Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Fabrikation und Verarbeitung des Glases.
Glasröhren und chemische Geräte gefertigt werden, im wesentlichen über-
einstimmend ist.

Der Hohlglasofen ist an seinen vier Ecken mit je einem Neben-
ofen verbunden; von diesen vier Öfen dienen zwei als Temperöfen,
d. h. zum Vorwärmen der neuen Häfen und des Satzes, die beiden
anderen als Kühlöfen für die gefertigten Glaswaren. In dem Kuppel-
gewölbe des Ofens befindet sich dicht über dem Rande eines jeden
Hafens ein verschließbares Arbeitsloch, durch welches der Arbeiter zu
dem geschmolzenen Glase im Hafen gelangen kann. Unter jedem
Arbeitsloch, in gleicher Höhe mit der Sohle der Häfen, liegt ein Auf-
brechloch, durch welches man die auszufahrenden, schadhaft gewordenen
Häfen, wenn sie auf den Bänken festbacken, losbrechen kann. Für das
Ein- und Ausfahren der Häfen selbst sind zwei sogenannte Hafenthore
frei gelassen, welche für gewöhnlich vermauert sind und nur bei der
Benutzung aufgebrochen werden. Die Kuppel des Ofens ist mit
Sand bedeckt und dieser mit einem Gewölbe aus gewöhnlichen Ziegeln
übermauert.

Sobald die im Temperofen vorgewärmten neuen Häfen glühend
geworden sind, werden sie in den Ofen eingefahren, die Hafenthore
vermauert und die Hitze gesteigert, bis die Schmelztemperatur erreicht
ist. Sodann trägt man mittels Schaufeln durch die Arbeitslöcher den
kaleinierten Satz zuerst zu einem Drittel ein und fügt das übrige
hinzu, sobald das eingetragene niedergeschmolzen ist. Nun setzt man
die Arbeitslöcher zu und schürt stärker. Endlich zieht man mittels
eines unten abgeplatteten Eisenstabes, des Randkolbens, eine Probe
aus den Häfen und untersucht, ob die Masse nach dem Erkalten klar
erscheint oder noch unangegriffene Sandkörner enthält. Da die Hitze
im oberen Teile der Häfen stärker ist, so muß man die Glasmasse hin
und wieder mit der Schöpfkelle umrühren. Ist die Masse endlich
gleichmäßig, so enthält sie doch noch viele kleine Luftblasen und ist zur
Verarbeitung unbrauchbar. Obenauf schwimmt die "Glasgalle", welche
hauptsächlich aus den von der Kieselsäure nicht gebundenen Alkali-
verbindungen besteht; tritt sie stark auf, so deutet dies auf schlechte
Beschaffenheit des Satzes hin. Die Galle wird abgeschöpft und die
Glasmasse nun dem "Läutern" unterzogen. Bei diesem Prozesse ver-
stärkt man einfach durch das "Heißschüren" die Temperatur bis zum
höchsten erreichbaren Maß; alle Luftblasen steigen in dem sehr dünn-
flüssigen Glase auf, und die Masse wird nun ganz klar und gleich-
förmig. Nach mehrstündigem Heißschüren bleibt nichts weiter übrig,
als die Glasmasse bis zu demjenigen Grade der Zähflüssigkeit erkalten
zu lassen, welcher für die Verarbeitung notwendig ist. Dies geschieht
durch das "Kaltschüren", während dessen man kurze Zeit ganz mit
Feuern aufhört und dann sehr langsam fortschürt.

Wir wenden uns nun zu den Operationen, durch welche man die
wichtigsten Formen der Hohlglaswaren gewinnt.

Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
Glasröhren und chemiſche Geräte gefertigt werden, im weſentlichen über-
einſtimmend iſt.

