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Sanders, Daniel: Brief an Martin Greif. Altstrelitz, August 1881.

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ich Ihr höfliches Stück gelesen - den leisen Zweifel, ob das an seiner
Stelle lokal so berechtigte Wiener "fesch" (S.118) auch dem Zeitton
ganz entsprechen dürfte. Ich glaube nämlich (vgl. mein Fremdwörterbuch
I S. 378a), daß der hier so glücklich gebrauchte Wiener Ausdruck
doch vielleicht erst einer etwas spätren Zeit als der des Stücks angehö[-]
ren dürfte; doch selbst wenn mich meine Gefühle hierin nicht irrt,
so haben Sie doch ganz Recht, da ich mir selbst sage, daß unter
Tausenden von Lesern und Hörern schwerlich einer außer mir die[-]
sen Zweifel empfinden wird, und so habe ich auch
den Sechsfüßler am Schluß von S. 53 wohl bemerkt, aber ohne
dass er mich im geringsten gestört hätte.

Doch ich muß abbrechen, um mich nicht in Einzelnes zu ver-
lieren. Ich sage also nur noch, daß Ihre Dramen mir
erst recht die bereits in Ihren Dram Gedichten anerkannte
Gestaltungskunst klar gemacht. Dies gilt auch von Ihrem
"Nero" und "Corfiz Ulfeldt" (dem "Faliero" will ich meine
nächste Mußestunde widmen). Daß Sie Ihre Dramen wie
Ihre Gedichte in meinem Ergänzungs-Wörterbuch benutzt
finden werden, brauche ich nicht erst besonders auszu[-]
sprechen, da es sich von selbst versteht eben so wie
mein herzlichster Dank für Ihre freundliche Zusendung[.]

Die Setzer des Ergänzungs-Wörterbuchs sitzen uns
so hart und unablässig auf den Fersen, dass

ich Ihr höfliches Stück gelesen - den leisen Zweifel, ob das an seiner
Stelle lokal so berechtigte Wiener „fesch“ (S.118) auch dem Zeitton
ganz entsprechen dürfte. Ich glaube nämlich (vgl. mein Fremdwörterbuch
I S. 378a), daß der hier so glücklich gebrauchte Wiener Ausdruck
doch vielleicht erst einer etwas spätren Zeit als der des Stücks angehö[-]
ren dürfte; doch selbst weñ mich meine Gefühle hierin nicht irrt,
so haben Sie doch ganz Recht, da ich mir selbst sage, daß unter
Tausenden von Lesern und Hörern schwerlich einer außer mir die[-]
sen Zweifel empfinden wird, und so habe ich auch
den Sechsfüßler am Schluß von S. 53 wohl bemerkt, aber ohne
daſs er mich im geringsten gestört hätte.

Doch ich muß abbrechen, um mich nicht in Einzelnes zu ver-
lieren. Ich sage also nur noch, daß Ihre Dramen mir
erst recht die bereits in Ihren Dram Gedichten anerkannte
Gestaltungskunst klar gemacht. Dies gilt auch von Ihrem
„Nero“ und „Corfiz Ulfeldt“ (dem „Faliero“ will ich meine
nächste Mußestunde widmen). Daß Sie Ihre Dramen wie
Ihre Gedichte in meinem Ergänzungs-Wörterbuch benutzt
finden werden, brauche ich nicht erst besonders auszu[-]
sprechen, da es sich von selbst versteht eben so wie
mein herzlichster Dank für Ihre freundliche Zusendung[.]

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so hart und unablässig auf den Fersen, daſs

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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Martin Greif. Altstrelitz, August 1881, S. [2r]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_greif_1881/2>, abgerufen am 29.04.2024.