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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.
und erst in den letzten Jahren in größerem Umfange praktisch aus-
führbar machte. Noch im Jahre 1877 wurde die Elektrizität für un-
fähig gehalten, sich zu einer Wirkung von vielen Pferdestärken steigern
[Abbildung] Fig. 137.

T-Muffe zur Verbindung von Kabeln.

zu lassen, und eine Äußerung, die
William Siemens damals that,
wurde für kaum mehr als die
Ausgeburt einer lebhaften, von
der kritischen Vernunft verlassenen
Phantasie gehalten. Dieser Aus-
spruch lautete: "Die Zeit wird
uns wahrscheinlich Mittel weisen,
um Kraft auf große Entfernungen
zu übertragen. Ich kann nicht umhin, auf eines hinzudeuten, das
meiner Ansicht nach beachtenswert ist, nämlich den elektrischen Leiter.
Nehmen wir an, eine Wasserkraft werde angewendet, um eine Dynamo-
maschine in Bewegung zu setzen, so wird ein sehr kräftiger Strom
entstehen, der durch einen großen metallischen Leiter auf eine große
Entfernung übertragen und so eingerichtet werden kann, daß er dort
Elektromotoren treibt, die Kohlenspitzen elektrischer Lampen in Glut
versetzt oder die Metalle aus ihren Verbindungen abscheidet. Ein
Kupferdraht von 76 mm Durchmesser könnte 1000 Pferdekräfte auf
eine Entfernung von -- sagen wir -- 50 km übertragen, ein
Betrag, der genügen würde, eine Viertelmillion Normalkerzen (ent-
sprechend 16000 Edisonlämpchen) zu versehen, was zur Beleuchtung
einer großen Stadt genügen würde." Wie sich William Siemens die
Sache dachte, würden die Kosten des Kupfers für das eine Zuleitungs-
kabel nicht weniger als 4 Millionen Mark betragen, und schon deshalb
mußte die Idee für unausführbar gelten. Aber wie kam der berühmte
Techniker gerade auf einen so dicken Leiter? Ist nicht die Elektrizität
auch in dünneren Drähten leitbar? Wir wissen schon, daß dieselbe
beim Durchgange durch einen dünnen Leiter einen größeren Widerstand
erfährt, daß dabei der Draht erwärmt wird und infolge dessen Kraft
verloren geht. Es ist, wie wenn Wasser unter einem bestimmten Drucke
durch eine Wasserleitung fließt. Durch seine fortwährende Reibung an
den Wänden der Röhre büßt es offenbar an Kraft ein und besitzt am
Ende seines Laufes lange nicht die Wirkungsfähigkeit, die ihm am
Anfang zukam. Es ist am Ende der Leitung noch als Wasser zu
verwenden, aber es ist möglich, daß es nur so wenig Druck besitzt,
um als Krafterzeuger unbrauchbar zu sein. Dem Drucke des Wassers
entspricht die Spannung der Elektrizität. Von dieser geht beim Durch-
gang durch den Leiter immer eine bestimmte Anzahl Volt verloren,
die eben zur Überwindung des Leitungswiderstandes dient, in engen
Drähten natürlich mehr als in dicken Drähten. Es giebt also offenbar
zwei Mittel, um diesen Verlusten vorzubeugen, entweder man verwendet
recht dicke Drähte, wie das Siemens vorschlug, oder man erhöht die

Die elektriſchen Erfindungen.
und erſt in den letzten Jahren in größerem Umfange praktiſch aus-
führbar machte. Noch im Jahre 1877 wurde die Elektrizität für un-
fähig gehalten, ſich zu einer Wirkung von vielen Pferdeſtärken ſteigern
[Abbildung] Fig. 137.

T-Muffe zur Verbindung von Kabeln.

