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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.
kann sie dort mit einer schneller oder langsamer gehenden Uhr ver-
bunden werden, bis sie die Differenz eingeholt hat. Aber natürlich
sind nur wenige solcher teuren und komplizierten Werke über die Stadt
verteilt. Sollte es nicht möglich sein, auch im Zimmer allezeit zu
wissen, welches die richtige Zeit ist?

Man hat zur Erreichung dieses Zweckes bereits vielfach die
Elektrizität zu benutzen versucht. Es stellten sich indes dabei technische
Schwierigkeiten heraus, deren Bewältigung nur bei verhältnismäßig
geringem Umfange einer solchen Anlage möglich ist. Die erforderlichen
elektrischen Ströme brauchen zwar nur ziemlich schwach zu sein, müssen
aber einen besonders hohen Grad von Gleichförmigkeit besitzen, wenn
sie den atmosphärischen Einflüssen mit der gehörigen Widerstandskraft
entgegenwirken und dabei eine große Anzahl von Uhren in Gang
halten sollen. Störungen sind schließlich unvermeidlich, und Schäden,
die in der Leitung oder im Apparate entstehen, sind oft nicht leicht zu
reparieren. Deshalb ist ein solches Unternehmen für elektrische Uhren
auch immer nur in kleinem Umfange zur Ausführung gekommen. Da-
gegen bestand bereits vor mehreren Jahren in Paris die Compagnie
generale des horloges pneumatiques,
welche es unternommen hatte,
diese Uebertragung der Zeit von gewissen Centralpunkten aus durch
den Luftdruck besorgen zu lassen. Die Kraft, welche die Rohrpostbriefe
von einem Stadtteil zum anderen treibt, sie war hier zu einer eigen-
tümlichen Regelung vieler weithin zerstreuter Uhren oder besser von
Zeigerwerken verwendet. Diese Apparate waren, wie auf der Berliner
Stadtbahn, keine selbständigen Uhren, die durch Gewichte oder Federn
im Gange erhalten werden, sondern eigentlich nur Zifferblätter, deren
Zeiger durch den Luftdruck selbst fortbewegt wurden. Natürlich waren
für diese Arbeit immerhin beträchtliche Kräfte erforderlich. Die Spannung
der Luft mußte jede Minute in dem vielfach verästelten Rohre von
10 km Gesamtlänge auf 11/2 Atmosphären vermehrt werden. So waren
kräftige Maschinen erforderlich, und dementsprechend wurden auch die
Kosten der Einrichtung nicht unbeträchtliche. Deshalb machte der Er-
finder der pneumatischen Uhren, der Ingenieur Mayrhofer, in den neueren
Einrichtungen von diesem "Springsystem" keinen Gebrauch mehr. Die
einzelnen Uhren, die er später verwendete, sind nicht mehr bloße Ziffer-
blätter mit Zeigern, sondern wirkliche Pendeluhren, die auch ohne die
Einwirkung des Luftdruckes ihren Lauf fortsetzen und nach einmaligem
Aufziehen acht Tage lang im Gange bleiben, ehe sie abgelaufen sind.
Der Luftdruck soll hier in erster Linie nicht das treibende, sondern das
regelnde Prinzip sein. Durch eine sinnreiche Kombination wird er aber
zugleich dem weiteren Zwecke dienstbar gemacht, die Uhren gar nicht
ablaufen zu lassen. Die Einzelheiten sind folgende:

Eine Hauptuhr -- wir wollen sie aus später zu erörternden
Gründen die Gruppenuhr nennen, -- welche sich durch einen beson-

Die elektriſchen Erfindungen.
kann ſie dort mit einer ſchneller oder langſamer gehenden Uhr ver-
bunden werden, bis ſie die Differenz eingeholt hat. Aber natürlich
ſind nur wenige ſolcher teuren und komplizierten Werke über die Stadt
verteilt. Sollte es nicht möglich ſein, auch im Zimmer allezeit zu
wiſſen, welches die richtige Zeit iſt?

