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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die optischen Instrumente.
sich nun aber die Verhältisse, wenn ein Strahl aus einem durchsichtigen
Körper in einen anderen überzutreten gezwungen ist? Was dabei geschieht,
erkennen wir sehr einfach, wenn wir einen Stab in Wasser tauchen:
wir bemerken nämlich, daß der Stab an der Trennungsfläche zwischen
Luft und Wasser eingeknickt erscheint. Was hier für den Stab aber nur
zu sein scheint, ist für den Lichtstrahl wirklich der Fall. So beob-
achten wir allgemein, daß ein Lichtstrahl, der aus einem Medium in
ein anderes von verschiedener Dichtigkeit übergeht, an der Trennungs-
fläche seine Richtung verändert, und zwar um so stärker, je größer der
Winkel ist, welchen der einfallende Strahl mit dem Einfallslote bildet.
Das einfache Gesetz, nach welchem diese Brechung vor sich geht, wurde
im Jahre 1620 von Snellius entdeckt, aber erst 1637 von Descartes
[Abbildung] Fig. 480.

Brechung eines einfallenden
Strahles in Wasser.

veröffentlicht. Betrachten wir z. B. die ein-
fachen Verhältnisse bei Luft und Wasser, so
ergiebt sich nach Fig. 480 für jeden einfallenden
Strahl der zugehörige gebrochene Strahl durch
folgende höchst einfache Konstruktion, die wir
im folgenden stets als bekannt voraussetzen
werden. Wir beschreiben um den Punkt c, in
welchem der einfallende Strahl die Trennungs-
fläche m n trifft, einen Kreis mit beliebig großem
Radius und ziehen durch den Schnittpunkt a
des einfallenden Strahles mit der Peripherie
parallel zur Trennungsfläche die Sehne a d;
alsdann tragen wir auf der andern Seite 3/4 von derselben an und fällen
endlich von dem Endpunkt g dieser Strecke ein Lot auf die Trennungs-
fläche, dessen Verlängerung die Kreisperipherie in b trifft. Dann stellt c b
die Richtung des gebrochenen Strahles vor, die demnach näher
am Einfallslote liegt, als der einfallende Strahl. Ganz analog
sind natürlich die Verhältnisse, wenn man den Übergang eines
Strahles aus Wasser rückwärts in Luft verfolgt, nur kann dabei
gelegentlich der Fall eintreten, daß der Strahl, wenn er zu schräg auf
die Trennungsfläche fällt, überhaupt nicht mehr in die Luft übertritt,
sondern reflektiert wird. Aus dem Brechungsgesetz selbst ergiebt sich
die Größe des Winkels für den äußersten Strahl, welcher noch eben
streifend austreten kann; alle andern Strahlen erfahren, wie man sagt,
eine totale Reflexion. Dieselbe ist es z. B., welche uns die Luftbläschen
im Wasser als glänzende Perlen sichtbar werden läßt, während die
Erscheinungen der Fata morgana auf der einfachen Brechung der Licht-
strahlen in verschieden dichten Schichten der Atmosphäre und die pracht-
volle Erscheinung des Regenbogens gleichzeitig auf der Brechung und
totalen Reflexion des Sonnenlichtes an den Wasserkügelchen der Wolken
beruht.

Von der Eigenschaft der totalen Reflexion macht man besonders
häufig bei ovtischen Instrumenten Gebrauch. Man bedient sich dazu

Die optiſchen Inſtrumente.
ſich nun aber die Verhältiſſe, wenn ein Strahl aus einem durchſichtigen
Körper in einen anderen überzutreten gezwungen iſt? Was dabei geſchieht,
erkennen wir ſehr einfach, wenn wir einen Stab in Waſſer tauchen:
wir bemerken nämlich, daß der Stab an der Trennungsfläche zwiſchen
Luft und Waſſer eingeknickt erſcheint. Was hier für den Stab aber nur
zu ſein ſcheint, iſt für den Lichtſtrahl wirklich der Fall. So beob-
achten wir allgemein, daß ein Lichtſtrahl, der aus einem Medium in
ein anderes von verſchiedener Dichtigkeit übergeht, an der Trennungs-
fläche ſeine Richtung verändert, und zwar um ſo ſtärker, je größer der
Winkel iſt, welchen der einfallende Strahl mit dem Einfallslote bildet.
Das einfache Geſetz, nach welchem dieſe Brechung vor ſich geht, wurde
im Jahre 1620 von Snellius entdeckt, aber erſt 1637 von Descartes
[Abbildung] Fig. 480.

