Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Von den Versuchungen.
erhalte/ und in den angefangenen guten Wercken mit Frewden fortfahre:
solcher massen wird er ohne allen Zweiffel von den Versuchungen nicht allein
keinen Schaden/ sondern vielmehr einen Nutzen und Außkommen schöpf-
fen.

19. Nach Zeugnüß deß Heil. Chrysostomi erfordert daß Ambt einer hero-
ischen und Gott liebenden Seel/ daß sie die Widerwärtigkeiten gern trage:
daß aber einer mit einem Helden-Muth die Versuchung außstehe/ und sei-
nem GOTT noch dancke/ daß er selbige über ihn verhange; solches kan
anders nicht/ als auß einer sehr grossen Stärcke und Wachtsambkeit der
Seelen herkommen; so da alle andere menschliche Neigungen übertreffet:
derhalben ist es ein viel grössere Vollkommenheit/ wann der Mensch in den
Versuchungen nicht bittet/ daß ihn Gott darvon befreyen wolle; sondern daß
er ihm nöthige Kräfften ertheile/ mit dem Feind zu schlagen: dahero hatjeneVit. P. P.
l.
6.

gottseelige Abtissin/ so in die dreyzehen Jahr von dem Geist der Unkeuschheit
bestritten worden/ niemahlen begehrt dieses Kampffs entlediget zu werden;
sondern hat immer gebetten/ Gott möchte ihr nur Stärcke verleyhen. VonDoctrin.
13.

einem andern Geistlichen sagt der H. Dorotheus, daß er von der Versuchung
deß unreinen Geistes viel habe leiden müssen: dessen sich dann sein geistlicher
Vatter endlich erbarmet/ und gefragt; ob er dieses Streits durch das Gebett
der andern sich zu entschlagen verlange? deme er geantwortet: ich werd
zwarn übel geplagt/ und wie dir bewust ist/ durch die Versuchung scharff
hergenommen; ich spüre aber diesen Nutzen/ daß ich nemblich durchs Gebett
und durch die Abtödtungen mich zu meinem GOTT öffterer wende/ als
ich sonsten thuen würde: so bette du vielmehr/ mein Vatter/ daß ich durch
geziemende Gedult und Standhafftigkeit über diese Anfechtungen den un-
blütigen Sieg erhalte: über sothane Antwort hat sich der Alte höchlich er-
frewet/ und gesagt: nun siehe ich wohl/ mein Sohn/ daß du in den Tugen-
den nicht wenig zugenommen habest: sintemahlen der jenige/ so einem heff-
tigen und schädlichen Laster dapffer entgegen gehet/ bleibt demütig/ bleibt
sorgfältig/ und wachtsamb; und durch diesen Streit gelangt er allgemach
zur vollkommenen Reinigkeit deß Hertzens: darumb fragt recht der weise
Mann: Was weiß einer/ der nicht versucht ist: ein Mann/Eccli. c.
34. v.
9.

der grosse Erfahrnuß hat/ der wird viel Dings bedencken:
Und gleich wie die H. Cunegundis dem Kayser Henrico ihrem Ehe-Herrn
ihre Jungfrawschafft dadurch bewiesen/ daß sie über die glüende Kohlen un-
verletzt gegangen: also wird ein jede Seel/ wan sie über das Feuer der Versu-
chungen ohne schaden wandert/ gnugsam kundbar machen/ dz in keine irdische

Creatur
S s 2

Von den Verſuchungen.
erhalte/ und in den angefangenen guten Wercken mit Frewden fortfahre:
ſolcher maſſen wird er ohne allen Zweiffel von den Verſuchungen nicht allein
keinen Schaden/ ſondern vielmehr einen Nutzen und Außkommen ſchoͤpf-
fen.

