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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Erfindung des Papiers.
ist, dürfte auf den Namen Papier kaum Anspruch machen, da ihm
wesentliche Eigenschaften eines solchen, die leichte Biegsamkeit, die
Brechbarkeit, sowie die Brauchbarkeit für schnellstes Schreiben abgehen.
Ebenso befriedigte das Pergament, das ja vielfach sogar Pergament-
papier genannt wird, solche Erfordernisse nur zum Teil, wenn es auch,
zwar zumeist aus Billigkeitsrücksichten, neben den ältesten Papiersorten,
besonders derjenigen, welche in Ägypten aus der Papyrusstaude her-
gestellt wurde, seinen Rang fest behauptete.

Die Bereitung von Papier aus dem Zellengewebe der binsen-
artigen, durchschnittlich 5 m hohen Papyrusstaude (Cyperus Papyrus)
datiert wahrscheinlich bis in das vierte Jahrtausend vor Chr. zurück.
Man schnitt aus dem Zellengewebe schmale Streifen, die ziemlich dicht
neben einander gelegt wurden. Nachdem man über eine solche Schicht
eine andere in kreuzweiser Anordnung darübergelegt hatte, durchtränkte
man das ganze mit Wasser, in dem Gummi aufgelöst war. Darauf wurde
die Masse gepreßt und getrocknet, mit einer dünnen Mischung von
Stärkekleister überstrichen, nochmals gepreßt und getrocknet und schließlich
mit Elfenbein oder ähnlichem Material geglättet, was aber nur bis
zu einem gewissen Grade gelang. Auch hatte der Papyrus außer der
Streifigkeit noch den Übelstand, nicht weiß, sondern graubraun zu sein.
Erwähnt sei noch, daß die Papyrusstaude auch zur Herstellung von
Kleidern, Stricken und Geflechten diente. Leinwand und Seide dienten
übrigens in Ägypten, wie in China schon in alten Zeiten zum Schreiben.
In China wurde dann vor etwa 2000 Jahren, wenn nicht früher,
selbständig ein Papier erfunden, das mit dem heutigen Fabrikat schon
mehr Ähnlichkeit hat, als der Papyrus. Es wurde aus dem Bast
des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia papyrifera) mit Beimengung
von Seidenlumpen, vielleicht auch Baumwolle hergestellt. Diese Fabrikation
verpflanzte sich in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung über
Samarkand und Damaskus zu den Arabern und Ägyptern fort und wurde
wohl zu Anfang des Mittelalters von den Arabern nach Spanien gebracht.
Die Anwendung von Lumpen oder, wie der technische Ausdruck lautet,
Hadern statt roher Baumwolle mag schon vorher erfolgt sein; z. B.
bot sich den Ägyptern in dem alten Leinenzeug, das in ungeheuren
Massen in den Felsengräbern aufgespeichert war, ein vorzügliches
Papiermaterial; doch kann man nicht sagen, wann zuerst Lumpen-
und Leinenpapier in Gebrauch gekommen ist. Im 14., besonders aber
im 15. Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunst nahm die
Papierindustrie, die Anlage und Verbesserung von Papiermühlen be-
sonders in Frankreich, Deutschland und Holland einen großen Auf-
schwung. Nach letzterem Lande wird der wesentlichste Apparat der
heutigen Papierfabrikation, der "Holländer", benannt, der, vorher in
Deutschland erfunden, erst von Holland aus in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts auch bei uns Eingang fand und an die Stelle der alten
Stampfwerke trat. Der größte Fortschritt auf diesem Gebiete trat

Die Erfindung des Papiers.
iſt, dürfte auf den Namen Papier kaum Anſpruch machen, da ihm
weſentliche Eigenſchaften eines ſolchen, die leichte Biegſamkeit, die
Brechbarkeit, ſowie die Brauchbarkeit für ſchnellſtes Schreiben abgehen.
Ebenſo befriedigte das Pergament, das ja vielfach ſogar Pergament-
papier genannt wird, ſolche Erforderniſſe nur zum Teil, wenn es auch,
zwar zumeiſt aus Billigkeitsrückſichten, neben den älteſten Papierſorten,
beſonders derjenigen, welche in Ägypten aus der Papyrusſtaude her-
geſtellt wurde, ſeinen Rang feſt behauptete.

