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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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gegen. Ohnstreitig ist dies einer der schönsten, grade-
sten, angenehmsten Kanäle. Man fängt darin, wie in
allen andern, sehr viele Aale. Die Leute halten sie in
Fischkörben am Ufer. In der Mitte des Wegs, der
Halfweg genannt, passirt man die grosse Schleuse,
und den wichtigen harlemer Damm, an dem ganz Hol-
land
hängt. Zu beiden Seiten liegt das grosse har-
lemer
Meer. Man wechselt da das Schiff, und fährt
von da, zwischen den alleranmuthigsten Landschaften durch
vollends bis Amsterdam. Das Wasser ist wie ein hel-
ler Spiegel, die Strasse, die neben dem Kanal hingeht,
ist beständig mit Chaisen und Kabriolets belebt. Auf
dem Kanal gehen Schiffe oft mit 80.-90. Personen be-
setzt, unaufhörlich auf und nieder, darneben weidet das
schönste Vieh im süssen Grase, von weitem steigt der dicke
blaue Rauch von den unzähligen Häusern in Amsterdam
auf. Das Leben, die tausendfache Geschästigkeit, die
Pracht, der Ueberfluß zeigt sich immer mehr, je mehr
man sich zwischen Gärten und Lusthäusern dieser wichtigen
Stadt nähert. Man sieht die Thürme und die Menge
der Gassen in einer unübersehlichen Breite hinauslaufen,
ganze Reihen von Windmühlen, die ihre lange Flügel
beständig unter einander herum wälzen, laufen auf beiden
Seiten der Stadt hinauf. Heute war ein ungemein hei-
trer Himmel, und ein herrlicher Tag. -- Was hätte
ich für ein unempfindliches Herz haben müssen, hätt' ich
nicht auch die stille Wonne, und das Glück, in diese Ge-
genden zu kommen, dankbar und froh geniessen wollen?
Eine der geldreichsten und merkwürdigsten Städte in Eu-
ropa
besuchen, Freunde erwarten, finden, hoffen dürfen,
Gelegenheiten zum Sehen, zum Lernen, zur Freude und
Heiterkeit zu haben, von da aus wieder dem Vaterland

näher

gegen. Ohnſtreitig iſt dies einer der ſchoͤnſten, grade-
ſten, angenehmſten Kanaͤle. Man faͤngt darin, wie in
allen andern, ſehr viele Aale. Die Leute halten ſie in
Fiſchkoͤrben am Ufer. In der Mitte des Wegs, der
Halfweg genannt, paſſirt man die groſſe Schleuſe,
und den wichtigen harlemer Damm, an dem ganz Hol-
land
haͤngt. Zu beiden Seiten liegt das groſſe har-
lemer
Meer. Man wechſelt da das Schiff, und faͤhrt
von da, zwiſchen den alleranmuthigſten Landſchaften durch
vollends bis Amſterdam. Das Waſſer iſt wie ein hel-
ler Spiegel, die Straſſe, die neben dem Kanal hingeht,
iſt beſtaͤndig mit Chaiſen und Kabriolets belebt. Auf
dem Kanal gehen Schiffe oft mit 80.-90. Perſonen be-
ſetzt, unaufhoͤrlich auf und nieder, darneben weidet das
ſchoͤnſte Vieh im ſuͤſſen Graſe, von weitem ſteigt der dicke
blaue Rauch von den unzaͤhligen Haͤuſern in Amſterdam
auf. Das Leben, die tauſendfache Geſchaͤſtigkeit, die
Pracht, der Ueberfluß zeigt ſich immer mehr, je mehr
man ſich zwiſchen Gaͤrten und Luſthaͤuſern dieſer wichtigen
Stadt naͤhert. Man ſieht die Thuͤrme und die Menge
der Gaſſen in einer unuͤberſehlichen Breite hinauslaufen,
ganze Reihen von Windmuͤhlen, die ihre lange Fluͤgel
beſtaͤndig unter einander herum waͤlzen, laufen auf beiden
Seiten der Stadt hinauf. Heute war ein ungemein hei-
trer Himmel, und ein herrlicher Tag. — Was haͤtte
ich fuͤr ein unempfindliches Herz haben muͤſſen, haͤtt’ ich
nicht auch die ſtille Wonne, und das Gluͤck, in dieſe Ge-
genden zu kommen, dankbar und froh genieſſen wollen?
Eine der geldreichſten und merkwuͤrdigſten Staͤdte in Eu-
ropa
beſuchen, Freunde erwarten, finden, hoffen duͤrfen,
Gelegenheiten zum Sehen, zum Lernen, zur Freude und
Heiterkeit zu haben, von da aus wieder dem Vaterland

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[543/0567] gegen. Ohnſtreitig iſt dies einer der ſchoͤnſten, grade- ſten, angenehmſten Kanaͤle. Man faͤngt darin, wie in allen andern, ſehr viele Aale. Die Leute halten ſie in Fiſchkoͤrben am Ufer. In der Mitte des Wegs, der Halfweg genannt, paſſirt man die groſſe Schleuſe, und den wichtigen harlemer Damm, an dem ganz Hol- land haͤngt. Zu beiden Seiten liegt das groſſe har- lemer Meer. Man wechſelt da das Schiff, und faͤhrt von da, zwiſchen den alleranmuthigſten Landſchaften durch vollends bis Amſterdam. Das Waſſer iſt wie ein hel- ler Spiegel, die Straſſe, die neben dem Kanal hingeht, iſt beſtaͤndig mit Chaiſen und Kabriolets belebt. Auf dem Kanal gehen Schiffe oft mit 80.-90. Perſonen be- ſetzt, unaufhoͤrlich auf und nieder, darneben weidet das ſchoͤnſte Vieh im ſuͤſſen Graſe, von weitem ſteigt der dicke blaue Rauch von den unzaͤhligen Haͤuſern in Amſterdam auf. Das Leben, die tauſendfache Geſchaͤſtigkeit, die Pracht, der Ueberfluß zeigt ſich immer mehr, je mehr man ſich zwiſchen Gaͤrten und Luſthaͤuſern dieſer wichtigen Stadt naͤhert. Man ſieht die Thuͤrme und die Menge der Gaſſen in einer unuͤberſehlichen Breite hinauslaufen, ganze Reihen von Windmuͤhlen, die ihre lange Fluͤgel beſtaͤndig unter einander herum waͤlzen, laufen auf beiden Seiten der Stadt hinauf. Heute war ein ungemein hei- trer Himmel, und ein herrlicher Tag. — Was haͤtte ich fuͤr ein unempfindliches Herz haben muͤſſen, haͤtt’ ich nicht auch die ſtille Wonne, und das Gluͤck, in dieſe Ge- genden zu kommen, dankbar und froh genieſſen wollen? Eine der geldreichſten und merkwuͤrdigſten Staͤdte in Eu- ropa beſuchen, Freunde erwarten, finden, hoffen duͤrfen, Gelegenheiten zum Sehen, zum Lernen, zur Freude und Heiterkeit zu haben, von da aus wieder dem Vaterland naͤher

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/567>, abgerufen am 29.04.2024.