19. Nach Zeugnuͤß deß Heil. Chryſoſtomi erfordert daß Ambt einer hero-
iſchen und Gott liebenden Seel/ daß ſie die Widerwaͤrtigkeiten gern trage:
daß aber einer mit einem Helden-Muth die Verſuchung außſtehe/ und ſei-
nem GOTT noch dancke/ daß er ſelbige uͤber ihn verhange; ſolches kan
anders nicht/ als auß einer ſehr groſſen Staͤrcke und Wachtſambkeit der
Seelen herkommen; ſo da alle andere menſchliche Neigungen uͤbertreffet:
derhalben iſt es ein viel groͤſſere Vollkommenheit/ wann der Menſch in den
Verſuchungen nicht bittet/ daß ihn Gott darvon befreyen wolle; ſondern daß
er ihm noͤthige Kraͤfften ertheile/ mit dem Feind zu ſchlagen: dahero hatjeneVit. P. P.
l.
6.

gottſeelige Abtiſſin/ ſo in die dreyzehen Jahr von dem Geiſt der Unkeuſchheit
beſtritten worden/ niemahlen begehrt dieſes Kampffs entlediget zu werden;
ſondern hat immer gebetten/ Gott moͤchte ihr nur Staͤrcke verleyhen. VonDoctrin.
13.

einem andern Geiſtlichen ſagt der H. Dorotheus, daß er von der Verſuchung
deß unreinen Geiſtes viel habe leiden muͤſſen: deſſen ſich dann ſein geiſtlicher
Vatter endlich erbarmet/ und gefragt; ob er dieſes Streits durch das Gebett
der andern ſich zu entſchlagen verlange? deme er geantwortet: ich werd
zwarn uͤbel geplagt/ und wie dir bewuſt iſt/ durch die Verſuchung ſcharff
hergenommen; ich ſpuͤre aber dieſen Nutzen/ daß ich nemblich durchs Gebett
und durch die Abtoͤdtungen mich zu meinem GOTT oͤffterer wende/ als
ich ſonſten thuen wuͤrde: ſo bette du vielmehr/ mein Vatter/ daß ich durch
geziemende Gedult und Standhafftigkeit uͤber dieſe Anfechtungen den un-
bluͤtigen Sieg erhalte: uͤber ſothane Antwort hat ſich der Alte hoͤchlich er-
frewet/ und geſagt: nun ſiehe ich wohl/ mein Sohn/ daß du in den Tugen-
den nicht wenig zugenommen habeſt: ſintemahlen der jenige/ ſo einem heff-
tigen und ſchaͤdlichen Laſter dapffer entgegen gehet/ bleibt demuͤtig/ bleibt
ſorgfaͤltig/ und wachtſamb; und durch dieſen Streit gelangt er allgemach
zur vollkommenen Reinigkeit deß Hertzens: darumb fragt recht der weiſe
Mann: Was weiß einer/ der nicht verſucht iſt: ein Mann/Eccli. c.
34. v.
9.

der groſſe Erfahrnuß hat/ der wird viel Dings bedencken:
Und gleich wie die H. Cunegundis dem Kayſer Henrico ihrem Ehe-Herrn
ihre Jungfrawſchafft dadurch bewieſen/ daß ſie uͤber die gluͤende Kohlen un-
verletzt gegangen: alſo wird ein jede Seel/ wan ſie uͤber das Feuer der Verſu-
chungen ohne ſchaden wandert/ gnugſam kundbar machen/ dz in keine irdiſche

