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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Ein und Dreyssigste Geistliche Lection
2. 2. qu.
185. a. 5. ad

2.
Also redet St Thomas allwo/ ob er gleich bejahet/ daß ein Geistlicher nit ge-
halten seye/ vollkommen zu seyu/ so sagt er doch/ daß er gehalten seye/ nach der
Vollkommenheit zu trachten/ und darzu werde er wegen seines Stands/ den
er führet/ verbunden/ anderst wäre er kein wahrer Geistlicher/ sondern ein Lüg-
ner und Heuchler/ der eusserlich die Profession der Volikommenheit auß sei-
nem Stand zeiget/ da er doch dieselbige inwendig nicht habe/ dann die Lü-
gen/ wie er sie da bringt/ bestehen nicht allein in falschen Worten/ sondern in
In Ar-
gum. 2.
ex. Am-
bros.
verstellten Wercken: deßwegen in der Antwort auff diesen Beweißtumb/ be-
schliesset er mit diesen Worten; daher begehet einer keine Sünde oder Heuch-
ley darumb/ daß einer nicht vollkommen ist/ welcher den Stand der Vollkom-
menheit annimb/ sondern darumb/ weil er sein Gemüt von der Vollkommen-
heit abziehet. So viel der H. Lehrer. Welche Wort Cajetan[u]s außlegend
mercket/ daß man auff zweyerley Weiß von der Vollkommenheit abweiche/
darzu man gehalten ist. Auff eine Weiß der Wercken nach/ weilen
man nemblich die jenige Wercke der Vollkommenheit nicht werckstellig ma-
chet/ welche man solle/ und von einem solchen sagt er/ daß er nicht ein Heuchler
oder ein Lügner wäre. Auff eine andere Weiß der Meinung nach
weilen er die Meinung der Vollkommenheit nachzufolgen ablegt/ und von
dieser andern Weiß sagt er/ scheinet der Heil. Doctor geredet zu haben/
daß der jenige/ welcher ein solche Meinung ablegt/ im Stand einer Todtsünd
seye/ als ein Lügner und Heuchler mit der That.

11. Daher solte der jenige Geistliche sehr übel reden/ der also sagte: Diese
Sachen verbinden mich zu keiner Schuld/ deßwegen bin
ich nicht sorgfältig sie in acht zunehmen:
Dann dieser wäre im
Stand einer Todtsünde/ weil er die Vollkommenheit verachtet: dann ein sol-
che Art zu reden zeigt an/ daß ein solcher Geistlicher inwendig die Meinung
dieselbe Sachen in acht zunehmen abgelegt habe/ und folglich auch die Mei-
nungzuzunehmen/ und dardurch ist er nun einer Todtsünde verbunden. Dan
wie Cajetanus in acht nimbt: das Gemüth umb zuzun[e]hmen wird probirt/
wann einer gesinnt ist zu leben nach seinen Reguln und Constitutionen, dar-
innen nicht allein die Gebotte und Gelübde enthalten werden/ sondern auch
das übrige/ so zur Vollkommenheit führet/ dar zu ein jeder so den Orden pro-
fiti
rt auß dem Stand/ so er freywillig angenommen/ verbunden wird: wer a-
ber gesagt hat/ er achte nicht zu halten daß jenige/ welches unter einer Schuld
nicht verbindet/ der wird überzeugt/ daß er das Gemüth nach den Re-
guln und Constutionen zu leben/ abgelegt hätte/ darinn dieß vorgeschrie-
ben wird: daher setzet gedachter Cajetanus daselbst zu diese außtrückliche
Wort: Vnd daher mögen sich die Geistliche gar huten/ daß

sie

Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
2. 2. qu.
185. a. 5. ad

2.
Alſo redet St Thomas allwo/ ob er gleich bejahet/ daß ein Geiſtlicher nit ge-
halten ſeye/ vollkommen zu ſeyu/ ſo ſagt er doch/ daß er gehalten ſeye/ nach der
Vollkommenheit zu trachten/ und darzu werde er wegen ſeines Stands/ den
er fuͤhret/ verbunden/ anderſt waͤre er kein wahrer Geiſtlicher/ ſondern ein Luͤg-
ner und Heuchler/ der euſſerlich die Profeſſion der Volikommenheit auß ſei-
nem Stand zeiget/ da er doch dieſelbige inwendig nicht habe/ dann die Luͤ-
gen/ wie er ſie da bringt/ beſtehen nicht allein in falſchen Worten/ ſondern in
In Ar-
gum. 2.
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broſ.
verſtellten Wercken: deßwegen in der Antwort auff dieſen Beweißtumb/ be-
ſchlieſſet er mit dieſen Worten; daher begehet einer keine Suͤnde oder Heuch-
ley darumb/ daß einer nicht vollkommen iſt/ welcher den Stand der Vollkom-
menheit annimb/ ſondern darumb/ weil er ſein Gemuͤt von der Vollkommen-
heit abziehet. So viel der H. Lehrer. Welche Wort Cajetan[u]s außlegend
mercket/ daß man auff zweyerley Weiß von der Vollkommenheit abweiche/
darzu man gehalten iſt. Auff eine Weiß der Wercken nach/ weilen
man nemblich die jenige Wercke der Vollkommenheit nicht werckſtellig ma-
chet/ welche man ſolle/ und von einem ſolchen ſagt er/ daß er nicht ein Heuchler
oder ein Luͤgner waͤre. Auff eine andere Weiß der Meinung nach
weilen er die Meinung der Vollkommenheit nachzufolgen ablegt/ und von
dieſer andern Weiß ſagt er/ ſcheinet der Heil. Doctor geredet zu haben/
daß der jenige/ welcher ein ſolche Meinung ablegt/ im Stand einer Todtſuͤnd
ſeye/ als ein Luͤgner und Heuchler mit der That.

