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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Jda haben machen können. Jhm fehlt das ächt
männliche des Mannes, das Siegel, welches die
Natur auf ihr letztes Meisterwerk gedrückt, und
welches das ächtweibliche Weib nicht vermissen
darf, wo es sein ganzes Wesen auf immer hin-
geben soll. Bruno ist wirklich ein treuer lieber
Mensch, aber ein wenig Pedant, ein wenig Hy-
pochondrist, ein wenig an der Einseitigkeit und
Kleingeisterei kränkelnd. Herzlich gut kann man
einem solchen Menschen wohl seyn. Aber eine
Seele wie Jda's will mehr als das, sie will eh-
rend bewundern. Eine solche Seele findet im de-
müthigen Hingeben an den bewunderten Freund
allein jenes hohe Genügen, das die letzte Staffel
alles Erdenglückes, und die Krone und der Stolz
des Weibes ist. Mir ist jetzt sehr wohl, wenn
ich in Jda's Zukunft hinausblicke. Und über die
arme schon sehr tief verwundete Betty bin ich nun
auch getröstet. Hat Woldemar sie vergessen, oder
hat sich ihrem Bilde in seinem Gemüthe ein ande-
res vorgeschoben, so muß gerade hierin Heilung
für sie liegen. Wären aber beide unwiederbring-
lich ineinander verloren, und das Schicksal träte



Jda haben machen können. Jhm fehlt das ächt
männliche des Mannes, das Siegel, welches die
Natur auf ihr letztes Meiſterwerk gedrückt, und
welches das ächtweibliche Weib nicht vermiſſen
darf, wo es ſein ganzes Weſen auf immer hin-
geben ſoll. Bruno iſt wirklich ein treuer lieber
Menſch, aber ein wenig Pedant, ein wenig Hy-
pochondriſt, ein wenig an der Einſeitigkeit und
Kleingeiſterei kränkelnd. Herzlich gut kann man
einem ſolchen Menſchen wohl ſeyn. Aber eine
Seele wie Jda’s will mehr als das, ſie will eh-
rend bewundern. Eine ſolche Seele findet im de-
müthigen Hingeben an den bewunderten Freund
allein jenes hohe Genügen, das die letzte Staffel
alles Erdenglückes, und die Krone und der Stolz
des Weibes iſt. Mir iſt jetzt ſehr wohl, wenn
ich in Jda’s Zukunft hinausblicke. Und über die
arme ſchon ſehr tief verwundete Betty bin ich nun
auch getröſtet. Hat Woldemar ſie vergeſſen, oder
hat ſich ihrem Bilde in ſeinem Gemüthe ein ande-
res vorgeſchoben, ſo muß gerade hierin Heilung
für ſie liegen. Wären aber beide unwiederbring-
lich ineinander verloren, und das Schickſal träte

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[241/0249] Jda haben machen können. Jhm fehlt das ächt männliche des Mannes, das Siegel, welches die Natur auf ihr letztes Meiſterwerk gedrückt, und welches das ächtweibliche Weib nicht vermiſſen darf, wo es ſein ganzes Weſen auf immer hin- geben ſoll. Bruno iſt wirklich ein treuer lieber Menſch, aber ein wenig Pedant, ein wenig Hy- pochondriſt, ein wenig an der Einſeitigkeit und Kleingeiſterei kränkelnd. Herzlich gut kann man einem ſolchen Menſchen wohl ſeyn. Aber eine Seele wie Jda’s will mehr als das, ſie will eh- rend bewundern. Eine ſolche Seele findet im de- müthigen Hingeben an den bewunderten Freund allein jenes hohe Genügen, das die letzte Staffel alles Erdenglückes, und die Krone und der Stolz des Weibes iſt. Mir iſt jetzt ſehr wohl, wenn ich in Jda’s Zukunft hinausblicke. Und über die arme ſchon ſehr tief verwundete Betty bin ich nun auch getröſtet. Hat Woldemar ſie vergeſſen, oder hat ſich ihrem Bilde in ſeinem Gemüthe ein ande- res vorgeſchoben, ſo muß gerade hierin Heilung für ſie liegen. Wären aber beide unwiederbring- lich ineinander verloren, und das Schickſal träte

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/249>, abgerufen am 30.04.2024.