Creatur
S ſ 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0351" n="323"/><fw place="top" type="header">Von den Ver&#x017F;uchungen.</fw><lb/>
erhalte/ und in den angefangenen guten Wercken mit Frewden fortfahre:<lb/>
&#x017F;olcher ma&#x017F;&#x017F;en wird er ohne allen Zweiffel von den Ver&#x017F;uchungen nicht allein<lb/>
keinen Schaden/ &#x017F;ondern vielmehr einen Nutzen und Außkommen &#x017F;cho&#x0364;pf-<lb/>
fen.</p><lb/>
          <p>19. Nach Zeugnu&#x0364;ß deß Heil. Chry&#x017F;o&#x017F;tomi erfordert daß Ambt einer hero-<lb/>
i&#x017F;chen und Gott liebenden Seel/ daß &#x017F;ie die Widerwa&#x0364;rtigkeiten gern trage:<lb/>
daß aber einer mit einem Helden-Muth die Ver&#x017F;uchung auß&#x017F;tehe/ und &#x017F;ei-<lb/>
nem GOTT noch dancke/ daß er &#x017F;elbige u&#x0364;ber ihn verhange; &#x017F;olches kan<lb/>
anders nicht/ als auß einer &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;en Sta&#x0364;rcke und Wacht&#x017F;ambkeit der<lb/>
Seelen herkommen; &#x017F;o da alle andere men&#x017F;chliche Neigungen u&#x0364;bertreffet:<lb/>
derhalben i&#x017F;t es ein viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Vollkommenheit/ wann der Men&#x017F;ch in den<lb/>
Ver&#x017F;uchungen nicht bittet/ daß ihn Gott darvon befreyen wolle; &#x017F;ondern daß<lb/>
er ihm no&#x0364;thige Kra&#x0364;fften ertheile/ mit dem Feind zu &#x017F;chlagen: dahero hatjene<note place="right"><hi rendition="#aq">Vit. P. P.<lb/>
l.</hi> 6.</note><lb/>
gott&#x017F;eelige Abti&#x017F;&#x017F;in/ &#x017F;o in die dreyzehen Jahr von dem Gei&#x017F;t der Unkeu&#x017F;chheit<lb/>
be&#x017F;tritten worden/ niemahlen begehrt die&#x017F;es Kampffs entlediget zu werden;<lb/>
&#x017F;ondern hat immer gebetten/ Gott mo&#x0364;chte ihr nur Sta&#x0364;rcke verleyhen. Von<note place="right"><hi rendition="#aq">Doctrin.</hi><lb/>
13.</note><lb/>
einem andern Gei&#x017F;tlichen &#x017F;agt der H. <hi rendition="#aq">Dorotheus,</hi> daß er von der <hi rendition="#fr">V</hi>er&#x017F;uchung<lb/>
deß unreinen Gei&#x017F;tes viel habe leiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich dann &#x017F;ein gei&#x017F;tlicher<lb/><hi rendition="#fr">V</hi>atter endlich erbarmet/ und gefragt; ob er die&#x017F;es Streits durch das Gebett<lb/>
der andern &#x017F;ich zu ent&#x017F;chlagen verlange? deme er geantwortet: ich werd<lb/>
zwarn u&#x0364;bel geplagt/ und wie dir bewu&#x017F;t i&#x017F;t/ durch die <hi rendition="#fr">V</hi>er&#x017F;uchung &#x017F;charff<lb/>
hergenommen; ich &#x017F;pu&#x0364;re aber die&#x017F;en Nutzen/ daß ich nemblich durchs Gebett<lb/>
und durch die Abto&#x0364;dtungen mich zu meinem <hi rendition="#g">GOTT</hi> o&#x0364;ffterer wende/ als<lb/>
ich &#x017F;on&#x017F;ten thuen wu&#x0364;rde: &#x017F;o bette du vielmehr/ mein Vatter/ daß ich durch<lb/>
geziemende Gedult und Standhafftigkeit u&#x0364;ber die&#x017F;e Anfechtungen den un-<lb/>
blu&#x0364;tigen Sieg erhalte: u&#x0364;ber &#x017F;othane Antwort hat &#x017F;ich der Alte ho&#x0364;chlich er-<lb/>
frewet/ und ge&#x017F;agt: nun &#x017F;iehe ich wohl/ mein Sohn/ daß du in den Tugen-<lb/>
den nicht wenig zugenommen habe&#x017F;t: &#x017F;intemahlen der jenige/ &#x017F;o einem heff-<lb/>
tigen und &#x017F;cha&#x0364;dlichen La&#x017F;ter dapffer entgegen gehet/ bleibt demu&#x0364;tig/ bleibt<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltig/ und wacht&#x017F;amb; und durch die&#x017F;en Streit gelangt er allgemach<lb/>
zur vollkommenen Reinigkeit deß Hertzens: darumb fragt recht der wei&#x017F;e<lb/>
Mann: <hi rendition="#fr">Was weiß einer/ der nicht ver&#x017F;ucht i&#x017F;t: ein Mann/</hi><note place="right"><hi rendition="#aq">Eccli. c.<lb/>
