Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Man kommt nicht mehr weg, wenn man einmahl drin
ist. Man setzt sich nieder, man steht wieder auf, man
sieht ins Wasser, man blickt zum Himmel auf, man
seufzt, man weis nicht, was einem fehlt, man wird allen
Menschen gut, man fühlt in allen Nerven, man segnet
den Prinzen, man weis, daß man Mensch ist. -- Hier
war's, wo ich alle meine Freunde um mich herum ver-
sammelt wünschte. Hier war's, wo ich die Freuden der
Natur, das Glück des Lebens auf Erden, die Vortheile
einer Reise in schöne Länder, und den Werth einer empfin-
denden Seele von neuem fühlte. Hier war's, wo ich
alle Schmerzen vergas, und alle Scenen meines Wal-
lens auf Erden zurückrief. Hier war's, wo ich schwur,
leise und laut schwur, ein dankbares, fröliches, menschen-
freundliches Herz zu unterhalten, und den Gram, die fin-
stere Schwermuth, nie in die Seele einschleichen zu lassen.
Hier war's, wo ich freudig ins Leben hinausblickte, und
Muth und Vertrauen faßte. Hier war's, wo ich --
-- doch lebe wohl, du geliebte, du kostbare Insel, du
Paphos des Weisen, du Tempel Galliens; leb wohl,
du reitzende Gegend, wo ich meine geheimsten Empfin-
dungen aufwallen, Liebe, Munterkeit, Zufriedenheit und
schmachtende Sehnsucht nach nie genossenen Freuden un-
tereinander laufen sah. -- An dich will ich oft zurück den-
ken, du glücklicher Tag, du Stunde der Wonne, die Gott
mir gab, und die meine ganze Seele, wie die Blume
den Regen, auffaßte. Die andre eben so herrliche Ge-
gend ist

Le Jardin chinois. Sie liegt hinter dem Schlos-
se. Im Grunde ists ein englischer Garten, (Les Ha-
meaux
nennen ihn hier die Leute,) in dem man alle Sce-

nen

Man kommt nicht mehr weg, wenn man einmahl drin
iſt. Man ſetzt ſich nieder, man ſteht wieder auf, man
ſieht ins Waſſer, man blickt zum Himmel auf, man
ſeufzt, man weis nicht, was einem fehlt, man wird allen
Menſchen gut, man fuͤhlt in allen Nerven, man ſegnet
den Prinzen, man weis, daß man Menſch iſt. — Hier
war’s, wo ich alle meine Freunde um mich herum ver-
ſammelt wuͤnſchte. Hier war’s, wo ich die Freuden der
Natur, das Gluͤck des Lebens auf Erden, die Vortheile
einer Reiſe in ſchoͤne Laͤnder, und den Werth einer empfin-
denden Seele von neuem fuͤhlte. Hier war’s, wo ich
alle Schmerzen vergas, und alle Scenen meines Wal-
lens auf Erden zuruͤckrief. Hier war’s, wo ich ſchwur,
leiſe und laut ſchwur, ein dankbares, froͤliches, menſchen-
freundliches Herz zu unterhalten, und den Gram, die fin-
ſtere Schwermuth, nie in die Seele einſchleichen zu laſſen.
Hier war’s, wo ich freudig ins Leben hinausblickte, und
Muth und Vertrauen faßte. Hier war’s, wo ich —
— doch lebe wohl, du geliebte, du koſtbare Inſel, du
Paphos des Weiſen, du Tempel Galliens; leb wohl,
du reitzende Gegend, wo ich meine geheimſten Empfin-
dungen aufwallen, Liebe, Munterkeit, Zufriedenheit und
ſchmachtende Sehnſucht nach nie genoſſenen Freuden un-
tereinander laufen ſah. — An dich will ich oft zuruͤck den-
ken, du gluͤcklicher Tag, du Stunde der Wonne, die Gott
mir gab, und die meine ganze Seele, wie die Blume
den Regen, auffaßte. Die andre eben ſo herrliche Ge-
gend iſt

Le Jardin chinois. Sie liegt hinter dem Schloſ-
ſe. Im Grunde iſts ein engliſcher Garten, (Les Ha-
meaux
nennen ihn hier die Leute,) in dem man alle Sce-

