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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Da bin ich wieder, wie ich gestern verhieß. Jch
sitze am offenen Fenster meiner Schlafkammer,
von wo man ein großes reiches Garbenfeld über-
sieht. Jch athme die herrlichste Kühle. Bis
Mitternacht tanzte das Völklein, und jetzt mit
Sonnenaufgang ist alles schon wieder auf dem
Platze, in fröhlich reger Thätigkeit. Unsere lieben
Mädchen liegen noch in tiefster Ruhe. Sie ha-
ben viel getanzt, und waren gestern am Tage un-
gewöhnlich geschäftig. Jch ergötze mich wechselnd
am herrlichen Schauspiele draußen, und am An-
blick der lieblichen Schläferinnen neben mir. Ma-
thildens stolzen Zügen gibt die tiefe Ermüdung
etwas überaus reizendes. Jda ist das Bild der
heitern Ruhe. Clärchens Gesicht ist gar possier-
lich verzogen. Wie reizend waren die lieblichen
Geschöpfe gestern Abend beim Tanze. Der Platz
war hübsch erleuchtet. Unsere Gäste waren: ein
Amtmanns Sohn mit seiner kleinen Schwester,
und zwei junge Barone von 17 und 18 Jahren
mit ihrem Hauslehrer, der ein Freund unsers Pfar-
rers ist, wurden gestern zuerst von letzterm bei
uns eingeführt.

Da bin ich wieder, wie ich geſtern verhieß. Jch
ſitze am offenen Fenſter meiner Schlafkammer,
von wo man ein großes reiches Garbenfeld über-
ſieht. Jch athme die herrlichſte Kühle. Bis
Mitternacht tanzte das Völklein, und jetzt mit
Sonnenaufgang iſt alles ſchon wieder auf dem
Platze, in fröhlich reger Thätigkeit. Unſere lieben
Mädchen liegen noch in tiefſter Ruhe. Sie ha-
ben viel getanzt, und waren geſtern am Tage un-
gewöhnlich geſchäftig. Jch ergötze mich wechſelnd
am herrlichen Schauſpiele draußen, und am An-
blick der lieblichen Schläferinnen neben mir. Ma-
thildens ſtolzen Zügen gibt die tiefe Ermüdung
etwas überaus reizendes. Jda iſt das Bild der
heitern Ruhe. Clärchens Geſicht iſt gar poſſier-
lich verzogen. Wie reizend waren die lieblichen
Geſchöpfe geſtern Abend beim Tanze. Der Platz
war hübſch erleuchtet. Unſere Gäſte waren: ein
Amtmanns Sohn mit ſeiner kleinen Schweſter,
und zwei junge Barone von 17 und 18 Jahren
mit ihrem Hauslehrer, der ein Freund unſers Pfar-
rers iſt, wurden geſtern zuerſt von letzterm bei
uns eingeführt.

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[83/0091] Da bin ich wieder, wie ich geſtern verhieß. Jch ſitze am offenen Fenſter meiner Schlafkammer, von wo man ein großes reiches Garbenfeld über- ſieht. Jch athme die herrlichſte Kühle. Bis Mitternacht tanzte das Völklein, und jetzt mit Sonnenaufgang iſt alles ſchon wieder auf dem Platze, in fröhlich reger Thätigkeit. Unſere lieben Mädchen liegen noch in tiefſter Ruhe. Sie ha- ben viel getanzt, und waren geſtern am Tage un- gewöhnlich geſchäftig. Jch ergötze mich wechſelnd am herrlichen Schauſpiele draußen, und am An- blick der lieblichen Schläferinnen neben mir. Ma- thildens ſtolzen Zügen gibt die tiefe Ermüdung etwas überaus reizendes. Jda iſt das Bild der heitern Ruhe. Clärchens Geſicht iſt gar poſſier- lich verzogen. Wie reizend waren die lieblichen Geſchöpfe geſtern Abend beim Tanze. Der Platz war hübſch erleuchtet. Unſere Gäſte waren: ein Amtmanns Sohn mit ſeiner kleinen Schweſter, und zwei junge Barone von 17 und 18 Jahren mit ihrem Hauslehrer, der ein Freund unſers Pfar- rers iſt, wurden geſtern zuerſt von letzterm bei uns eingeführt.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/91>, abgerufen am 27.04.2024.