zu laſſen, und eine Äußerung, die
William Siemens damals that,
wurde für kaum mehr als die
Ausgeburt einer lebhaften, von
der kritiſchen Vernunft verlaſſenen
Phantaſie gehalten. Dieſer Aus-
ſpruch lautete: „Die Zeit wird
uns wahrſcheinlich Mittel weiſen,
um Kraft auf große Entfernungen
zu übertragen. Ich kann nicht umhin, auf eines hinzudeuten, das
meiner Anſicht nach beachtenswert iſt, nämlich den elektriſchen Leiter.
Nehmen wir an, eine Waſſerkraft werde angewendet, um eine Dynamo-
maſchine in Bewegung zu ſetzen, ſo wird ein ſehr kräftiger Strom
entſtehen, der durch einen großen metalliſchen Leiter auf eine große
Entfernung übertragen und ſo eingerichtet werden kann, daß er dort
Elektromotoren treibt, die Kohlenſpitzen elektriſcher Lampen in Glut
verſetzt oder die Metalle aus ihren Verbindungen abſcheidet. Ein
Kupferdraht von 76 mm Durchmeſſer könnte 1000 Pferdekräfte auf
eine Entfernung von — ſagen wir — 50 km übertragen, ein
Betrag, der genügen würde, eine Viertelmillion Normalkerzen (ent-
ſprechend 16000 Ediſonlämpchen) zu verſehen, was zur Beleuchtung
einer großen Stadt genügen würde.“ Wie ſich William Siemens die
Sache dachte, würden die Koſten des Kupfers für das eine Zuleitungs-
kabel nicht weniger als 4 Millionen Mark betragen, und ſchon deshalb
mußte die Idee für unausführbar gelten. Aber wie kam der berühmte
Techniker gerade auf einen ſo dicken Leiter? Iſt nicht die Elektrizität
auch in dünneren Drähten leitbar? Wir wiſſen ſchon, daß dieſelbe
beim Durchgange durch einen dünnen Leiter einen größeren Widerſtand
erfährt, daß dabei der Draht erwärmt wird und infolge deſſen Kraft
verloren geht. Es iſt, wie wenn Waſſer unter einem beſtimmten Drucke
durch eine Waſſerleitung fließt. Durch ſeine fortwährende Reibung an
den Wänden der Röhre büßt es offenbar an Kraft ein und beſitzt am
Ende ſeines Laufes lange nicht die Wirkungsfähigkeit, die ihm am
Anfang zukam. Es iſt am Ende der Leitung noch als Waſſer zu
verwenden, aber es iſt möglich, daß es nur ſo wenig Druck beſitzt,
um als Krafterzeuger unbrauchbar zu ſein. Dem Drucke des Waſſers
entſpricht die Spannung der Elektrizität. Von dieſer geht beim Durch-
gang durch den Leiter immer eine beſtimmte Anzahl Volt verloren,
die eben zur Überwindung des Leitungswiderſtandes dient, in engen
Drähten natürlich mehr als in dicken Drähten. Es giebt alſo offenbar
zwei Mittel, um dieſen Verluſten vorzubeugen, entweder man verwendet
recht dicke Drähte, wie das Siemens vorſchlug, oder man erhöht die

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[190/0208] Die elektriſchen Erfindungen. und erſt in den letzten Jahren in größerem Umfange praktiſch aus- führbar machte. Noch im Jahre 1877 wurde die Elektrizität für un- fähig gehalten, ſich zu einer Wirkung von vielen Pferdeſtärken ſteigern [Abbildung Fig. 137. T-Muffe zur Verbindung von Kabeln.] zu laſſen, und eine Äußerung, die William Siemens damals that, wurde für kaum mehr als die Ausgeburt einer lebhaften, von der kritiſchen Vernunft verlaſſenen Phantaſie gehalten. Dieſer Aus- ſpruch lautete: „Die Zeit wird uns wahrſcheinlich Mittel weiſen, um Kraft auf große Entfernungen zu übertragen. Ich kann nicht umhin, auf eines hinzudeuten, das meiner Anſicht nach beachtenswert iſt, nämlich den elektriſchen Leiter. Nehmen wir an, eine Waſſerkraft werde angewendet, um eine Dynamo- maſchine in Bewegung zu ſetzen, ſo wird ein ſehr kräftiger Strom entſtehen, der durch einen großen metalliſchen Leiter auf eine große Entfernung übertragen und ſo eingerichtet werden kann, daß er dort Elektromotoren treibt, die Kohlenſpitzen elektriſcher Lampen in Glut verſetzt oder die Metalle aus ihren Verbindungen abſcheidet. Ein Kupferdraht von 76 mm Durchmeſſer könnte 1000 Pferdekräfte auf eine Entfernung von — ſagen wir — 50 km übertragen, ein Betrag, der genügen würde, eine Viertelmillion Normalkerzen (ent- ſprechend 16000 Ediſonlämpchen) zu verſehen, was zur Beleuchtung einer großen Stadt genügen würde.“ Wie ſich William Siemens die Sache dachte, würden die Koſten des Kupfers für das eine Zuleitungs- kabel nicht weniger als 4 Millionen Mark betragen, und ſchon deshalb mußte die Idee für unausführbar gelten. Aber wie kam der berühmte Techniker gerade auf einen ſo dicken Leiter? Iſt nicht die Elektrizität auch in dünneren Drähten leitbar? Wir wiſſen ſchon, daß dieſelbe beim Durchgange durch einen dünnen Leiter einen größeren Widerſtand erfährt, daß dabei der Draht erwärmt wird und infolge deſſen Kraft verloren geht. Es iſt, wie wenn Waſſer unter einem beſtimmten Drucke durch eine Waſſerleitung fließt. Durch ſeine fortwährende Reibung an den Wänden der Röhre büßt es offenbar an Kraft ein und beſitzt am Ende ſeines Laufes lange nicht die Wirkungsfähigkeit, die ihm am Anfang zukam. Es iſt am Ende der Leitung noch als Waſſer zu verwenden, aber es iſt möglich, daß es nur ſo wenig Druck beſitzt, um als Krafterzeuger unbrauchbar zu ſein. Dem Drucke des Waſſers entſpricht die Spannung der Elektrizität. Von dieſer geht beim Durch- gang durch den Leiter immer eine beſtimmte Anzahl Volt verloren, die eben zur Überwindung des Leitungswiderſtandes dient, in engen Drähten natürlich mehr als in dicken Drähten. Es giebt alſo offenbar zwei Mittel, um dieſen Verluſten vorzubeugen, entweder man verwendet recht dicke Drähte, wie das Siemens vorſchlug, oder man erhöht die

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/208>, abgerufen am 28.04.2024.