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Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dann kam es wieder über mich wie Bosheit. Ich verlangte, daß die Kinder mich lieber haben sollten, als die Mutter, daß sie mich allein lieben sollten.

Da nahm ich sie zum Kamin, ließ sie auf meinen Knieen reiten, erzählte ihnen Märchen, sang ihnen Lieder, die das Volk singt, erzählte ihnen Anekdoten, wie etwa ein Jäger erzählt. Und das war wirklich merkwürdig. Ich hatte nämlich -- allerdings -- Sie wissen ja -- ich hatte noch ein Kind bekommen, es war das Kind eines fremden Mannes. Ein Mädchen, Sie glauben nicht, wie ähnlich meiner Frau, ganz sie.

Man sagt gewöhnlich, die Mädchen sehen dem Vater gleich, die Söhne der Mutter. Ich habe es nicht erlebt. Der eine ist der Großvater, den andern weiß ich gar nicht, wo ich ihn hinthun soll; den hat meine Frau aus einem Roman. Keiner meiner Söhne hat etwas von der Mutter; aber das -- fremde Kind, das Mädchen.

War es, daß sie damals nur an sich und ihre Rache dachte?

Also das Kind hängt sich an mich mit einer Liebe und wußte doch, daß es mir verhaßt war. Wenn ich erzählte, bat es leise und setzte sich dann auf ein Schemelchen in die dunkle Ecke, hörte zu und seine Augen leuchteten.

Ich schrie es oft an, daß es zitterte. Wenn ich fortging, stand es in der Ferne und sah mir nach. Wenn ich kam, lief es mir entgegen und erschrak dann

Dann kam es wieder über mich wie Bosheit. Ich verlangte, daß die Kinder mich lieber haben sollten, als die Mutter, daß sie mich allein lieben sollten.

Da nahm ich sie zum Kamin, ließ sie auf meinen Knieen reiten, erzählte ihnen Märchen, sang ihnen Lieder, die das Volk singt, erzählte ihnen Anekdoten, wie etwa ein Jäger erzählt. Und das war wirklich merkwürdig. Ich hatte nämlich — allerdings — Sie wissen ja — ich hatte noch ein Kind bekommen, es war das Kind eines fremden Mannes. Ein Mädchen, Sie glauben nicht, wie ähnlich meiner Frau, ganz sie.

Man sagt gewöhnlich, die Mädchen sehen dem Vater gleich, die Söhne der Mutter. Ich habe es nicht erlebt. Der eine ist der Großvater, den andern weiß ich gar nicht, wo ich ihn hinthun soll; den hat meine Frau aus einem Roman. Keiner meiner Söhne hat etwas von der Mutter; aber das — fremde Kind, das Mädchen.

War es, daß sie damals nur an sich und ihre Rache dachte?

Also das Kind hängt sich an mich mit einer Liebe und wußte doch, daß es mir verhaßt war. Wenn ich erzählte, bat es leise und setzte sich dann auf ein Schemelchen in die dunkle Ecke, hörte zu und seine Augen leuchteten.

Ich schrie es oft an, daß es zitterte. Wenn ich fortging, stand es in der Ferne und sah mir nach. Wenn ich kam, lief es mir entgegen und erschrak dann

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[0082] Dann kam es wieder über mich wie Bosheit. Ich verlangte, daß die Kinder mich lieber haben sollten, als die Mutter, daß sie mich allein lieben sollten. Da nahm ich sie zum Kamin, ließ sie auf meinen Knieen reiten, erzählte ihnen Märchen, sang ihnen Lieder, die das Volk singt, erzählte ihnen Anekdoten, wie etwa ein Jäger erzählt. Und das war wirklich merkwürdig. Ich hatte nämlich — allerdings — Sie wissen ja — ich hatte noch ein Kind bekommen, es war das Kind eines fremden Mannes. Ein Mädchen, Sie glauben nicht, wie ähnlich meiner Frau, ganz sie. Man sagt gewöhnlich, die Mädchen sehen dem Vater gleich, die Söhne der Mutter. Ich habe es nicht erlebt. Der eine ist der Großvater, den andern weiß ich gar nicht, wo ich ihn hinthun soll; den hat meine Frau aus einem Roman. Keiner meiner Söhne hat etwas von der Mutter; aber das — fremde Kind, das Mädchen. War es, daß sie damals nur an sich und ihre Rache dachte? Also das Kind hängt sich an mich mit einer Liebe und wußte doch, daß es mir verhaßt war. Wenn ich erzählte, bat es leise und setzte sich dann auf ein Schemelchen in die dunkle Ecke, hörte zu und seine Augen leuchteten. Ich schrie es oft an, daß es zitterte. Wenn ich fortging, stand es in der Ferne und sah mir nach. Wenn ich kam, lief es mir entgegen und erschrak dann

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/82>, abgerufen am 28.04.2024.