den geben, ja um ſie nur von uns annehmen zu
können. Ja, die Sorge für ſie wird uns manches
kleine Opfer abfordern, und manchen Zwang auf-
legen. Wir werden uns im freien Gebrauch unſe-
rer Zeit ſehr beſchränkt ſehen, und manches kleine
Ungemach zu erdulden haben; denn unſere kleine
Freundin iſt erſt 2 Jahr alt. Die Wiege, und
die ganze Kinderſtube des wirklichen Lebens haben
für den äußern Sinn gar nicht viel poetiſches, ſie
ſind vielmehr höchſt proſaiſch, und das rein poeti-
ſche darin iſt ſehr geiſtig. Beſonders Sie, lieber
Bruno, könnten wohl manche böſe Viertelſtunde da-
von haben. Jch frage Sie alſo ernſtlich um Jhre
Meinung, und bitte um ihre Zuſtimmung, weil
es Sie am meiſten belaſten dürfte. Aber auch ihr,
meine Kinder, ſollt freie Wahl haben. Verwei-
gern die Meiſten von euch ihre Einwilligung, ſo un-
terbleibt die Aufnahme. Eine Stimme dazu habe
ich ſchon auf meiner Seite: ich blickte Jda an.

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[199/0207] aus dem Garten kam. Jch habe euch etwas vor- zutragen, liebe Hausgenoſſen, redete ich ſie an, ich wünſche euch allen eine neue Mitgenoſſin zu geben, die aber noch zu jung iſt um uns viele Freu- den geben, ja um ſie nur von uns annehmen zu können. Ja, die Sorge für ſie wird uns manches kleine Opfer abfordern, und manchen Zwang auf- legen. Wir werden uns im freien Gebrauch unſe- rer Zeit ſehr beſchränkt ſehen, und manches kleine Ungemach zu erdulden haben; denn unſere kleine Freundin iſt erſt 2 Jahr alt. Die Wiege, und die ganze Kinderſtube des wirklichen Lebens haben für den äußern Sinn gar nicht viel poetiſches, ſie ſind vielmehr höchſt proſaiſch, und das rein poeti- ſche darin iſt ſehr geiſtig. Beſonders Sie, lieber Bruno, könnten wohl manche böſe Viertelſtunde da- von haben. Jch frage Sie alſo ernſtlich um Jhre Meinung, und bitte um ihre Zuſtimmung, weil es Sie am meiſten belaſten dürfte. Aber auch ihr, meine Kinder, ſollt freie Wahl haben. Verwei- gern die Meiſten von euch ihre Einwilligung, ſo un- terbleibt die Aufnahme. Eine Stimme dazu habe ich ſchon auf meiner Seite: ich blickte Jda an.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/207>, abgerufen am 30.04.2024.