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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Vier und Dreyssigste Geistliche Lection
gebrochen dan wan ihn die Lust zu einer schleckerhafftigen Speisen antribe/ hat er
befohlen/ daß sie gar wol zubereitet werde/ und nachdem er sie zum Mund und
zur Nasen gehalten/ und allein den Geruch zugelassen/ hat er gesagt: O Ge-
schmack! O Geschmack! wie solte dir diese Speiß nun so süß und annehmblich
schmecken! Aber/ wehe dir! du wirst [mi]mmer davon kosten; und hat sie also unau-
gerühret wieder zum Keller geschickt. Die selige Ozanna aber/ auß deß H. Do-
miniei Orden/ hat in ihrem hefftigsten Durst/ mit welchem sie sich selbst alle-
zeit plagete/ den Becher mit kaltem Wasser genommen/ und also darvon
das Maul erfüllend/ geredt sich selbst an und gesagt: Ozanna was soltestu dir
für eine Ergötzung erwecken/ wann du diesen Becher mit Wasser außtrin-
cketest/ oder nur das/ was du im Mund hast/ verschlucketest! darnach hat
sie das genommene Wasser wieder auff die Erden außgeworffen. Diesem
ist nicht ungleich was man im Leben der H. H. Vätter leset von einem Münch/
welcher im grösten Durst für seine Augen einen Krug mit reinem Wasser 40.
Tage hienge/ und nicht getruncken/ als er darüber gefragt wurde/ hat er ge-
antwortet: deßwegen thue ich das/ damit ich von dem grossen Verlangen/
dem ich nicht genug thue/ eine grössere Kron empfange.

15. Uber das können wir den Geschmack abtödten/ wann wir unter dem
Essen mit einem langen und langsamen Keuen den Kiefen müd machen/ dann
dadurch/ ausser dem daß die Wollust deß Schlunds etwas gehemmet wird/
dienen wir deß Leibs und der Seelen Gesundheit. Oder wann wir kein
Gewürtz mehr darzu thun/ über das/ welches der Koch darzu gethan/ ob
gleich durch dessen Unachtsamkeit der Speise Saltz/ Oehl/ Essig oder Pfef-
fer zu mangeln scheinet. Wie S. Thomas Sanchez gethan/ welcher nie-
mals seinen Speisen dergleichen zugethan/ ob sie gleich ungeschmack gewe-
sen. Es ist endlich eine andere Art der Abtödtung/ denen besten Speisen
bißweilen Wermuth oder dergleichen beymischen/ dardurch der gute Ge-
schmack benommen wird. Also hat es unser H. Joannes a Guillelmo ge-
than/ welcher allezeit bey sich ein Büchslein mit Wermuth/ Rauten/ S.
Maria-
Kraut/ Mutter-Kraut/ und anderer bittern Kräuter-Pulver gefüllet
getragen/ damit er den Brey und andere zugerichtete Speisen im Refectorio
oder ausser dem Kloster bestreuete. Dieses aber muß man also nachfolgen/
damit die Gesundheit keinen Abbruch leyde; dann die Bescheidenheit ist der
Tugenden Mutter. Es könten hier mehr andere Würckungen der Abtöd-
tungen beygesetzt werden/ welche zur gegenwärtigen Materi dieneten/ die-
weil doch auß diesen/ was bißhero gesagt worden/ andere Dinge leichtlich

