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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Einleitung.
jenigen Ausdauer widmete, welche allein auf diesen schwierigen
Gebieten zu sicheren Resultaten und zu einer tieferen Einsicht in
den inneren Zusammenhang der Erscheinungen führen kann.
Ueberraschend gering war der Zuwachs an Kenntnissen be-
treffs der Saftbewegung in den Pflanzen und noch geringer das,
was man über die äußeren Bedingungen der Wachsthumsvorgänge
und die damit verbundenen Bewegungen zu Tage förderte. Die
für die Pflanzenphysiologie so höchst wichtige Abhängigkeit der Vege-
tationserscheinungen von der Temperatur, wurden zwar nicht
ganz vernachlässigt; man gerieth aber auf einen Abweg,
indem man sich die Sache leicht machte und die gesammte Vege-
tationszeit einer Pflanze mit der mittleren Tagestemperatur
während derselben multiplicirte, um in diesem Produkt einen
Ausdruck für das gesammte Wärmebedürfniß einer gegebenen
Pflanze zu finden; ein Mißgriff, durch welchen namentlich
die Pflanzengeographie irre geführt wurde.

Was sich von werthvolleren Kenntnissen bis 1851 ange-
sammelt hatte, stellte Mohl in seiner oft erwähnten Schrift
über die vegetabilische Zelle ebenso übersichtlich, wie kurz und
präcis zusammen, nicht ohne die bestehenden Ansichten kritisch
zu beleuchten; ausführlicher, doch weniger kritisch gesichtet, wurde
die gesammte Pflanzenphysiologie in dem ebenfalls schon erwähnten
Lehrbuch Ungers von 1855 dargestellt und diese beiden Bücher
waren es vorwiegend, welche bis in die sechziger Jahre hinein
zur Verbreitung der Pflanzenphysiologie beitrugen und diese
Aufgabe ehrenvoll lösten; was dagegen in Schacht's Büchern
seit 1852 unter dem Namen Pflanzenphysiologie behandelt
wurde, beruhte auf so mangelhafter Einsicht, daß dadurch
dem Ansehen unserer Wissenschaft eher geschadet, als genützt
wurde.


Indem ich nun nach dieser vorläufigen Uebersicht zu einer
ausführlicheren Darstellung übergehe, finde ich mich veranlaßt
die Geschichte der Sexualtheorie von der der übrigen Pflanzen-

Einleitung.
jenigen Ausdauer widmete, welche allein auf dieſen ſchwierigen
Gebieten zu ſicheren Reſultaten und zu einer tieferen Einſicht in
den inneren Zuſammenhang der Erſcheinungen führen kann.
Ueberraſchend gering war der Zuwachs an Kenntniſſen be-
treffs der Saftbewegung in den Pflanzen und noch geringer das,
was man über die äußeren Bedingungen der Wachsthumsvorgänge
und die damit verbundenen Bewegungen zu Tage förderte. Die
für die Pflanzenphyſiologie ſo höchſt wichtige Abhängigkeit der Vege-
tationserſcheinungen von der Temperatur, wurden zwar nicht
ganz vernachläſſigt; man gerieth aber auf einen Abweg,
indem man ſich die Sache leicht machte und die geſammte Vege-
tationszeit einer Pflanze mit der mittleren Tagestemperatur
während derſelben multiplicirte, um in dieſem Produkt einen
Ausdruck für das geſammte Wärmebedürfniß einer gegebenen
Pflanze zu finden; ein Mißgriff, durch welchen namentlich
die Pflanzengeographie irre geführt wurde.

Was ſich von werthvolleren Kenntniſſen bis 1851 ange-
ſammelt hatte, ſtellte Mohl in ſeiner oft erwähnten Schrift
über die vegetabiliſche Zelle ebenſo überſichtlich, wie kurz und
präcis zuſammen, nicht ohne die beſtehenden Anſichten kritiſch
zu beleuchten; ausführlicher, doch weniger kritiſch geſichtet, wurde
die geſammte Pflanzenphyſiologie in dem ebenfalls ſchon erwähnten
Lehrbuch Ungers von 1855 dargeſtellt und dieſe beiden Bücher
waren es vorwiegend, welche bis in die ſechziger Jahre hinein
zur Verbreitung der Pflanzenphyſiologie beitrugen und dieſe
Aufgabe ehrenvoll löſten; was dagegen in Schacht's Büchern
ſeit 1852 unter dem Namen Pflanzenphyſiologie behandelt
wurde, beruhte auf ſo mangelhafter Einſicht, daß dadurch
dem Anſehen unſerer Wiſſenſchaft eher geſchadet, als genützt
wurde.


Indem ich nun nach dieſer vorläufigen Ueberſicht zu einer
ausführlicheren Darſtellung übergehe, finde ich mich veranlaßt
die Geſchichte der Sexualtheorie von der der übrigen Pflanzen-

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[404/0416] Einleitung. jenigen Ausdauer widmete, welche allein auf dieſen ſchwierigen Gebieten zu ſicheren Reſultaten und zu einer tieferen Einſicht in den inneren Zuſammenhang der Erſcheinungen führen kann. Ueberraſchend gering war der Zuwachs an Kenntniſſen be- treffs der Saftbewegung in den Pflanzen und noch geringer das, was man über die äußeren Bedingungen der Wachsthumsvorgänge und die damit verbundenen Bewegungen zu Tage förderte. Die für die Pflanzenphyſiologie ſo höchſt wichtige Abhängigkeit der Vege- tationserſcheinungen von der Temperatur, wurden zwar nicht ganz vernachläſſigt; man gerieth aber auf einen Abweg, indem man ſich die Sache leicht machte und die geſammte Vege- tationszeit einer Pflanze mit der mittleren Tagestemperatur während derſelben multiplicirte, um in dieſem Produkt einen Ausdruck für das geſammte Wärmebedürfniß einer gegebenen Pflanze zu finden; ein Mißgriff, durch welchen namentlich die Pflanzengeographie irre geführt wurde. Was ſich von werthvolleren Kenntniſſen bis 1851 ange- ſammelt hatte, ſtellte Mohl in ſeiner oft erwähnten Schrift über die vegetabiliſche Zelle ebenſo überſichtlich, wie kurz und präcis zuſammen, nicht ohne die beſtehenden Anſichten kritiſch zu beleuchten; ausführlicher, doch weniger kritiſch geſichtet, wurde die geſammte Pflanzenphyſiologie in dem ebenfalls ſchon erwähnten Lehrbuch Ungers von 1855 dargeſtellt und dieſe beiden Bücher waren es vorwiegend, welche bis in die ſechziger Jahre hinein zur Verbreitung der Pflanzenphyſiologie beitrugen und dieſe Aufgabe ehrenvoll löſten; was dagegen in Schacht's Büchern ſeit 1852 unter dem Namen Pflanzenphyſiologie behandelt wurde, beruhte auf ſo mangelhafter Einſicht, daß dadurch dem Anſehen unſerer Wiſſenſchaft eher geſchadet, als genützt wurde. Indem ich nun nach dieſer vorläufigen Ueberſicht zu einer ausführlicheren Darſtellung übergehe, finde ich mich veranlaßt die Geſchichte der Sexualtheorie von der der übrigen Pflanzen-

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/416>, abgerufen am 29.04.2024.