Der Hohlglasofen iſt an ſeinen vier Ecken mit je einem Neben-
ofen verbunden; von dieſen vier Öfen dienen zwei als Temperöfen,
d. h. zum Vorwärmen der neuen Häfen und des Satzes, die beiden
anderen als Kühlöfen für die gefertigten Glaswaren. In dem Kuppel-
gewölbe des Ofens befindet ſich dicht über dem Rande eines jeden
Hafens ein verſchließbares Arbeitsloch, durch welches der Arbeiter zu
dem geſchmolzenen Glaſe im Hafen gelangen kann. Unter jedem
Arbeitsloch, in gleicher Höhe mit der Sohle der Häfen, liegt ein Auf-
brechloch, durch welches man die auszufahrenden, ſchadhaft gewordenen
Häfen, wenn ſie auf den Bänken feſtbacken, losbrechen kann. Für das
Ein- und Ausfahren der Häfen ſelbſt ſind zwei ſogenannte Hafenthore
frei gelaſſen, welche für gewöhnlich vermauert ſind und nur bei der
Benutzung aufgebrochen werden. Die Kuppel des Ofens iſt mit
Sand bedeckt und dieſer mit einem Gewölbe aus gewöhnlichen Ziegeln
übermauert.

Sobald die im Temperofen vorgewärmten neuen Häfen glühend
geworden ſind, werden ſie in den Ofen eingefahren, die Hafenthore
vermauert und die Hitze geſteigert, bis die Schmelztemperatur erreicht
iſt. Sodann trägt man mittels Schaufeln durch die Arbeitslöcher den
kaleinierten Satz zuerſt zu einem Drittel ein und fügt das übrige
hinzu, ſobald das eingetragene niedergeſchmolzen iſt. Nun ſetzt man
die Arbeitslöcher zu und ſchürt ſtärker. Endlich zieht man mittels
eines unten abgeplatteten Eiſenſtabes, des Randkolbens, eine Probe
aus den Häfen und unterſucht, ob die Maſſe nach dem Erkalten klar
erſcheint oder noch unangegriffene Sandkörner enthält. Da die Hitze
im oberen Teile der Häfen ſtärker iſt, ſo muß man die Glasmaſſe hin
und wieder mit der Schöpfkelle umrühren. Iſt die Maſſe endlich
gleichmäßig, ſo enthält ſie doch noch viele kleine Luftblaſen und iſt zur
Verarbeitung unbrauchbar. Obenauf ſchwimmt die „Glasgalle“, welche
hauptſächlich aus den von der Kieſelſäure nicht gebundenen Alkali-
verbindungen beſteht; tritt ſie ſtark auf, ſo deutet dies auf ſchlechte
Beſchaffenheit des Satzes hin. Die Galle wird abgeſchöpft und die
Glasmaſſe nun dem „Läutern“ unterzogen. Bei dieſem Prozeſſe ver-
ſtärkt man einfach durch das „Heißſchüren“ die Temperatur bis zum
höchſten erreichbaren Maß; alle Luftblaſen ſteigen in dem ſehr dünn-
flüſſigen Glaſe auf, und die Maſſe wird nun ganz klar und gleich-
förmig. Nach mehrſtündigem Heißſchüren bleibt nichts weiter übrig,
als die Glasmaſſe bis zu demjenigen Grade der Zähflüſſigkeit erkalten
zu laſſen, welcher für die Verarbeitung notwendig iſt. Dies geſchieht
durch das „Kaltſchüren“, während deſſen man kurze Zeit ganz mit
Feuern aufhört und dann ſehr langſam fortſchürt.