Die Bereitung von Papier aus dem Zellengewebe der binſen-
artigen, durchſchnittlich 5 m hohen Papyrusſtaude (Cyperus Papyrus)
datiert wahrſcheinlich bis in das vierte Jahrtauſend vor Chr. zurück.
Man ſchnitt aus dem Zellengewebe ſchmale Streifen, die ziemlich dicht
neben einander gelegt wurden. Nachdem man über eine ſolche Schicht
eine andere in kreuzweiſer Anordnung darübergelegt hatte, durchtränkte
man das ganze mit Waſſer, in dem Gummi aufgelöſt war. Darauf wurde
die Maſſe gepreßt und getrocknet, mit einer dünnen Miſchung von
Stärkekleiſter überſtrichen, nochmals gepreßt und getrocknet und ſchließlich
mit Elfenbein oder ähnlichem Material geglättet, was aber nur bis
zu einem gewiſſen Grade gelang. Auch hatte der Papyrus außer der
Streifigkeit noch den Übelſtand, nicht weiß, ſondern graubraun zu ſein.
Erwähnt ſei noch, daß die Papyrusſtaude auch zur Herſtellung von
Kleidern, Stricken und Geflechten diente. Leinwand und Seide dienten
übrigens in Ägypten, wie in China ſchon in alten Zeiten zum Schreiben.
In China wurde dann vor etwa 2000 Jahren, wenn nicht früher,
ſelbſtändig ein Papier erfunden, das mit dem heutigen Fabrikat ſchon
mehr Ähnlichkeit hat, als der Papyrus. Es wurde aus dem Baſt
des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia papyrifera) mit Beimengung
von Seidenlumpen, vielleicht auch Baumwolle hergeſtellt. Dieſe Fabrikation
verpflanzte ſich in den erſten Jahrhunderten unſerer Zeitrechnung über
Samarkand und Damaskus zu den Arabern und Ägyptern fort und wurde
wohl zu Anfang des Mittelalters von den Arabern nach Spanien gebracht.
Die Anwendung von Lumpen oder, wie der techniſche Ausdruck lautet,
Hadern ſtatt roher Baumwolle mag ſchon vorher erfolgt ſein; z. B.
bot ſich den Ägyptern in dem alten Leinenzeug, das in ungeheuren
Maſſen in den Felſengräbern aufgeſpeichert war, ein vorzügliches
Papiermaterial; doch kann man nicht ſagen, wann zuerſt Lumpen-
und Leinenpapier in Gebrauch gekommen iſt. Im 14., beſonders aber
im 15. Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunſt nahm die
Papierinduſtrie, die Anlage und Verbeſſerung von Papiermühlen be-
ſonders in Frankreich, Deutſchland und Holland einen großen Auf-
ſchwung. Nach letzterem Lande wird der weſentlichſte Apparat der
heutigen Papierfabrikation, der „Holländer“, benannt, der, vorher in
Deutſchland erfunden, erſt von Holland aus in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts auch bei uns Eingang fand und an die Stelle der alten
Stampfwerke trat. Der größte Fortſchritt auf dieſem Gebiete trat

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[923/0941] Die Erfindung des Papiers. iſt, dürfte auf den Namen Papier kaum Anſpruch machen, da ihm weſentliche Eigenſchaften eines ſolchen, die leichte Biegſamkeit, die Brechbarkeit, ſowie die Brauchbarkeit für ſchnellſtes Schreiben abgehen. Ebenſo befriedigte das Pergament, das ja vielfach ſogar Pergament- papier genannt wird, ſolche Erforderniſſe nur zum Teil, wenn es auch, zwar zumeiſt aus Billigkeitsrückſichten, neben den älteſten Papierſorten, beſonders derjenigen, welche in Ägypten aus der Papyrusſtaude her- geſtellt wurde, ſeinen Rang feſt behauptete. Die Bereitung von Papier aus dem Zellengewebe der binſen- artigen, durchſchnittlich 5 m hohen Papyrusſtaude (Cyperus Papyrus) datiert wahrſcheinlich bis in das vierte Jahrtauſend vor Chr. zurück. Man ſchnitt aus dem Zellengewebe ſchmale Streifen, die ziemlich dicht neben einander gelegt wurden. Nachdem man über eine ſolche Schicht eine andere in kreuzweiſer Anordnung darübergelegt hatte, durchtränkte man das ganze mit Waſſer, in dem Gummi aufgelöſt war. Darauf wurde die Maſſe gepreßt und getrocknet, mit einer dünnen Miſchung von Stärkekleiſter überſtrichen, nochmals gepreßt und getrocknet und ſchließlich mit Elfenbein oder ähnlichem Material geglättet, was aber nur bis zu einem gewiſſen Grade gelang. Auch hatte der Papyrus außer der Streifigkeit noch den Übelſtand, nicht weiß, ſondern graubraun zu ſein. Erwähnt ſei noch, daß die Papyrusſtaude auch zur Herſtellung von Kleidern, Stricken und Geflechten diente. Leinwand und Seide dienten übrigens in Ägypten, wie in China ſchon in alten Zeiten zum Schreiben. In China wurde dann vor etwa 2000 Jahren, wenn nicht früher, ſelbſtändig ein Papier erfunden, das mit dem heutigen Fabrikat ſchon mehr Ähnlichkeit hat, als der Papyrus. Es wurde aus dem Baſt des Papiermaulbeerbaums (Broussonetia papyrifera) mit Beimengung von Seidenlumpen, vielleicht auch Baumwolle hergeſtellt. Dieſe Fabrikation verpflanzte ſich in den erſten Jahrhunderten unſerer Zeitrechnung über Samarkand und Damaskus zu den Arabern und Ägyptern fort und wurde wohl zu Anfang des Mittelalters von den Arabern nach Spanien gebracht. Die Anwendung von Lumpen oder, wie der techniſche Ausdruck lautet, Hadern ſtatt roher Baumwolle mag ſchon vorher erfolgt ſein; z. B. bot ſich den Ägyptern in dem alten Leinenzeug, das in ungeheuren Maſſen in den Felſengräbern aufgeſpeichert war, ein vorzügliches Papiermaterial; doch kann man nicht ſagen, wann zuerſt Lumpen- und Leinenpapier in Gebrauch gekommen iſt. Im 14., beſonders aber im 15. Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunſt nahm die Papierinduſtrie, die Anlage und Verbeſſerung von Papiermühlen be- ſonders in Frankreich, Deutſchland und Holland einen großen Auf- ſchwung. Nach letzterem Lande wird der weſentlichſte Apparat der heutigen Papierfabrikation, der „Holländer“, benannt, der, vorher in Deutſchland erfunden, erſt von Holland aus in der Mitte des vorigen Jahrhunderts auch bei uns Eingang fand und an die Stelle der alten Stampfwerke trat. Der größte Fortſchritt auf dieſem Gebiete trat

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 923. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/941>, abgerufen am 26.04.2024.