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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Ende des zweyten war indeß die römisch-antike Kunst in al-
lem, was ihre Technik angeht, so weit gesunken, als an
den beiden Bögen des Septimius Severus zu Tage liegt.
Wir werden demnach bei den altchristlichen Denkmalen nicht
sowohl auf Kenntniß und Gewandtheit im Einzelnen, als viel-
mehr auf den Entwurf des Ganzen, die Absicht, den Styl
und Aehnliches zu merken haben, und an denselben nur etwa
die Macht einer neuen Begeisterung bewundern können, welche
noch so spät, und bei so viel tieferem Verfalle der bürgerli-
chen Wohlfahrt, dennoch vermochte, sowohl die letzten Anstren-
gungen heidnischer Kunst zu übertreffen, als auch der neuen
Wendung der Kunst für alle Zukunft die Bahn vorzuzeichnen,
welche sie unter günstigeren Umständen durchmessen sollte.

Die frühesten Kunstversuche der Christen gewähren also
durchaus nicht den erhebenden Anblick einer gemählich, doch
ununterbrochen und sicher fortschreitenden Entwickelung, gleich
jener der altgriechischen Kunst, oder auch gleich jener anderen,
vom Wiederaufleben des Geistes im dreyzehnten Jahrhundert
bis auf das Zeitalter Raphaels. Sie gleichen vielmehr jener
späten Abendröthe, welche oftmals nach stürmischen Tagen
eintritt, und, obwohl nach einer langen und dunkeln Nacht,

daß man vor Constantin durchaus keine christliche Bilder gemacht
habe. Bildnisse heiliger Personen wurden nach den Gründen, wel-
che ich unten geltend mache, sicher ungleich früher angefertigt;
höchst wahrscheinlich nicht minder auch verdecktere Allegorien. Daß
man die Karte nicht offen aufzulegen wagte, war nach den Umstän-
den vorauszusehen, und bedurfte nicht aus dem Lactantius, den
Cicognara hier anführt, bewiesen zu werden. Vergl. Molani,
de hist. SS. imagg. x. Lib. 4. Lugd.
1619. Diese gehaltreiche Com-
pilation ist freylich großentheils nur als Nachweisung, und immer
mit Umsicht zu benutzen.

Ende des zweyten war indeß die roͤmiſch-antike Kunſt in al-
lem, was ihre Technik angeht, ſo weit geſunken, als an
den beiden Boͤgen des Septimius Severus zu Tage liegt.
Wir werden demnach bei den altchriſtlichen Denkmalen nicht
ſowohl auf Kenntniß und Gewandtheit im Einzelnen, als viel-
mehr auf den Entwurf des Ganzen, die Abſicht, den Styl
und Aehnliches zu merken haben, und an denſelben nur etwa
die Macht einer neuen Begeiſterung bewundern koͤnnen, welche
noch ſo ſpaͤt, und bei ſo viel tieferem Verfalle der buͤrgerli-
chen Wohlfahrt, dennoch vermochte, ſowohl die letzten Anſtren-
gungen heidniſcher Kunſt zu uͤbertreffen, als auch der neuen
Wendung der Kunſt fuͤr alle Zukunft die Bahn vorzuzeichnen,
welche ſie unter guͤnſtigeren Umſtaͤnden durchmeſſen ſollte.

Die fruͤheſten Kunſtverſuche der Chriſten gewaͤhren alſo
durchaus nicht den erhebenden Anblick einer gemaͤhlich, doch
ununterbrochen und ſicher fortſchreitenden Entwickelung, gleich
jener der altgriechiſchen Kunſt, oder auch gleich jener anderen,
vom Wiederaufleben des Geiſtes im dreyzehnten Jahrhundert
bis auf das Zeitalter Raphaels. Sie gleichen vielmehr jener
ſpaͤten Abendroͤthe, welche oftmals nach ſtuͤrmiſchen Tagen
eintritt, und, obwohl nach einer langen und dunkeln Nacht,

daß man vor Conſtantin durchaus keine chriſtliche Bilder gemacht
habe. Bildniſſe heiliger Perſonen wurden nach den Gruͤnden, wel-
che ich unten geltend mache, ſicher ungleich fruͤher angefertigt;
hoͤchſt wahrſcheinlich nicht minder auch verdecktere Allegorien. Daß
man die Karte nicht offen aufzulegen wagte, war nach den Umſtaͤn-
den vorauszuſehen, und bedurfte nicht aus dem Lactantius, den
Cicognara hier anfuͤhrt, bewieſen zu werden. Vergl. Molani,
de hist. SS. imagg. x. Lib. 4. Lugd.
1619. Dieſe gehaltreiche Com-
pilation iſt freylich großentheils nur als Nachweiſung, und immer
mit Umſicht zu benutzen.
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[159/0177] Ende des zweyten war indeß die roͤmiſch-antike Kunſt in al- lem, was ihre Technik angeht, ſo weit geſunken, als an den beiden Boͤgen des Septimius Severus zu Tage liegt. Wir werden demnach bei den altchriſtlichen Denkmalen nicht ſowohl auf Kenntniß und Gewandtheit im Einzelnen, als viel- mehr auf den Entwurf des Ganzen, die Abſicht, den Styl und Aehnliches zu merken haben, und an denſelben nur etwa die Macht einer neuen Begeiſterung bewundern koͤnnen, welche noch ſo ſpaͤt, und bei ſo viel tieferem Verfalle der buͤrgerli- chen Wohlfahrt, dennoch vermochte, ſowohl die letzten Anſtren- gungen heidniſcher Kunſt zu uͤbertreffen, als auch der neuen Wendung der Kunſt fuͤr alle Zukunft die Bahn vorzuzeichnen, welche ſie unter guͤnſtigeren Umſtaͤnden durchmeſſen ſollte. Die fruͤheſten Kunſtverſuche der Chriſten gewaͤhren alſo durchaus nicht den erhebenden Anblick einer gemaͤhlich, doch ununterbrochen und ſicher fortſchreitenden Entwickelung, gleich jener der altgriechiſchen Kunſt, oder auch gleich jener anderen, vom Wiederaufleben des Geiſtes im dreyzehnten Jahrhundert bis auf das Zeitalter Raphaels. Sie gleichen vielmehr jener ſpaͤten Abendroͤthe, welche oftmals nach ſtuͤrmiſchen Tagen eintritt, und, obwohl nach einer langen und dunkeln Nacht, *) *) daß man vor Conſtantin durchaus keine chriſtliche Bilder gemacht habe. Bildniſſe heiliger Perſonen wurden nach den Gruͤnden, wel- che ich unten geltend mache, ſicher ungleich fruͤher angefertigt; hoͤchſt wahrſcheinlich nicht minder auch verdecktere Allegorien. Daß man die Karte nicht offen aufzulegen wagte, war nach den Umſtaͤn- den vorauszuſehen, und bedurfte nicht aus dem Lactantius, den Cicognara hier anfuͤhrt, bewieſen zu werden. Vergl. Molani, de hist. SS. imagg. x. Lib. 4. Lugd. 1619. Dieſe gehaltreiche Com- pilation iſt freylich großentheils nur als Nachweiſung, und immer mit Umſicht zu benutzen.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/177>, abgerufen am 29.04.2024.