Wir wenden uns nun zu den Operationen, durch welche man die
wichtigſten Formen der Hohlglaswaren gewinnt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0872" n="854"/><fw place="top" type="header">Die Fabrikation und Verarbeitung des Gla&#x017F;es.</fw><lb/>
Glasröhren und chemi&#x017F;che Geräte gefertigt werden, im we&#x017F;entlichen über-<lb/>
ein&#x017F;timmend i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Der Hohlglasofen i&#x017F;t an &#x017F;einen vier Ecken mit je einem Neben-<lb/>
ofen verbunden; von die&#x017F;en vier Öfen dienen zwei als Temperöfen,<lb/>
d. h. zum Vorwärmen der neuen Häfen und des Satzes, die beiden<lb/>
anderen als Kühlöfen für die gefertigten Glaswaren. In dem Kuppel-<lb/>
gewölbe des Ofens befindet &#x017F;ich dicht über dem Rande eines jeden<lb/>
Hafens ein ver&#x017F;chließbares Arbeitsloch, durch welches der Arbeiter zu<lb/>
dem ge&#x017F;chmolzenen Gla&#x017F;e im Hafen gelangen kann. Unter jedem<lb/>
Arbeitsloch, in gleicher Höhe mit der Sohle der Häfen, liegt ein Auf-<lb/>
brechloch, durch welches man die auszufahrenden, &#x017F;chadhaft gewordenen<lb/>
Häfen, wenn &#x017F;ie auf den Bänken fe&#x017F;tbacken, losbrechen kann. Für das<lb/>
Ein- und Ausfahren der Häfen &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind zwei &#x017F;ogenannte Hafenthore<lb/>
frei gela&#x017F;&#x017F;en, welche für gewöhnlich vermauert &#x017F;ind und nur bei der<lb/>
Benutzung aufgebrochen werden. Die Kuppel des Ofens i&#x017F;t mit<lb/>
Sand bedeckt und die&#x017F;er mit einem Gewölbe aus gewöhnlichen Ziegeln<lb/>
übermauert.</p><lb/>
            <p>Sobald die im Temperofen vorgewärmten neuen Häfen glühend<lb/>
geworden &#x017F;ind, werden &#x017F;ie in den Ofen eingefahren, die Hafenthore<lb/>
vermauert und die Hitze ge&#x017F;teigert, bis die Schmelztemperatur erreicht<lb/>
i&#x017F;t. Sodann trägt man mittels Schaufeln durch die Arbeitslöcher den<lb/>
kaleinierten Satz zuer&#x017F;t zu einem Drittel ein und fügt das übrige<lb/>
hinzu, &#x017F;obald das eingetragene niederge&#x017F;chmolzen i&#x017F;t. Nun &#x017F;etzt man<lb/>
die Arbeitslöcher zu und &#x017F;chürt &#x017F;tärker. Endlich zieht man mittels<lb/>
eines unten abgeplatteten Ei&#x017F;en&#x017F;tabes, des Randkolbens, eine Probe<lb/>
aus den Häfen und unter&#x017F;ucht, ob die Ma&#x017F;&#x017F;e nach dem Erkalten klar<lb/>
er&#x017F;cheint oder noch unangegriffene Sandkörner enthält. Da die Hitze<lb/>
im oberen Teile der Häfen &#x017F;tärker i&#x017F;t, &#x017F;o muß man die Glasma&#x017F;&#x017F;e hin<lb/>
und wieder mit der Schöpfkelle umrühren. I&#x017F;t die Ma&#x017F;&#x017F;e endlich<lb/>
gleichmäßig, &#x017F;o enthält &#x017F;ie doch noch viele kleine Luftbla&#x017F;en und i&#x017F;t zur<lb/>
Verarbeitung unbrauchbar. Obenauf &#x017F;chwimmt die &#x201E;Glasgalle&#x201C;, welche<lb/>
haupt&#x017F;ächlich aus den von der Kie&#x017F;el&#x017F;äure nicht gebundenen Alkali-<lb/>
verbindungen be&#x017F;teht; tritt &#x017F;ie &#x017F;tark auf, &#x017F;o deutet dies auf &#x017F;chlechte<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit des Satzes hin. Die Galle wird abge&#x017F;chöpft und die<lb/>
Glasma&#x017F;&#x017F;e nun dem &#x201E;Läutern&#x201C; unterzogen. Bei die&#x017F;em Proze&#x017F;&#x017F;e ver-<lb/>
&#x017F;tärkt man einfach durch das &#x201E;Heiß&#x017F;chüren&#x201C; die Temperatur bis zum<lb/>
höch&#x017F;ten erreichbaren Maß; alle Luftbla&#x017F;en &#x017F;teigen in dem &#x017F;ehr dünn-<lb/>
flü&#x017F;&#x017F;igen Gla&#x017F;e auf, und die Ma&#x017F;&#x017F;e wird nun ganz klar und gleich-<lb/>
förmig. Nach mehr&#x017F;tündigem Heiß&#x017F;chüren bleibt nichts weiter übrig,<lb/>
