Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

lösung! -- Aber es ist dann eine Gewalt, die Eines über das Andere übt, es ist ein Wettstreit, sich dem Andern zu unterwerfen. Liebe ist Sclaverei, und man wird Sclave, wenn man liebt. Man fühlt sich vom Weibe mißhandelt, man schwelgt nur in der Wollust ihrer Despotie und Grausamkeit.

Man küßt den Fuß, der uns tritt.

Ein Weib, das ich liebe, macht mir Angst. Ich zittere, wenn sie plötzlich durch das Zimmer geht und ihre Kleider rauschen; eine Bewegung die mich überrascht, erschreckt mich.

Man möchte sich vermählen für die Ewigkeit, für diese und eine andere Welt, man möchte nur in einander fließen. Man taucht seine Seele in die fremde Seele, man steigt hinab in die fremde, feindliche Natur und empfängt ihre Taufe. Es ist lächerlich, ganz lächerlich, daß man nicht immer zusammen war. Man zittert jeden Augenblick, sich zu verlieren. Man erschrickt, wenn der Andere das Auge schließt, wenn er seine Stimme verändert. Man möchte ganz nur Ein Wesen werden, alle Eigenschaften, Ideen, Heiligthümer eines Lebens möchte man aus seinem Wesen reißen, um ganz nur mit dem Andern sich zu verschmelzen. Man giebt sich hin -- wie eine Sache -- wie einen Stoff. Mache aus mir was du bist!

Wie zum Selbstmorde wirft man sich in die andere N[atu]r, bis sich die eigene empört.

[Da k]ommt der Schauer, ganz sich zu verlieren.

lösung! — Aber es ist dann eine Gewalt, die Eines über das Andere übt, es ist ein Wettstreit, sich dem Andern zu unterwerfen. Liebe ist Sclaverei, und man wird Sclave, wenn man liebt. Man fühlt sich vom Weibe mißhandelt, man schwelgt nur in der Wollust ihrer Despotie und Grausamkeit.

Man küßt den Fuß, der uns tritt.

Ein Weib, das ich liebe, macht mir Angst. Ich zittere, wenn sie plötzlich durch das Zimmer geht und ihre Kleider rauschen; eine Bewegung die mich überrascht, erschreckt mich.

Man möchte sich vermählen für die Ewigkeit, für diese und eine andere Welt, man möchte nur in einander fließen. Man taucht seine Seele in die fremde Seele, man steigt hinab in die fremde, feindliche Natur und empfängt ihre Taufe. Es ist lächerlich, ganz lächerlich, daß man nicht immer zusammen war. Man zittert jeden Augenblick, sich zu verlieren. Man erschrickt, wenn der Andere das Auge schließt, wenn er seine Stimme verändert. Man möchte ganz nur Ein Wesen werden, alle Eigenschaften, Ideen, Heiligthümer eines Lebens möchte man aus seinem Wesen reißen, um ganz nur mit dem Andern sich zu verschmelzen. Man giebt sich hin — wie eine Sache — wie einen Stoff. Mache aus mir was du bist!

Wie zum Selbstmorde wirft man sich in die andere N[atu]r, bis sich die eigene empört.

[Da k]ommt der Schauer, ganz sich zu verlieren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0056"/>
lösung! &#x2014; Aber es ist dann eine Gewalt, die Eines      über das Andere übt, es ist ein Wettstreit, sich dem Andern zu unterwerfen. Liebe ist      Sclaverei, und man wird Sclave, wenn man liebt. Man fühlt sich vom Weibe mißhandelt, man      schwelgt nur in der Wollust ihrer Despotie und Grausamkeit.</p><lb/>
        <p>Man küßt den Fuß, der uns tritt.</p><lb/>
        <p>Ein Weib, das ich liebe, macht mir Angst. Ich zittere, wenn sie plötzlich durch das Zimmer      geht und ihre Kleider rauschen; eine Bewegung die mich überrascht, erschreckt mich.</p><lb/>
        <p>Man möchte sich vermählen für die Ewigkeit, für diese und eine andere Welt, man möchte nur in      einander fließen. Man taucht seine Seele in die fremde Seele, man steigt hinab in die fremde,      feindliche Natur und empfängt ihre Taufe. Es ist lächerlich, ganz lächerlich, daß man nicht      immer zusammen war. Man zittert jeden Augenblick, sich zu verlieren. Man erschrickt, wenn der      Andere das Auge schließt, wenn er seine Stimme verändert. Man möchte ganz nur Ein Wesen werden,      alle Eigenschaften, Ideen, Heiligthümer eines Lebens möchte man aus seinem Wesen reißen, um      ganz nur mit dem Andern sich zu verschmelzen. Man giebt sich hin &#x2014; wie eine Sache &#x2014; wie einen      Stoff. Mache aus mir was du bist!</p><lb/>
        <p>Wie zum Selbstmorde wirft man sich in die andere N<supplied>atu</supplied>r, bis sich die eigene empört.</p><lb/>
        <p><supplied>Da k</supplied>ommt der Schauer, ganz sich zu verlieren.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] lösung! — Aber es ist dann eine Gewalt, die Eines über das Andere übt, es ist ein Wettstreit, sich dem Andern zu unterwerfen. Liebe ist Sclaverei, und man wird Sclave, wenn man liebt. Man fühlt sich vom Weibe mißhandelt, man schwelgt nur in der Wollust ihrer Despotie und Grausamkeit. Man küßt den Fuß, der uns tritt. Ein Weib, das ich liebe, macht mir Angst. Ich zittere, wenn sie plötzlich durch das Zimmer geht und ihre Kleider rauschen; eine Bewegung die mich überrascht, erschreckt mich. Man möchte sich vermählen für die Ewigkeit, für diese und eine andere Welt, man möchte nur in einander fließen. Man taucht seine Seele in die fremde Seele, man steigt hinab in die fremde, feindliche Natur und empfängt ihre Taufe. Es ist lächerlich, ganz lächerlich, daß man nicht immer zusammen war. Man zittert jeden Augenblick, sich zu verlieren. Man erschrickt, wenn der Andere das Auge schließt, wenn er seine Stimme verändert. Man möchte ganz nur Ein Wesen werden, alle Eigenschaften, Ideen, Heiligthümer eines Lebens möchte man aus seinem Wesen reißen, um ganz nur mit dem Andern sich zu verschmelzen. Man giebt sich hin — wie eine Sache — wie einen Stoff. Mache aus mir was du bist! Wie zum Selbstmorde wirft man sich in die andere Natur, bis sich die eigene empört. Da kommt der Schauer, ganz sich zu verlieren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/56
Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/56>, abgerufen am 29.04.2024.