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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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volle Herzensregungen von gröberer Aufwallung
der aufgeregten Sinne unbefleckt bleibt -- o ihr
selbst wäret gewiß in eurer Töchter Gegenwart
durchaus unsträflich, und umgäbet sie wie allge-
genwärtig, auf daß kein unreines Wort ihr Ohr,
und kein üppiges Bild ihr Auge berühre, ihr ließt
sicherlich alle Bücher von eurem Nähtisch verbannt
bleiben, zu denen die kindliche Neugier sie reizen
könnte, sobald ihr den Rücken wendet. Doch
wenn ihr auch diese Bücher noch so fest unter Schloß
hieltet, könnt ihr auch die Wirkung verschließen,
die sie auf euch thun? Auch brauchtet ihr alsdann
den Jsisschleier nie zur Unzeit zu lüften, ja, wenn
auch die Männer einmal größere Ehrfurcht vor
dem Auge und Ohr der Unschuld bekämen, dann
könnte und müßte dieses Wort der Belehrung
das letzte seyn, und dem Tage kurz vorausgehen,
wo der Erwählte sie in seine Hütte führt. -- Nur
die Verderbtheit macht frühen Unterricht der Art
nöthig, und zwingt ihn auch oft zu einer Zeit ab,
wo er mehr schadet als frommet, und wo alles,
was er noch bewirken kann, in der Klugheit be-
steht, die durch Ansichhalten den Mangel der Her-



volle Herzensregungen von gröberer Aufwallung
der aufgeregten Sinne unbefleckt bleibt — o ihr
ſelbſt wäret gewiß in eurer Töchter Gegenwart
durchaus unſträflich, und umgäbet ſie wie allge-
genwärtig, auf daß kein unreines Wort ihr Ohr,
und kein üppiges Bild ihr Auge berühre, ihr ließt
ſicherlich alle Bücher von eurem Nähtiſch verbannt
bleiben, zu denen die kindliche Neugier ſie reizen
könnte, ſobald ihr den Rücken wendet. Doch
wenn ihr auch dieſe Bücher noch ſo feſt unter Schloß
hieltet, könnt ihr auch die Wirkung verſchließen,
die ſie auf euch thun? Auch brauchtet ihr alsdann
den Jſisſchleier nie zur Unzeit zu lüften, ja, wenn
auch die Männer einmal größere Ehrfurcht vor
dem Auge und Ohr der Unſchuld bekämen, dann
könnte und müßte dieſes Wort der Belehrung
das letzte ſeyn, und dem Tage kurz vorausgehen,
wo der Erwählte ſie in ſeine Hütte führt. — Nur
die Verderbtheit macht frühen Unterricht der Art
nöthig, und zwingt ihn auch oft zu einer Zeit ab,
wo er mehr ſchadet als frommet, und wo alles,
was er noch bewirken kann, in der Klugheit be-
ſteht, die durch Anſichhalten den Mangel der Her-

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[213/0221] volle Herzensregungen von gröberer Aufwallung der aufgeregten Sinne unbefleckt bleibt — o ihr ſelbſt wäret gewiß in eurer Töchter Gegenwart durchaus unſträflich, und umgäbet ſie wie allge- genwärtig, auf daß kein unreines Wort ihr Ohr, und kein üppiges Bild ihr Auge berühre, ihr ließt ſicherlich alle Bücher von eurem Nähtiſch verbannt bleiben, zu denen die kindliche Neugier ſie reizen könnte, ſobald ihr den Rücken wendet. Doch wenn ihr auch dieſe Bücher noch ſo feſt unter Schloß hieltet, könnt ihr auch die Wirkung verſchließen, die ſie auf euch thun? Auch brauchtet ihr alsdann den Jſisſchleier nie zur Unzeit zu lüften, ja, wenn auch die Männer einmal größere Ehrfurcht vor dem Auge und Ohr der Unſchuld bekämen, dann könnte und müßte dieſes Wort der Belehrung das letzte ſeyn, und dem Tage kurz vorausgehen, wo der Erwählte ſie in ſeine Hütte führt. — Nur die Verderbtheit macht frühen Unterricht der Art nöthig, und zwingt ihn auch oft zu einer Zeit ab, wo er mehr ſchadet als frommet, und wo alles, was er noch bewirken kann, in der Klugheit be- ſteht, die durch Anſichhalten den Mangel der Her-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/221>, abgerufen am 30.04.2024.