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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Vermuthung nahe liegen, daß griechische Künstler die neue
Kunst gegründet, oder deren wichtigste Vorstellungen zuerst
aufgefaßt und ausgestaltet haben. Indeß finden sich nur we-
nig Namen *) altchristlicher Künstler, und wenn auch aus
diesen mit einiger Sicherheit auf deren Abkunft zu schließen
wäre, so ist es doch nichts weniger als ausgemacht, daß ge-
rade diese Künstler, deren Namen wir durch Schriften kennen
lernen, die Gründer eben der Kunstideen gewesen, welche wir
in den Denkmalen wahrnehmen. Es fehlt uns also, selbst
wenn wir jene Vermuthung dahin bedingen, daß etwa nur
ein Theil der ältesten Kunstideen der Christen von griechischen
Künstlern erfunden und ausgebildet worden, so wahrscheinlich
sie seyn möge, doch auch dafür aller historische Beweis. Wie
würden wir also erweisen können, daß den alten Griechen die-
ses Verdienst, wie Einige anzunehmen scheinen, ganz aus-
schließlich angehöre? Gewiß ist es gegenwärtig unmöglich,
nach dem bloßen Ansehen den griechischen oder römischen Ur-
sprung der einzelnen Darstellungen zu erkennen, wie denn die
Bildung der Griechen und Römer schon in den ersten christli-
chen Zeiten so innig verschmolzen war, daß auch in anderen
Beziehungen die ursprüngliche Verschiedenheit sich mehr und
mehr verwischte. Wir werden demnach, was irgend Griechen
oder Römer, vielleicht selbst Barbaren, in den ersten Jahr-
hunderten des Christenthumes gemalt und gemeißelt haben, in
dem einen allumfassenden Begriff altchristlicher Kunstbestrebun-
gen vereinigen müssen.


*) Milizia (stor. degli architetti) hat einige Namen gesam-
melt. Man deutet auch einige Monogramme an Gebäudetheilen
auf Künstlernamen (Commentatoren des Agnellus). Wenn ich
mich recht entsinne, finden sich bey einigen Vätern Künstlernamen.

Vermuthung nahe liegen, daß griechiſche Kuͤnſtler die neue
Kunſt gegruͤndet, oder deren wichtigſte Vorſtellungen zuerſt
aufgefaßt und ausgeſtaltet haben. Indeß finden ſich nur we-
nig Namen *) altchriſtlicher Kuͤnſtler, und wenn auch aus
dieſen mit einiger Sicherheit auf deren Abkunft zu ſchließen
waͤre, ſo iſt es doch nichts weniger als ausgemacht, daß ge-
rade dieſe Kuͤnſtler, deren Namen wir durch Schriften kennen
lernen, die Gruͤnder eben der Kunſtideen geweſen, welche wir
in den Denkmalen wahrnehmen. Es fehlt uns alſo, ſelbſt
wenn wir jene Vermuthung dahin bedingen, daß etwa nur
ein Theil der aͤlteſten Kunſtideen der Chriſten von griechiſchen
Kuͤnſtlern erfunden und ausgebildet worden, ſo wahrſcheinlich
ſie ſeyn moͤge, doch auch dafuͤr aller hiſtoriſche Beweis. Wie
wuͤrden wir alſo erweiſen koͤnnen, daß den alten Griechen die-
ſes Verdienſt, wie Einige anzunehmen ſcheinen, ganz aus-
ſchließlich angehoͤre? Gewiß iſt es gegenwaͤrtig unmoͤglich,
nach dem bloßen Anſehen den griechiſchen oder roͤmiſchen Ur-
ſprung der einzelnen Darſtellungen zu erkennen, wie denn die
Bildung der Griechen und Roͤmer ſchon in den erſten chriſtli-
chen Zeiten ſo innig verſchmolzen war, daß auch in anderen
Beziehungen die urſpruͤngliche Verſchiedenheit ſich mehr und
mehr verwiſchte. Wir werden demnach, was irgend Griechen
oder Roͤmer, vielleicht ſelbſt Barbaren, in den erſten Jahr-
hunderten des Chriſtenthumes gemalt und gemeißelt haben, in
dem einen allumfaſſenden Begriff altchriſtlicher Kunſtbeſtrebun-
gen vereinigen muͤſſen.


*) Milizia (stor. degli architetti) hat einige Namen geſam-
melt. Man deutet auch einige Monogramme an Gebaͤudetheilen
auf Kuͤnſtlernamen (Commentatoren des Agnellus). Wenn ich
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[178/0196] Vermuthung nahe liegen, daß griechiſche Kuͤnſtler die neue Kunſt gegruͤndet, oder deren wichtigſte Vorſtellungen zuerſt aufgefaßt und ausgeſtaltet haben. Indeß finden ſich nur we- nig Namen *) altchriſtlicher Kuͤnſtler, und wenn auch aus dieſen mit einiger Sicherheit auf deren Abkunft zu ſchließen waͤre, ſo iſt es doch nichts weniger als ausgemacht, daß ge- rade dieſe Kuͤnſtler, deren Namen wir durch Schriften kennen lernen, die Gruͤnder eben der Kunſtideen geweſen, welche wir in den Denkmalen wahrnehmen. Es fehlt uns alſo, ſelbſt wenn wir jene Vermuthung dahin bedingen, daß etwa nur ein Theil der aͤlteſten Kunſtideen der Chriſten von griechiſchen Kuͤnſtlern erfunden und ausgebildet worden, ſo wahrſcheinlich ſie ſeyn moͤge, doch auch dafuͤr aller hiſtoriſche Beweis. Wie wuͤrden wir alſo erweiſen koͤnnen, daß den alten Griechen die- ſes Verdienſt, wie Einige anzunehmen ſcheinen, ganz aus- ſchließlich angehoͤre? Gewiß iſt es gegenwaͤrtig unmoͤglich, nach dem bloßen Anſehen den griechiſchen oder roͤmiſchen Ur- ſprung der einzelnen Darſtellungen zu erkennen, wie denn die Bildung der Griechen und Roͤmer ſchon in den erſten chriſtli- chen Zeiten ſo innig verſchmolzen war, daß auch in anderen Beziehungen die urſpruͤngliche Verſchiedenheit ſich mehr und mehr verwiſchte. Wir werden demnach, was irgend Griechen oder Roͤmer, vielleicht ſelbſt Barbaren, in den erſten Jahr- hunderten des Chriſtenthumes gemalt und gemeißelt haben, in dem einen allumfaſſenden Begriff altchriſtlicher Kunſtbeſtrebun- gen vereinigen muͤſſen. *) Milizia (stor. degli architetti) hat einige Namen geſam- melt. Man deutet auch einige Monogramme an Gebaͤudetheilen auf Kuͤnſtlernamen (Commentatoren des Agnellus). Wenn ich mich recht entſinne, finden ſich bey einigen Vaͤtern Kuͤnſtlernamen.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/196>, abgerufen am 27.04.2024.