Man hat zur Erreichung dieſes Zweckes bereits vielfach die
Elektrizität zu benutzen verſucht. Es ſtellten ſich indes dabei techniſche
Schwierigkeiten heraus, deren Bewältigung nur bei verhältnismäßig
geringem Umfange einer ſolchen Anlage möglich iſt. Die erforderlichen
elektriſchen Ströme brauchen zwar nur ziemlich ſchwach zu ſein, müſſen
aber einen beſonders hohen Grad von Gleichförmigkeit beſitzen, wenn
ſie den atmoſphäriſchen Einflüſſen mit der gehörigen Widerſtandskraft
entgegenwirken und dabei eine große Anzahl von Uhren in Gang
halten ſollen. Störungen ſind ſchließlich unvermeidlich, und Schäden,
die in der Leitung oder im Apparate entſtehen, ſind oft nicht leicht zu
reparieren. Deshalb iſt ein ſolches Unternehmen für elektriſche Uhren
auch immer nur in kleinem Umfange zur Ausführung gekommen. Da-
gegen beſtand bereits vor mehreren Jahren in Paris die Compagnie
générale des horloges pneumatiques,
welche es unternommen hatte,
dieſe Uebertragung der Zeit von gewiſſen Centralpunkten aus durch
den Luftdruck beſorgen zu laſſen. Die Kraft, welche die Rohrpoſtbriefe
von einem Stadtteil zum anderen treibt, ſie war hier zu einer eigen-
tümlichen Regelung vieler weithin zerſtreuter Uhren oder beſſer von
Zeigerwerken verwendet. Dieſe Apparate waren, wie auf der Berliner
Stadtbahn, keine ſelbſtändigen Uhren, die durch Gewichte oder Federn
im Gange erhalten werden, ſondern eigentlich nur Zifferblätter, deren
Zeiger durch den Luftdruck ſelbſt fortbewegt wurden. Natürlich waren
für dieſe Arbeit immerhin beträchtliche Kräfte erforderlich. Die Spannung
der Luft mußte jede Minute in dem vielfach veräſtelten Rohre von
10 km Geſamtlänge auf 1½ Atmoſphären vermehrt werden. So waren
kräftige Maſchinen erforderlich, und dementſprechend wurden auch die
Koſten der Einrichtung nicht unbeträchtliche. Deshalb machte der Er-
finder der pneumatiſchen Uhren, der Ingenieur Mayrhofer, in den neueren
Einrichtungen von dieſem „Springſyſtem“ keinen Gebrauch mehr. Die
einzelnen Uhren, die er ſpäter verwendete, ſind nicht mehr bloße Ziffer-
blätter mit Zeigern, ſondern wirkliche Pendeluhren, die auch ohne die
Einwirkung des Luftdruckes ihren Lauf fortſetzen und nach einmaligem
Aufziehen acht Tage lang im Gange bleiben, ehe ſie abgelaufen ſind.
Der Luftdruck ſoll hier in erſter Linie nicht das treibende, ſondern das
regelnde Prinzip ſein. Durch eine ſinnreiche Kombination wird er aber
zugleich dem weiteren Zwecke dienſtbar gemacht, die Uhren gar nicht
ablaufen zu laſſen. Die Einzelheiten ſind folgende:

Eine Hauptuhr — wir wollen ſie aus ſpäter zu erörternden
Gründen die Gruppenuhr nennen, — welche ſich durch einen beſon-

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[258/0276] Die elektriſchen Erfindungen. kann ſie dort mit einer ſchneller oder langſamer gehenden Uhr ver- bunden werden, bis ſie die Differenz eingeholt hat. Aber natürlich ſind nur wenige ſolcher teuren und komplizierten Werke über die Stadt verteilt. Sollte es nicht möglich ſein, auch im Zimmer allezeit zu wiſſen, welches die richtige Zeit iſt? Man hat zur Erreichung dieſes Zweckes bereits vielfach die Elektrizität zu benutzen verſucht. Es ſtellten ſich indes dabei techniſche Schwierigkeiten heraus, deren Bewältigung nur bei verhältnismäßig geringem Umfange einer ſolchen Anlage möglich iſt. Die erforderlichen elektriſchen Ströme brauchen zwar nur ziemlich ſchwach zu ſein, müſſen aber einen beſonders hohen Grad von Gleichförmigkeit beſitzen, wenn ſie den atmoſphäriſchen Einflüſſen mit der gehörigen Widerſtandskraft entgegenwirken und dabei eine große Anzahl von Uhren in Gang halten ſollen. Störungen ſind ſchließlich unvermeidlich, und Schäden, die in der Leitung oder im Apparate entſtehen, ſind oft nicht leicht zu reparieren. Deshalb iſt ein ſolches Unternehmen für elektriſche Uhren auch immer nur in kleinem Umfange zur Ausführung gekommen. Da- gegen beſtand bereits vor mehreren Jahren in Paris die Compagnie générale des horloges pneumatiques, welche es unternommen hatte, dieſe Uebertragung der Zeit von gewiſſen Centralpunkten aus durch den Luftdruck beſorgen zu laſſen. Die Kraft, welche die Rohrpoſtbriefe von einem Stadtteil zum anderen treibt, ſie war hier zu einer eigen- tümlichen Regelung vieler weithin zerſtreuter Uhren oder beſſer von Zeigerwerken verwendet. Dieſe Apparate waren, wie auf der Berliner Stadtbahn, keine ſelbſtändigen Uhren, die durch Gewichte oder Federn im Gange erhalten werden, ſondern eigentlich nur Zifferblätter, deren Zeiger durch den Luftdruck ſelbſt fortbewegt wurden. Natürlich waren für dieſe Arbeit immerhin beträchtliche Kräfte erforderlich. Die Spannung der Luft mußte jede Minute in dem vielfach veräſtelten Rohre von 10 km Geſamtlänge auf 1½ Atmoſphären vermehrt werden. So waren kräftige Maſchinen erforderlich, und dementſprechend wurden auch die Koſten der Einrichtung nicht unbeträchtliche. Deshalb machte der Er- finder der pneumatiſchen Uhren, der Ingenieur Mayrhofer, in den neueren Einrichtungen von dieſem „Springſyſtem“ keinen Gebrauch mehr. Die einzelnen Uhren, die er ſpäter verwendete, ſind nicht mehr bloße Ziffer- blätter mit Zeigern, ſondern wirkliche Pendeluhren, die auch ohne die Einwirkung des Luftdruckes ihren Lauf fortſetzen und nach einmaligem Aufziehen acht Tage lang im Gange bleiben, ehe ſie abgelaufen ſind. Der Luftdruck ſoll hier in erſter Linie nicht das treibende, ſondern das regelnde Prinzip ſein. Durch eine ſinnreiche Kombination wird er aber zugleich dem weiteren Zwecke dienſtbar gemacht, die Uhren gar nicht ablaufen zu laſſen. Die Einzelheiten ſind folgende: Eine Hauptuhr — wir wollen ſie aus ſpäter zu erörternden Gründen die Gruppenuhr nennen, — welche ſich durch einen beſon-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/276>, abgerufen am 26.04.2024.