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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
fasern innerlich roth gefärbt. Damals war der Schluß ganz
selbstverständlich, daß gerade diese Theile es seien, welche die
Nährstoffe ebenso wie hier den rothen Farbstoff besonders kräftig
aufsaugen, und in der That erhielt sich diese Meinung selbst bis
auf unsere Tage und auf derartige Ergebnisse hin stellte später
sogar Pyrame de Candolle seine noch jetzt in Frank-
reich geltende Theorie von den Wurzelschwämmchen (spongioles)
auf. Erst in neuester Zeit ist es nämlich bekannt geworden,
daß Wurzelrinde und vor Allem die jüngsten Wurzelendigungen
erst dann sich in solchem Falle färben, wenn sie vorher durch
den Farbstoff vergiftet und getödtet worden sind; derartige Färb-
ungen also, wie sie seit De la Baisse hundertfältig wiederholt
worden sind, beweisen durchaus Nichts in Bezug auf die Thätig-
keit der lebenden Wurzel und so war gleich von vornherein durch
diese Methode des Experimentirens eine Quelle sehr schädlichen
Irrthums in die Pflanzenphysiologie eingeführt und wir werden
gleich sehen, daß noch andere Irrthümer aus derselben ent-
sprangen. Weniger verwirrend war indessen ein anderes Resultat
welches De la Baisse erhielt; als er nämlich die Schnittflächen
abgeschnittener Zweige von Holzpflanzen in die farbige Flüssigkeit
stellte, färbte sich der Holzkörper derselben nicht bloß, sondern
auch die von ihm ausgehenden Holzbündel der Blätter und
Blüthentheile roth, während das saftige Gewebe der Rinde und
Blätter farblos blieb. Man konnte also folgern, daß der rothe
Saft bloß im Holz fortgeleitet werde und durch eine gewagte
Analogie schließen, daß auch die in Wasser gelösten Nahrungs-
stoffe der Pflanzen sich ähnlich verhalten; auch diese Ansicht ist
freilich gegenwärtig nicht mehr stichhaltig und daß der von den
Wurzeln zu den Blättern emporsteigende Nahrungssaft zumal
das Wasser nur im Holzkörper und nicht in der Rinde empor-
steigt, war aber bereits durch Hales' und andere Versuche hin-
länglich bewiesen. Zu neuen Irrthümern führte die kritiklose
Behandlung derartiger Experimente später bei Christian Reichel 1),

1) Georg Christian Reichel geb. 1727 gest. 1771 war Professor in
Leipzig.

Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
faſern innerlich roth gefärbt. Damals war der Schluß ganz
ſelbſtverſtändlich, daß gerade dieſe Theile es ſeien, welche die
Nährſtoffe ebenſo wie hier den rothen Farbſtoff beſonders kräftig
aufſaugen, und in der That erhielt ſich dieſe Meinung ſelbſt bis
auf unſere Tage und auf derartige Ergebniſſe hin ſtellte ſpäter
ſogar Pyrame de Candolle ſeine noch jetzt in Frank-
reich geltende Theorie von den Wurzelſchwämmchen (spongioles)
auf. Erſt in neueſter Zeit iſt es nämlich bekannt geworden,
daß Wurzelrinde und vor Allem die jüngſten Wurzelendigungen
erſt dann ſich in ſolchem Falle färben, wenn ſie vorher durch
den Farbſtoff vergiftet und getödtet worden ſind; derartige Färb-
ungen alſo, wie ſie ſeit De la Baiſſe hundertfältig wiederholt
worden ſind, beweiſen durchaus Nichts in Bezug auf die Thätig-
keit der lebenden Wurzel und ſo war gleich von vornherein durch
dieſe Methode des Experimentirens eine Quelle ſehr ſchädlichen
Irrthums in die Pflanzenphyſiologie eingeführt und wir werden
gleich ſehen, daß noch andere Irrthümer aus derſelben ent-
ſprangen. Weniger verwirrend war indeſſen ein anderes Reſultat
welches De la Baiſſe erhielt; als er nämlich die Schnittflächen
abgeſchnittener Zweige von Holzpflanzen in die farbige Flüſſigkeit
ſtellte, färbte ſich der Holzkörper derſelben nicht bloß, ſondern
auch die von ihm ausgehenden Holzbündel der Blätter und
Blüthentheile roth, während das ſaftige Gewebe der Rinde und
Blätter farblos blieb. Man konnte alſo folgern, daß der rothe
Saft bloß im Holz fortgeleitet werde und durch eine gewagte
Analogie ſchließen, daß auch die in Waſſer gelöſten Nahrungs-
ſtoffe der Pflanzen ſich ähnlich verhalten; auch dieſe Anſicht iſt
freilich gegenwärtig nicht mehr ſtichhaltig und daß der von den
Wurzeln zu den Blättern emporſteigende Nahrungsſaft zumal
das Waſſer nur im Holzkörper und nicht in der Rinde empor-
ſteigt, war aber bereits durch Hales' und andere Verſuche hin-
länglich bewieſen. Zu neuen Irrthümern führte die kritikloſe
Behandlung derartiger Experimente ſpäter bei Chriſtian Reichel 1),