Brechung eines einfallenden
Strahles in Waſſer.

veröffentlicht. Betrachten wir z. B. die ein-
fachen Verhältniſſe bei Luft und Waſſer, ſo
ergiebt ſich nach Fig. 480 für jeden einfallenden
Strahl der zugehörige gebrochene Strahl durch
folgende höchſt einfache Konſtruktion, die wir
im folgenden ſtets als bekannt vorausſetzen
werden. Wir beſchreiben um den Punkt c, in
welchem der einfallende Strahl die Trennungs-
fläche m n trifft, einen Kreis mit beliebig großem
Radius und ziehen durch den Schnittpunkt a
des einfallenden Strahles mit der Peripherie
parallel zur Trennungsfläche die Sehne a d;
alsdann tragen wir auf der andern Seite ¾ von derſelben an und fällen
endlich von dem Endpunkt g dieſer Strecke ein Lot auf die Trennungs-
fläche, deſſen Verlängerung die Kreisperipherie in b trifft. Dann ſtellt c b
die Richtung des gebrochenen Strahles vor, die demnach näher
am Einfallslote liegt, als der einfallende Strahl. Ganz analog
ſind natürlich die Verhältniſſe, wenn man den Übergang eines
Strahles aus Waſſer rückwärts in Luft verfolgt, nur kann dabei
gelegentlich der Fall eintreten, daß der Strahl, wenn er zu ſchräg auf
die Trennungsfläche fällt, überhaupt nicht mehr in die Luft übertritt,
ſondern reflektiert wird. Aus dem Brechungsgeſetz ſelbſt ergiebt ſich
die Größe des Winkels für den äußerſten Strahl, welcher noch eben
ſtreifend austreten kann; alle andern Strahlen erfahren, wie man ſagt,
eine totale Reflexion. Dieſelbe iſt es z. B., welche uns die Luftbläschen
im Waſſer als glänzende Perlen ſichtbar werden läßt, während die
Erſcheinungen der Fata morgana auf der einfachen Brechung der Licht-
ſtrahlen in verſchieden dichten Schichten der Atmoſphäre und die pracht-
volle Erſcheinung des Regenbogens gleichzeitig auf der Brechung und
totalen Reflexion des Sonnenlichtes an den Waſſerkügelchen der Wolken
beruht.

Von der Eigenſchaft der totalen Reflexion macht man beſonders
häufig bei ovtiſchen Inſtrumenten Gebrauch. Man bedient ſich dazu

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[892/0910] Die optiſchen Inſtrumente. ſich nun aber die Verhältiſſe, wenn ein Strahl aus einem durchſichtigen Körper in einen anderen überzutreten gezwungen iſt? Was dabei geſchieht, erkennen wir ſehr einfach, wenn wir einen Stab in Waſſer tauchen: wir bemerken nämlich, daß der Stab an der Trennungsfläche zwiſchen Luft und Waſſer eingeknickt erſcheint. Was hier für den Stab aber nur zu ſein ſcheint, iſt für den Lichtſtrahl wirklich der Fall. So beob- achten wir allgemein, daß ein Lichtſtrahl, der aus einem Medium in ein anderes von verſchiedener Dichtigkeit übergeht, an der Trennungs- fläche ſeine Richtung verändert, und zwar um ſo ſtärker, je größer der Winkel iſt, welchen der einfallende Strahl mit dem Einfallslote bildet. Das einfache Geſetz, nach welchem dieſe Brechung vor ſich geht, wurde im Jahre 1620 von Snellius entdeckt, aber erſt 1637 von Descartes [Abbildung Fig. 480. Brechung eines einfallenden Strahles in Waſſer.] veröffentlicht. Betrachten wir z. B. die ein- fachen Verhältniſſe bei Luft und Waſſer, ſo ergiebt ſich nach Fig. 480 für jeden einfallenden Strahl der zugehörige gebrochene Strahl durch folgende höchſt einfache Konſtruktion, die wir im folgenden ſtets als bekannt vorausſetzen werden. Wir beſchreiben um den Punkt c, in welchem der einfallende Strahl die Trennungs- fläche m n trifft, einen Kreis mit beliebig großem Radius und ziehen durch den Schnittpunkt a des einfallenden Strahles mit der Peripherie parallel zur Trennungsfläche die Sehne a d; alsdann tragen wir auf der andern Seite ¾ von derſelben an und fällen endlich von dem Endpunkt g dieſer Strecke ein Lot auf die Trennungs- fläche, deſſen Verlängerung die Kreisperipherie in b trifft. Dann ſtellt c b die Richtung des gebrochenen Strahles vor, die demnach näher am Einfallslote liegt, als der einfallende Strahl. Ganz analog ſind natürlich die Verhältniſſe, wenn man den Übergang eines Strahles aus Waſſer rückwärts in Luft verfolgt, nur kann dabei gelegentlich der Fall eintreten, daß der Strahl, wenn er zu ſchräg auf die Trennungsfläche fällt, überhaupt nicht mehr in die Luft übertritt, ſondern reflektiert wird. Aus dem Brechungsgeſetz ſelbſt ergiebt ſich die Größe des Winkels für den äußerſten Strahl, welcher noch eben ſtreifend austreten kann; alle andern Strahlen erfahren, wie man ſagt, eine totale Reflexion. Dieſelbe iſt es z. B., welche uns die Luftbläschen im Waſſer als glänzende Perlen ſichtbar werden läßt, während die Erſcheinungen der Fata morgana auf der einfachen Brechung der Licht- ſtrahlen in verſchieden dichten Schichten der Atmoſphäre und die pracht- volle Erſcheinung des Regenbogens gleichzeitig auf der Brechung und totalen Reflexion des Sonnenlichtes an den Waſſerkügelchen der Wolken beruht. Von der Eigenſchaft der totalen Reflexion macht man beſonders häufig bei ovtiſchen Inſtrumenten Gebrauch. Man bedient ſich dazu

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 892. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/910>, abgerufen am 27.04.2024.