nen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0406" n="382"/>
Man kommt nicht mehr weg, wenn man einmahl drin<lb/>
i&#x017F;t. Man &#x017F;etzt &#x017F;ich nieder, man &#x017F;teht wieder auf, man<lb/>
&#x017F;ieht ins Wa&#x017F;&#x017F;er, man blickt zum Himmel auf, man<lb/>
&#x017F;eufzt, man weis nicht, was einem fehlt, man wird allen<lb/>
Men&#x017F;chen gut, man fu&#x0364;hlt in allen Nerven, man &#x017F;egnet<lb/>
den Prinzen, man weis, daß man Men&#x017F;ch i&#x017F;t. &#x2014; Hier<lb/>
war&#x2019;s, wo ich alle meine Freunde um mich herum ver-<lb/>
&#x017F;ammelt wu&#x0364;n&#x017F;chte. Hier war&#x2019;s, wo ich die Freuden der<lb/>
Natur, das Glu&#x0364;ck des Lebens auf Erden, die Vortheile<lb/>
einer Rei&#x017F;e in &#x017F;cho&#x0364;ne La&#x0364;nder, und den Werth einer empfin-<lb/>
denden Seele von neuem fu&#x0364;hlte. Hier war&#x2019;s, wo ich<lb/>
alle Schmerzen vergas, und alle Scenen meines Wal-<lb/>
lens auf Erden zuru&#x0364;ckrief. Hier war&#x2019;s, wo ich &#x017F;chwur,<lb/>
lei&#x017F;e und laut &#x017F;chwur, ein dankbares, fro&#x0364;liches, men&#x017F;chen-<lb/>
freundliches Herz zu unterhalten, und den Gram, die fin-<lb/>
&#x017F;tere Schwermuth, nie in die Seele ein&#x017F;chleichen zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Hier war&#x2019;s, wo ich freudig ins Leben hinausblickte, und<lb/>
Muth und Vertrauen faßte. Hier war&#x2019;s, wo ich &#x2014;<lb/>
&#x2014; doch lebe wohl, du geliebte, du ko&#x017F;tbare In&#x017F;el, du<lb/><hi rendition="#fr">Paphos</hi> des Wei&#x017F;en, du Tempel <hi rendition="#fr">Galliens;</hi> leb wohl,<lb/>
du reitzende Gegend, wo ich meine geheim&#x017F;ten Empfin-<lb/>
dungen aufwallen, Liebe, Munterkeit, Zufriedenheit und<lb/>
&#x017F;chmachtende Sehn&#x017F;ucht nach nie geno&#x017F;&#x017F;enen Freuden un-<lb/>
tereinander laufen &#x017F;ah. &#x2014; An dich will ich oft zuru&#x0364;ck den-<lb/>
ken, du glu&#x0364;cklicher Tag, du Stunde der Wonne, die Gott<lb/>
mir gab, und die meine ganze Seele, wie die Blume<lb/>
den Regen, auffaßte. Die andre eben &#x017F;o herrliche Ge-<lb/>
gend i&#x017F;t</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">Le Jardin chinois.</hi> Sie liegt hinter dem Schlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e. Im Grunde i&#x017F;ts ein engli&#x017F;cher Garten, (<hi rendition="#aq">Les Ha-<lb/>
meaux</hi> nennen ihn hier die Leute,) in dem man alle Sce-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0406] Man kommt nicht mehr weg, wenn man einmahl drin iſt. Man ſetzt ſich nieder, man ſteht wieder auf, man ſieht ins Waſſer, man blickt zum Himmel auf, man ſeufzt, man weis nicht, was einem fehlt, man wird allen Menſchen gut, man fuͤhlt in allen Nerven, man ſegnet den Prinzen, man weis, daß man Menſch iſt. — Hier war’s, wo ich alle meine Freunde um mich herum ver- ſammelt wuͤnſchte. Hier war’s, wo ich die Freuden der Natur, das Gluͤck des Lebens auf Erden, die Vortheile einer Reiſe in ſchoͤne Laͤnder, und den Werth einer empfin- denden Seele von neuem fuͤhlte. Hier war’s, wo ich alle Schmerzen vergas, und alle Scenen meines Wal- lens auf Erden zuruͤckrief. Hier war’s, wo ich ſchwur, leiſe und laut ſchwur, ein dankbares, froͤliches, menſchen- freundliches Herz zu unterhalten, und den Gram, die fin- ſtere Schwermuth, nie in die Seele einſchleichen zu laſſen. Hier war’s, wo ich freudig ins Leben hinausblickte, und Muth und Vertrauen faßte. Hier war’s, wo ich — — doch lebe wohl, du geliebte, du koſtbare Inſel, du Paphos des Weiſen, du Tempel Galliens; leb wohl, du reitzende Gegend, wo ich meine geheimſten Empfin- dungen aufwallen, Liebe, Munterkeit, Zufriedenheit und ſchmachtende Sehnſucht nach nie genoſſenen Freuden un- tereinander laufen ſah. — An dich will ich oft zuruͤck den- ken, du gluͤcklicher Tag, du Stunde der Wonne, die Gott mir gab, und die meine ganze Seele, wie die Blume den Regen, auffaßte. Die andre eben ſo herrliche Ge- gend iſt Le Jardin chinois. Sie liegt hinter dem Schloſ- ſe. Im Grunde iſts ein engliſcher Garten, (Les Ha- meaux nennen ihn hier die Leute,) in dem man alle Sce- nen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/406
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/406>, abgerufen am 27.04.2024.