1) Georg Chriſtian Reichel geb. 1727 geſt. 1771 war Profeſſor in
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[523/0535] Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen. faſern innerlich roth gefärbt. Damals war der Schluß ganz ſelbſtverſtändlich, daß gerade dieſe Theile es ſeien, welche die Nährſtoffe ebenſo wie hier den rothen Farbſtoff beſonders kräftig aufſaugen, und in der That erhielt ſich dieſe Meinung ſelbſt bis auf unſere Tage und auf derartige Ergebniſſe hin ſtellte ſpäter ſogar Pyrame de Candolle ſeine noch jetzt in Frank- reich geltende Theorie von den Wurzelſchwämmchen (spongioles) auf. Erſt in neueſter Zeit iſt es nämlich bekannt geworden, daß Wurzelrinde und vor Allem die jüngſten Wurzelendigungen erſt dann ſich in ſolchem Falle färben, wenn ſie vorher durch den Farbſtoff vergiftet und getödtet worden ſind; derartige Färb- ungen alſo, wie ſie ſeit De la Baiſſe hundertfältig wiederholt worden ſind, beweiſen durchaus Nichts in Bezug auf die Thätig- keit der lebenden Wurzel und ſo war gleich von vornherein durch dieſe Methode des Experimentirens eine Quelle ſehr ſchädlichen Irrthums in die Pflanzenphyſiologie eingeführt und wir werden gleich ſehen, daß noch andere Irrthümer aus derſelben ent- ſprangen. Weniger verwirrend war indeſſen ein anderes Reſultat welches De la Baiſſe erhielt; als er nämlich die Schnittflächen abgeſchnittener Zweige von Holzpflanzen in die farbige Flüſſigkeit ſtellte, färbte ſich der Holzkörper derſelben nicht bloß, ſondern auch die von ihm ausgehenden Holzbündel der Blätter und Blüthentheile roth, während das ſaftige Gewebe der Rinde und Blätter farblos blieb. Man konnte alſo folgern, daß der rothe Saft bloß im Holz fortgeleitet werde und durch eine gewagte Analogie ſchließen, daß auch die in Waſſer gelöſten Nahrungs- ſtoffe der Pflanzen ſich ähnlich verhalten; auch dieſe Anſicht iſt freilich gegenwärtig nicht mehr ſtichhaltig und daß der von den Wurzeln zu den Blättern emporſteigende Nahrungsſaft zumal das Waſſer nur im Holzkörper und nicht in der Rinde empor- ſteigt, war aber bereits durch Hales' und andere Verſuche hin- länglich bewieſen. Zu neuen Irrthümern führte die kritikloſe Behandlung derartiger Experimente ſpäter bei Chriſtian Reichel 1), 1) Georg Chriſtian Reichel geb. 1727 geſt. 1771 war Profeſſor in Leipzig.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/535>, abgerufen am 29.04.2024.