34. v.</hi> 9.</note><lb/><hi rendition="#fr">der gro&#x017F;&#x017F;e Erfahrnuß hat/ der wird viel Dings bedencken:</hi><lb/>
Und gleich wie die H. <hi rendition="#aq">Cunegundis</hi> dem Kay&#x017F;er <hi rendition="#aq">Henrico</hi> ihrem Ehe-Herrn<lb/>
ihre Jungfraw&#x017F;chafft dadurch bewie&#x017F;en/ daß &#x017F;ie u&#x0364;ber die glu&#x0364;ende Kohlen un-<lb/>
verletzt gegangen: al&#x017F;o wird ein jede Seel/ wan &#x017F;ie u&#x0364;ber das Feuer der Ver&#x017F;u-<lb/>
chungen ohne &#x017F;chaden wandert/ gnug&#x017F;am kundbar machen/ dz in keine irdi&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S &#x017F; 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Creatur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0351] Von den Verſuchungen. erhalte/ und in den angefangenen guten Wercken mit Frewden fortfahre: ſolcher maſſen wird er ohne allen Zweiffel von den Verſuchungen nicht allein keinen Schaden/ ſondern vielmehr einen Nutzen und Außkommen ſchoͤpf- fen. 19. Nach Zeugnuͤß deß Heil. Chryſoſtomi erfordert daß Ambt einer hero- iſchen und Gott liebenden Seel/ daß ſie die Widerwaͤrtigkeiten gern trage: daß aber einer mit einem Helden-Muth die Verſuchung außſtehe/ und ſei- nem GOTT noch dancke/ daß er ſelbige uͤber ihn verhange; ſolches kan anders nicht/ als auß einer ſehr groſſen Staͤrcke und Wachtſambkeit der Seelen herkommen; ſo da alle andere menſchliche Neigungen uͤbertreffet: derhalben iſt es ein viel groͤſſere Vollkommenheit/ wann der Menſch in den Verſuchungen nicht bittet/ daß ihn Gott darvon befreyen wolle; ſondern daß er ihm noͤthige Kraͤfften ertheile/ mit dem Feind zu ſchlagen: dahero hatjene gottſeelige Abtiſſin/ ſo in die dreyzehen Jahr von dem Geiſt der Unkeuſchheit beſtritten worden/ niemahlen begehrt dieſes Kampffs entlediget zu werden; ſondern hat immer gebetten/ Gott moͤchte ihr nur Staͤrcke verleyhen. Von einem andern Geiſtlichen ſagt der H. Dorotheus, daß er von der Verſuchung deß unreinen Geiſtes viel habe leiden muͤſſen: deſſen ſich dann ſein geiſtlicher Vatter endlich erbarmet/ und gefragt; ob er dieſes Streits durch das Gebett der andern ſich zu entſchlagen verlange? deme er geantwortet: ich werd zwarn uͤbel geplagt/ und wie dir bewuſt iſt/ durch die Verſuchung ſcharff hergenommen; ich ſpuͤre aber dieſen Nutzen/ daß ich nemblich durchs Gebett und durch die Abtoͤdtungen mich zu meinem GOTT oͤffterer wende/ als ich ſonſten thuen wuͤrde: ſo bette du vielmehr/ mein Vatter/ daß ich durch geziemende Gedult und Standhafftigkeit uͤber dieſe Anfechtungen den un- bluͤtigen Sieg erhalte: uͤber ſothane Antwort hat ſich der Alte hoͤchlich er- frewet/ und geſagt: nun ſiehe ich wohl/ mein Sohn/ daß du in den Tugen- den nicht wenig zugenommen habeſt: ſintemahlen der jenige/ ſo einem heff- tigen und ſchaͤdlichen Laſter dapffer entgegen gehet/ bleibt demuͤtig/ bleibt ſorgfaͤltig/ und wachtſamb; und durch dieſen Streit gelangt er allgemach zur vollkommenen Reinigkeit deß Hertzens: darumb fragt recht der weiſe Mann: Was weiß einer/ der nicht verſucht iſt: ein Mann/ der groſſe Erfahrnuß hat/ der wird viel Dings bedencken: Und gleich wie die H. Cunegundis dem Kayſer Henrico ihrem Ehe-Herrn ihre Jungfrawſchafft dadurch bewieſen/ daß ſie uͤber die gluͤende Kohlen un- verletzt gegangen: alſo wird ein jede Seel/ wan ſie uͤber das Feuer der Verſu- chungen ohne ſchaden wandert/ gnugſam kundbar machen/ dz in keine irdiſche Creatur Vit. P. P. l. 6. Doctrin. 13. Eccli. c. 34. v. 9. S ſ 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/351
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/351>, abgerufen am 02.05.2024.