als die Glasma&#x017F;&#x017F;e bis zu demjenigen Grade der Zähflü&#x017F;&#x017F;igkeit erkalten<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en, welcher für die Verarbeitung notwendig i&#x017F;t. Dies ge&#x017F;chieht<lb/>
durch das &#x201E;Kalt&#x017F;chüren&#x201C;, während de&#x017F;&#x017F;en man kurze Zeit ganz mit<lb/>
Feuern aufhört und dann &#x017F;ehr lang&#x017F;am fort&#x017F;chürt.</p><lb/>
            <p>Wir wenden uns nun zu den Operationen, durch welche man die<lb/>
wichtig&#x017F;ten Formen der Hohlglaswaren gewinnt.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[854/0872] Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes. Glasröhren und chemiſche Geräte gefertigt werden, im weſentlichen über- einſtimmend iſt. Der Hohlglasofen iſt an ſeinen vier Ecken mit je einem Neben- ofen verbunden; von dieſen vier Öfen dienen zwei als Temperöfen, d. h. zum Vorwärmen der neuen Häfen und des Satzes, die beiden anderen als Kühlöfen für die gefertigten Glaswaren. In dem Kuppel- gewölbe des Ofens befindet ſich dicht über dem Rande eines jeden Hafens ein verſchließbares Arbeitsloch, durch welches der Arbeiter zu dem geſchmolzenen Glaſe im Hafen gelangen kann. Unter jedem Arbeitsloch, in gleicher Höhe mit der Sohle der Häfen, liegt ein Auf- brechloch, durch welches man die auszufahrenden, ſchadhaft gewordenen Häfen, wenn ſie auf den Bänken feſtbacken, losbrechen kann. Für das Ein- und Ausfahren der Häfen ſelbſt ſind zwei ſogenannte Hafenthore frei gelaſſen, welche für gewöhnlich vermauert ſind und nur bei der Benutzung aufgebrochen werden. Die Kuppel des Ofens iſt mit Sand bedeckt und dieſer mit einem Gewölbe aus gewöhnlichen Ziegeln übermauert. Sobald die im Temperofen vorgewärmten neuen Häfen glühend geworden ſind, werden ſie in den Ofen eingefahren, die Hafenthore vermauert und die Hitze geſteigert, bis die Schmelztemperatur erreicht iſt. Sodann trägt man mittels Schaufeln durch die Arbeitslöcher den kaleinierten Satz zuerſt zu einem Drittel ein und fügt das übrige hinzu, ſobald das eingetragene niedergeſchmolzen iſt. Nun ſetzt man die Arbeitslöcher zu und ſchürt ſtärker. Endlich zieht man mittels eines unten abgeplatteten Eiſenſtabes, des Randkolbens, eine Probe aus den Häfen und unterſucht, ob die Maſſe nach dem Erkalten klar erſcheint oder noch unangegriffene Sandkörner enthält. Da die Hitze im oberen Teile der Häfen ſtärker iſt, ſo muß man die Glasmaſſe hin und wieder mit der Schöpfkelle umrühren. Iſt die Maſſe endlich gleichmäßig, ſo enthält ſie doch noch viele kleine Luftblaſen und iſt zur Verarbeitung unbrauchbar. Obenauf ſchwimmt die „Glasgalle“, welche hauptſächlich aus den von der Kieſelſäure nicht gebundenen Alkali- verbindungen beſteht; tritt ſie ſtark auf, ſo deutet dies auf ſchlechte Beſchaffenheit des Satzes hin. Die Galle wird abgeſchöpft und die Glasmaſſe nun dem „Läutern“ unterzogen. Bei dieſem Prozeſſe ver- ſtärkt man einfach durch das „Heißſchüren“ die Temperatur bis zum höchſten erreichbaren Maß; alle Luftblaſen ſteigen in dem ſehr dünn- flüſſigen Glaſe auf, und die Maſſe wird nun ganz klar und gleich- förmig. Nach mehrſtündigem Heißſchüren bleibt nichts weiter übrig, als die Glasmaſſe bis zu demjenigen Grade der Zähflüſſigkeit erkalten zu laſſen, welcher für die Verarbeitung notwendig iſt. Dies geſchieht durch das „Kaltſchüren“, während deſſen man kurze Zeit ganz mit Feuern aufhört und dann ſehr langſam fortſchürt. Wir wenden uns nun zu den Operationen, durch welche man die wichtigſten Formen der Hohlglaswaren gewinnt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/872
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 854. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/872>, abgerufen am 26.04.2024.