beit, wie viele Barmherzigkeit, wie viele Verschonung und Geduld du selber, Beherrscher der Welt! an jeden Menschen wenden must.
So lang ich lebe, bleibt dies Herz unbeständig, träge, oft spür ich keine Liebe zum Guten, die Jnnig- keit, womit ich sonst in die Schöpfung blicke, verwandelt sich oft in kalte Gleichgültigkeit, die Werthschätzung des herrlichen Evangeliums verliert sich zuweilen in der Seele -- aber tröstlich ist die Hoffnung, daß mir auch diese Last, diese Quelle von so vielen niederschlagenden Empfindungen, wird abgenommen werden.
Paulus lebte, duldete, arbeitete, weinte, betete, fehlte, ermannte sich wieder, ward lange geübt, bis er sagen konnte: Jch habe nun genug gekämpft. Jch warte nun still und ruhig auf die Krone der Vergeltung.
Jst Nacht und Finsterniß um mich herum, so hol ich mir Freuden aus einer andern Welt, und genieße den Himmel, ehe ich wirklich aufgenommen werde.
Verherrlichter Erlöser! erscheine uns Schwachen in deiner Pracht, wenn uns in der Dämmerung dieses Le- bens Muth und Kraft sterben will. Herr! laß uns alle jenen feyerlichen Morgen der Auferstehung mit Freuden erblicken. Daß unser keiner zurückbleibe! Daß unser keiner im jauchzenden Getümmel deiner Erlösten, im Psalmengesang deiner Vollendeten dem Grabe fluche, das ihn wieder gebohren hat! Daß unser keiner vom Flammenseuer in deinen Augen verzehrt werde! Gewöhne uns früh an dich -- ach dies Leben ist nur wie ein Ne- bel, der, wenn die Morgensonne kommt, zerrinnt.
Menschen-
C 2
Unterredungen mit Gott.
beit, wie viele Barmherzigkeit, wie viele Verſchonung und Geduld du ſelber, Beherrſcher der Welt! an jeden Menſchen wenden muſt.
So lang ich lebe, bleibt dies Herz unbeſtändig, träge, oft ſpür ich keine Liebe zum Guten, die Jnnig- keit, womit ich ſonſt in die Schöpfung blicke, verwandelt ſich oft in kalte Gleichgültigkeit, die Werthſchätzung des herrlichen Evangeliums verliert ſich zuweilen in der Seele — aber tröſtlich iſt die Hoffnung, daß mir auch dieſe Laſt, dieſe Quelle von ſo vielen niederſchlagenden Empfindungen, wird abgenommen werden.
Paulus lebte, duldete, arbeitete, weinte, betete, fehlte, ermannte ſich wieder, ward lange geübt, bis er ſagen konnte: Jch habe nun genug gekämpft. Jch warte nun ſtill und ruhig auf die Krone der Vergeltung.
Jſt Nacht und Finſterniß um mich herum, ſo hol ich mir Freuden aus einer andern Welt, und genieße den Himmel, ehe ich wirklich aufgenommen werde.
Verherrlichter Erlöſer! erſcheine uns Schwachen in deiner Pracht, wenn uns in der Dämmerung dieſes Le- bens Muth und Kraft ſterben will. Herr! laß uns alle jenen feyerlichen Morgen der Auferſtehung mit Freuden erblicken. Daß unſer keiner zurückbleibe! Daß unſer keiner im jauchzenden Getümmel deiner Erlöſten, im Pſalmengeſang deiner Vollendeten dem Grabe fluche, das ihn wieder gebohren hat! Daß unſer keiner vom Flammenſeuer in deinen Augen verzehrt werde! Gewöhne uns früh an dich — ach dies Leben iſt nur wie ein Ne- bel, der, wenn die Morgenſonne kommt, zerrinnt.
Menſchen-
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Unterredungen mit Gott.
beit, wie viele Barmherzigkeit, wie viele Verſchonung
und Geduld du ſelber, Beherrſcher der Welt! an jeden
Menſchen wenden muſt.
So lang ich lebe, bleibt dies Herz unbeſtändig,
träge, oft ſpür ich keine Liebe zum Guten, die Jnnig-
keit, womit ich ſonſt in die Schöpfung blicke, verwandelt
ſich oft in kalte Gleichgültigkeit, die Werthſchätzung des
herrlichen Evangeliums verliert ſich zuweilen in der
Seele — aber tröſtlich iſt die Hoffnung, daß mir auch
dieſe Laſt, dieſe Quelle von ſo vielen niederſchlagenden
Empfindungen, wird abgenommen werden.
Paulus lebte, duldete, arbeitete, weinte, betete,
fehlte, ermannte ſich wieder, ward lange geübt, bis er
ſagen konnte: Jch habe nun genug gekämpft. Jch
warte nun ſtill und ruhig auf die Krone der Vergeltung.
Jſt Nacht und Finſterniß um mich herum, ſo hol
ich mir Freuden aus einer andern Welt, und genieße den
Himmel, ehe ich wirklich aufgenommen werde.
Verherrlichter Erlöſer! erſcheine uns Schwachen in
deiner Pracht, wenn uns in der Dämmerung dieſes Le-
bens Muth und Kraft ſterben will. Herr! laß uns alle
jenen feyerlichen Morgen der Auferſtehung mit Freuden
erblicken. Daß unſer keiner zurückbleibe! Daß unſer
keiner im jauchzenden Getümmel deiner Erlöſten, im
Pſalmengeſang deiner Vollendeten dem Grabe fluche,
das ihn wieder gebohren hat! Daß unſer keiner vom
Flammenſeuer in deinen Augen verzehrt werde! Gewöhne
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bel, der, wenn die Morgenſonne kommt, zerrinnt.
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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/41>, abgerufen am 16.06.2024.
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