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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Malpighi und Grew.
man mit seinem verbesserten Instrument sehen könne; als Verehrer
der inductiven Philosophie kam es ihm darauf an, die Sinnes-
wahrnehmungen, die Grundlage aller menschlichen Erkenntniß, zu
vervollkommnen; in diesem Sinne unterwarf er seinem Mikroskop
die verschiedensten Dinge, um zu zeigen, wie viel das unbe-
waffnete Auge nicht sieht. An das, was er sah, knüpfte er Er-
örterungen über die manigfaltigsten Fragen seiner Zeit. Das
Buch war also nicht etwa der Phytotomie gewidmet; vielmehr
ist darin von der Struktur der Pflanzensubstanz nur eben so
gelegentlich die Rede, wie von der Entdeckung parasitischer Pilze
auf Blättern und von anderen Dingen. Was Hooke aber von
der Struktur der Pflanzen sah, war nicht viel, aber neu
und im Ganzen vorurtheilsfrei aufgefaßt. Es scheint, daß er
den zelligen Bau der Pflanzen zuerst durch die mikroskopische
Besichtigung der Holzkohle aufgefunden habe. Dann aber unter-
suchte er auch den Kork und andere Gewebeformen. Ein dünner
Schnitt des Flaschenkorkes auf schwarzem Grund (also bei auf-
fallendem Licht) erscheine wie eine Bienenwabe, man unterscheide
Hohlräume (Poren) und die sie trennenden Wände; jenen aber
giebt er den Namen, den sie noch jetzt führen: er nennt sie
Zellen. Die reihenweise Anordnung der Korkzellen verführt ihn
aber, sie für Abtheilungen langer Hohlräume zu halten, welche
durch Diaphragmen getrennt sind. Dies, sagt er, seien über-
haupt die ersten mikroskopischen Poren, die er und irgend Jemand
gesehen habe; er hielt also die Zellräume der Pflanzen für ein
Beispiel der Prosität der Materie, wofür sie auch in den neuesten
Lehrbüchern der Physik noch ausgegeben werden. Auch benutzte
Hooke seine Entdeckung zunächst nur dazu, die physikalischen
Eigenschaften des Korkes zu erklären: die Zahl der Poren in
einem Kubikzoll berechnet er auf 1200 Millionen. Er zieht aber
noch eine andere Folgerung botanischer Natur: er schließt nämlich
aus dem Bau des Korkes, daß er der Rindenauswuchs eines
Baumes sein müsse und beruft sich zur Bestätigung dieser
Hypothese auf die Angaben eines gewissen Johnston. Die
Thatsache, daß der Kork die Rinde eines Baumes sei, war also

Malpighi und Grew.
man mit ſeinem verbeſſerten Inſtrument ſehen könne; als Verehrer
der inductiven Philoſophie kam es ihm darauf an, die Sinnes-
wahrnehmungen, die Grundlage aller menſchlichen Erkenntniß, zu
vervollkommnen; in dieſem Sinne unterwarf er ſeinem Mikroſkop
die verſchiedenſten Dinge, um zu zeigen, wie viel das unbe-
waffnete Auge nicht ſieht. An das, was er ſah, knüpfte er Er-
örterungen über die manigfaltigſten Fragen ſeiner Zeit. Das
Buch war alſo nicht etwa der Phytotomie gewidmet; vielmehr
iſt darin von der Struktur der Pflanzenſubſtanz nur eben ſo
gelegentlich die Rede, wie von der Entdeckung paraſitiſcher Pilze
auf Blättern und von anderen Dingen. Was Hooke aber von
der Struktur der Pflanzen ſah, war nicht viel, aber neu
und im Ganzen vorurtheilsfrei aufgefaßt. Es ſcheint, daß er
den zelligen Bau der Pflanzen zuerſt durch die mikroſkopiſche
Beſichtigung der Holzkohle aufgefunden habe. Dann aber unter-
ſuchte er auch den Kork und andere Gewebeformen. Ein dünner
Schnitt des Flaſchenkorkes auf ſchwarzem Grund (alſo bei auf-