11. Daher ſolte der jenige Geiſtliche ſehr uͤbel reden/ der alſo ſagte: Dieſe
Sachen verbinden mich zu keiner Schuld/ deßwegen bin
ich nicht ſorgfaͤltig ſie in acht zunehmen:
Dann dieſer waͤre im
Stand einer Todtſuͤnde/ weil er die Vollkommenheit verachtet: dann ein ſol-
che Art zu reden zeigt an/ daß ein ſolcher Geiſtlicher inwendig die Meinung
dieſelbe Sachen in acht zunehmen abgelegt habe/ und folglich auch die Mei-
nungzuzunehmen/ und dardurch iſt er nun einer Todtſuͤnde verbunden. Dan
wie Cajetanus in acht nimbt: das Gemuͤth umb zuzun[e]hmen wird probirt/
wann einer geſinnt iſt zu leben nach ſeinen Reguln und Conſtitutionen, dar-
innen nicht allein die Gebotte und Geluͤbde enthalten werden/ ſondern auch
das uͤbrige/ ſo zur Vollkommenheit fuͤhret/ dar zu ein jeder ſo den Orden pro-
fiti
rt auß dem Stand/ ſo er freywillig angenommen/ verbunden wird: wer a-
ber geſagt hat/ er achte nicht zu halten daß jenige/ welches unter einer Schuld
nicht verbindet/ der wird uͤberzeugt/ daß er das Gemuͤth nach den Re-
guln und Conſtutionen zu leben/ abgelegt haͤtte/ darinn dieß vorgeſchrie-
ben wird: daher ſetzet gedachter Cajetanus daſelbſt zu dieſe außtruͤckliche
Wort: Vnd daher moͤgen ſich die Geiſtliche gar hůten/ daß

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[388/0416] Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection Alſo redet St Thomas allwo/ ob er gleich bejahet/ daß ein Geiſtlicher nit ge- halten ſeye/ vollkommen zu ſeyu/ ſo ſagt er doch/ daß er gehalten ſeye/ nach der Vollkommenheit zu trachten/ und darzu werde er wegen ſeines Stands/ den er fuͤhret/ verbunden/ anderſt waͤre er kein wahrer Geiſtlicher/ ſondern ein Luͤg- ner und Heuchler/ der euſſerlich die Profeſſion der Volikommenheit auß ſei- nem Stand zeiget/ da er doch dieſelbige inwendig nicht habe/ dann die Luͤ- gen/ wie er ſie da bringt/ beſtehen nicht allein in falſchen Worten/ ſondern in verſtellten Wercken: deßwegen in der Antwort auff dieſen Beweißtumb/ be- ſchlieſſet er mit dieſen Worten; daher begehet einer keine Suͤnde oder Heuch- ley darumb/ daß einer nicht vollkommen iſt/ welcher den Stand der Vollkom- menheit annimb/ ſondern darumb/ weil er ſein Gemuͤt von der Vollkommen- heit abziehet. So viel der H. Lehrer. Welche Wort Cajetanus außlegend mercket/ daß man auff zweyerley Weiß von der Vollkommenheit abweiche/ darzu man gehalten iſt. Auff eine Weiß der Wercken nach/ weilen man nemblich die jenige Wercke der Vollkommenheit nicht werckſtellig ma- chet/ welche man ſolle/ und von einem ſolchen ſagt er/ daß er nicht ein Heuchler oder ein Luͤgner waͤre. Auff eine andere Weiß der Meinung nach weilen er die Meinung der Vollkommenheit nachzufolgen ablegt/ und von dieſer andern Weiß ſagt er/ ſcheinet der Heil. Doctor geredet zu haben/ daß der jenige/ welcher ein ſolche Meinung ablegt/ im Stand einer Todtſuͤnd ſeye/ als ein Luͤgner und Heuchler mit der That. 2. 2. qu. 185. a. 5. ad 2. In Ar- gum. 2. ex. Am- broſ. 11. Daher ſolte der jenige Geiſtliche ſehr uͤbel reden/ der alſo ſagte: Dieſe Sachen verbinden mich zu keiner Schuld/ deßwegen bin ich nicht ſorgfaͤltig ſie in acht zunehmen: Dann dieſer waͤre im Stand einer Todtſuͤnde/ weil er die Vollkommenheit verachtet: dann ein ſol- che Art zu reden zeigt an/ daß ein ſolcher Geiſtlicher inwendig die Meinung dieſelbe Sachen in acht zunehmen abgelegt habe/ und folglich auch die Mei- nungzuzunehmen/ und dardurch iſt er nun einer Todtſuͤnde verbunden. Dan wie Cajetanus in acht nimbt: das Gemuͤth umb zuzunehmen wird probirt/ wann einer geſinnt iſt zu leben nach ſeinen Reguln und Conſtitutionen, dar- innen nicht allein die Gebotte und Geluͤbde enthalten werden/ ſondern auch das uͤbrige/ ſo zur Vollkommenheit fuͤhret/ dar zu ein jeder ſo den Orden pro- fitirt auß dem Stand/ ſo er freywillig angenommen/ verbunden wird: wer a- ber geſagt hat/ er achte nicht zu halten daß jenige/ welches unter einer Schuld nicht verbindet/ der wird uͤberzeugt/ daß er das Gemuͤth nach den Re- guln und Conſtutionen zu leben/ abgelegt haͤtte/ darinn dieß vorgeſchrie- ben wird: daher ſetzet gedachter Cajetanus daſelbſt zu dieſe außtruͤckliche Wort: Vnd daher moͤgen ſich die Geiſtliche gar hůten/ daß ſie

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/416>, abgerufen am 01.11.2024.