übrigens blieb die Zahl seiner unmittelbaren Anhänger gering: von Deutschen waren es nur Paul Ammann, Professor in Leipzig, der in seinem Character plantarum naturalis 1685 die Ansichten Morison's vertrat und Paul Herrmann, 1679-95 Professor in Leyden, nachdem er acht Jahre lang in Ceylon Pflanzen gesammelt hatte; sein System kann kaum eine Verbesserung des Morison'schen genannt werden.
Im Gegensatz zu Morison wußte John Ray (1628 bis 1705) 1) aus den Werken seiner Vorgänger alles Gute und Richtige nicht nur aufzunehmen, kritisch zu sichten und durch eigene Beobachtungen zu vervollständigen, sondern auch die Ver- dienste anderer freudig anzuerkennen, eigene und fremde Leistungen zu einem harmonischen Ganzen zu verschmelzen. Unter seinen zahlreichen botanischen Werken tritt dieß besonders in seiner umfangreichen drei Foliobände umfassenden Historia plantarum (1686-1704 ohne Bilder) 2) hervor. Das Werk enthält eine Zusammenstellung aller bis dahin bekannten Einzelbeschreibungen; dem ersten Bande aber geht eine 58 Seiten lange Darstellung der allgemeinen Botanik voraus, welche in gewöhnlichem Format gedruckt schon für sich einen kleinen Band bilden würde und die ganze theoretische Botanik ungefähr in der Form eines modernen Lehrbuches behandelt. Wenn darin auch Morphologie, Anatomie und Physiologie, in welch' letzteren er sich auf Malpighi und Grew stützt, nicht streng gesondert vorgetragen werden, so ist es doch leicht, das Morphologische auszusondern und die Theorie der Systematik ist in der That gesondert dargestellt. Die von der Morphologie handelnden Capitel sind am Eingang jedesmal
1) J. Ray (Rajus) zu Black Notlay in Essex geb. leistete auch in der Zoologie Bedeutendes. Nachdem er Theologie studirt und in England wie auf dem Continent Reisen gemacht, lebte er von einer Pension Wil- loughbys ohne Amt ganz seinen Arbeiten (vergl. Carus Gesch. der Zoologie p. 428).
2) Mir liegt Band I. vom Jahre 1693 vor; vergl. Pritzel's An- merkung im Thes. lit. bot.
Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
übrigens blieb die Zahl ſeiner unmittelbaren Anhänger gering: von Deutſchen waren es nur Paul Ammann, Profeſſor in Leipzig, der in ſeinem Character plantarum naturalis 1685 die Anſichten Moriſon's vertrat und Paul Herrmann, 1679-95 Profeſſor in Leyden, nachdem er acht Jahre lang in Ceylon Pflanzen geſammelt hatte; ſein Syſtem kann kaum eine Verbeſſerung des Moriſon'ſchen genannt werden.
Im Gegenſatz zu Moriſon wußte John Ray (1628 bis 1705) 1) aus den Werken ſeiner Vorgänger alles Gute und Richtige nicht nur aufzunehmen, kritiſch zu ſichten und durch eigene Beobachtungen zu vervollſtändigen, ſondern auch die Ver- dienſte anderer freudig anzuerkennen, eigene und fremde Leiſtungen zu einem harmoniſchen Ganzen zu verſchmelzen. Unter ſeinen zahlreichen botaniſchen Werken tritt dieß beſonders in ſeiner umfangreichen drei Foliobände umfaſſenden Historia plantarum (1686-1704 ohne Bilder) 2) hervor. Das Werk enthält eine Zuſammenſtellung aller bis dahin bekannten Einzelbeſchreibungen; dem erſten Bande aber geht eine 58 Seiten lange Darſtellung der allgemeinen Botanik voraus, welche in gewöhnlichem Format gedruckt ſchon für ſich einen kleinen Band bilden würde und die ganze theoretiſche Botanik ungefähr in der Form eines modernen Lehrbuches behandelt. Wenn darin auch Morphologie, Anatomie und Phyſiologie, in welch' letzteren er ſich auf Malpighi und Grew ſtützt, nicht ſtreng geſondert vorgetragen werden, ſo iſt es doch leicht, das Morphologiſche auszuſondern und die Theorie der Syſtematik iſt in der That geſondert dargeſtellt. Die von der Morphologie handelnden Capitel ſind am Eingang jedesmal
1) J. Ray (Rajus) zu Black Notlay in Eſſex geb. leiſtete auch in der Zoologie Bedeutendes. Nachdem er Theologie ſtudirt und in England wie auf dem Continent Reiſen gemacht, lebte er von einer Penſion Wil- loughbys ohne Amt ganz ſeinen Arbeiten (vergl. Carus Geſch. der Zoologie p. 428).
2) Mir liegt Band I. vom Jahre 1693 vor; vergl. Pritzel's An- merkung im Thes. lit. bot.
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[74/0086]
Die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
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von Deutſchen waren es nur Paul Ammann, Profeſſor in
Leipzig, der in ſeinem Character plantarum naturalis 1685
die Anſichten Moriſon's vertrat und Paul Herrmann,
1679-95 Profeſſor in Leyden, nachdem er acht Jahre lang in
Ceylon Pflanzen geſammelt hatte; ſein Syſtem kann kaum eine
Verbeſſerung des Moriſon'ſchen genannt werden.
Im Gegenſatz zu Moriſon wußte John Ray (1628 bis
1705) 1) aus den Werken ſeiner Vorgänger alles Gute und
Richtige nicht nur aufzunehmen, kritiſch zu ſichten und durch
eigene Beobachtungen zu vervollſtändigen, ſondern auch die Ver-
dienſte anderer freudig anzuerkennen, eigene und fremde Leiſtungen
zu einem harmoniſchen Ganzen zu verſchmelzen. Unter ſeinen
zahlreichen botaniſchen Werken tritt dieß beſonders in ſeiner
umfangreichen drei Foliobände umfaſſenden Historia plantarum
(1686-1704 ohne Bilder) 2) hervor. Das Werk enthält eine
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dem erſten Bande aber geht eine 58 Seiten lange Darſtellung
der allgemeinen Botanik voraus, welche in gewöhnlichem Format
gedruckt ſchon für ſich einen kleinen Band bilden würde und die
ganze theoretiſche Botanik ungefähr in der Form eines modernen
Lehrbuches behandelt. Wenn darin auch Morphologie, Anatomie
und Phyſiologie, in welch' letzteren er ſich auf Malpighi und
Grew ſtützt, nicht ſtreng geſondert vorgetragen werden, ſo iſt
es doch leicht, das Morphologiſche auszuſondern und die Theorie
der Syſtematik iſt in der That geſondert dargeſtellt. Die von
der Morphologie handelnden Capitel ſind am Eingang jedesmal
1) J. Ray (Rajus) zu Black Notlay in Eſſex geb. leiſtete auch in
der Zoologie Bedeutendes. Nachdem er Theologie ſtudirt und in England
wie auf dem Continent Reiſen gemacht, lebte er von einer Penſion Wil-
loughbys ohne Amt ganz ſeinen Arbeiten (vergl. Carus Geſch. der
Zoologie p. 428).
2) Mir liegt Band I. vom Jahre 1693 vor; vergl. Pritzel's An-
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/86>, abgerufen am 16.06.2024.
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