fallendem Licht) erſcheine wie eine Bienenwabe, man unterſcheide
Hohlräume (Poren) und die ſie trennenden Wände; jenen aber
giebt er den Namen, den ſie noch jetzt führen: er nennt ſie
Zellen. Die reihenweiſe Anordnung der Korkzellen verführt ihn
aber, ſie für Abtheilungen langer Hohlräume zu halten, welche
durch Diaphragmen getrennt ſind. Dies, ſagt er, ſeien über-
haupt die erſten mikroſkopiſchen Poren, die er und irgend Jemand
geſehen habe; er hielt alſo die Zellräume der Pflanzen für ein
Beiſpiel der Proſität der Materie, wofür ſie auch in den neueſten
Lehrbüchern der Phyſik noch ausgegeben werden. Auch benutzte
Hooke ſeine Entdeckung zunächſt nur dazu, die phyſikaliſchen
Eigenſchaften des Korkes zu erklären: die Zahl der Poren in
einem Kubikzoll berechnet er auf 1200 Millionen. Er zieht aber
noch eine andere Folgerung botaniſcher Natur: er ſchließt nämlich
aus dem Bau des Korkes, daß er der Rindenauswuchs eines
Baumes ſein müſſe und beruft ſich zur Beſtätigung dieſer
Hypotheſe auf die Angaben eines gewiſſen Johnſton. Die
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[247/0259] Malpighi und Grew. man mit ſeinem verbeſſerten Inſtrument ſehen könne; als Verehrer der inductiven Philoſophie kam es ihm darauf an, die Sinnes- wahrnehmungen, die Grundlage aller menſchlichen Erkenntniß, zu vervollkommnen; in dieſem Sinne unterwarf er ſeinem Mikroſkop die verſchiedenſten Dinge, um zu zeigen, wie viel das unbe- waffnete Auge nicht ſieht. An das, was er ſah, knüpfte er Er- örterungen über die manigfaltigſten Fragen ſeiner Zeit. Das Buch war alſo nicht etwa der Phytotomie gewidmet; vielmehr iſt darin von der Struktur der Pflanzenſubſtanz nur eben ſo gelegentlich die Rede, wie von der Entdeckung paraſitiſcher Pilze auf Blättern und von anderen Dingen. Was Hooke aber von der Struktur der Pflanzen ſah, war nicht viel, aber neu und im Ganzen vorurtheilsfrei aufgefaßt. Es ſcheint, daß er den zelligen Bau der Pflanzen zuerſt durch die mikroſkopiſche Beſichtigung der Holzkohle aufgefunden habe. Dann aber unter- ſuchte er auch den Kork und andere Gewebeformen. Ein dünner Schnitt des Flaſchenkorkes auf ſchwarzem Grund (alſo bei auf- fallendem Licht) erſcheine wie eine Bienenwabe, man unterſcheide Hohlräume (Poren) und die ſie trennenden Wände; jenen aber giebt er den Namen, den ſie noch jetzt führen: er nennt ſie Zellen. Die reihenweiſe Anordnung der Korkzellen verführt ihn aber, ſie für Abtheilungen langer Hohlräume zu halten, welche durch Diaphragmen getrennt ſind. Dies, ſagt er, ſeien über- haupt die erſten mikroſkopiſchen Poren, die er und irgend Jemand geſehen habe; er hielt alſo die Zellräume der Pflanzen für ein Beiſpiel der Proſität der Materie, wofür ſie auch in den neueſten Lehrbüchern der Phyſik noch ausgegeben werden. Auch benutzte Hooke ſeine Entdeckung zunächſt nur dazu, die phyſikaliſchen Eigenſchaften des Korkes zu erklären: die Zahl der Poren in einem Kubikzoll berechnet er auf 1200 Millionen. Er zieht aber noch eine andere Folgerung botaniſcher Natur: er ſchließt nämlich aus dem Bau des Korkes, daß er der Rindenauswuchs eines Baumes ſein müſſe und beruft ſich zur Beſtätigung dieſer Hypotheſe auf die Angaben eines gewiſſen Johnſton. Die Thatſache, daß der Kork die Rinde eines Baumes ſei, war alſo

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/259>, abgerufen am 27.04.2024.