zu

Die Vier und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
gebrochẽ dã wan ihn die Luſt zu einer ſchleckerhafftigẽ Speiſen antribe/ hat er
befohlen/ daß ſie gar wol zubereitet werde/ und nachdem er ſie zum Mund und
zur Naſen gehalten/ und allein den Geruch zugelaſſen/ hat er geſagt: O Ge-
ſchmack! O Geſchmack! wie ſolte dir dieſe Speiß nun ſo ſuͤß und annehmblich
ſchmecken! Aber/ wehe dir! du wirſt [mi]m̃er davon koſten; und hat ſie alſo unau-
geruͤhret wieder zum Keller geſchickt. Die ſelige Ozanna aber/ auß deß H. Do-
miniei Orden/ hat in ihrem hefftigſten Durſt/ mit welchem ſie ſich ſelbſt alle-
zeit plagete/ den Becher mit kaltem Waſſer genommen/ und alſo darvon
das Maul erfuͤllend/ geredt ſich ſelbſt an und geſagt: Ozanna was ſolteſtu dir
fuͤr eine Ergoͤtzung erwecken/ wann du dieſen Becher mit Waſſer außtrin-
cketeſt/ oder nur das/ was du im Mund haſt/ verſchlucketeſt! darnach hat
ſie das genommene Waſſer wieder auff die Erden außgeworffen. Dieſem
iſt nicht ungleich was man im Leben der H. H. Vaͤtter leſet von einem Muͤnch/
welcher im groͤſten Durſt fuͤr ſeine Augen einen Krug mit reinem Waſſer 40.
Tage hienge/ und nicht getruncken/ als er daruͤber gefragt wurde/ hat er ge-
antwortet: deßwegen thue ich das/ damit ich von dem groſſen Verlangen/
dem ich nicht genug thue/ eine groͤſſere Kron empfange.

15. Uber das koͤnnen wir den Geſchmack abtoͤdten/ wann wir unter dem
Eſſen mit einem langen und langſamen Keuen den Kiefen muͤd machen/ dann
dadurch/ auſſer dem daß die Wolluſt deß Schlunds etwas gehemmet wird/
dienen wir deß Leibs und der Seelen Geſundheit. Oder wann wir kein
Gewuͤrtz mehr darzu thun/ uͤber das/ welches der Koch darzu gethan/ ob
gleich durch deſſen Unachtſamkeit der Speiſe Saltz/ Oehl/ Eſſig oder Pfef-
fer zu mangeln ſcheinet. Wie S. Thomas Sanchez gethan/ welcher nie-
mals ſeinen Speiſen dergleichen zugethan/ ob ſie gleich ungeſchmack gewe-
ſen. Es iſt endlich eine andere Art der Abtoͤdtung/ denen beſten Speiſen
bißweilen Wermuth oder dergleichen beymiſchen/ dardurch der gute Ge-
ſchmack benommen wird. Alſo hat es unſer H. Joannes à Guillelmo ge-
than/ welcher allezeit bey ſich ein Buͤchslein mit Wermuth/ Rauten/ S.
Maria-
Kraut/ Mutter-Kraut/ und anderer bittern Kraͤuter-Pulver gefuͤllet
getragen/ damit er den Brey und andere zugerichtete Speiſen im Refectorio
oder auſſer dem Kloſter beſtreuete. Dieſes aber muß man alſo nachfolgen/
damit die Geſundheit keinen Abbruch leyde; dann die Beſcheidenheit iſt der
Tugenden Mutter. Es koͤnten hier mehr andere Wuͤrckungen der Abtoͤd-
tungen beygeſetzt werden/ welche zur gegenwaͤrtigen Materi dieneten/ die-
weil doch auß dieſen/ was bißhero geſagt worden/ andere Dinge leichtlich

zu
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[424/0452] Die Vier und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection gebrochẽ dã wan ihn die Luſt zu einer ſchleckerhafftigẽ Speiſen antribe/ hat er befohlen/ daß ſie gar wol zubereitet werde/ und nachdem er ſie zum Mund und zur Naſen gehalten/ und allein den Geruch zugelaſſen/ hat er geſagt: O Ge- ſchmack! O Geſchmack! wie ſolte dir dieſe Speiß nun ſo ſuͤß und annehmblich ſchmecken! Aber/ wehe dir! du wirſt mim̃er davon koſten; und hat ſie alſo unau- geruͤhret wieder zum Keller geſchickt. Die ſelige Ozanna aber/ auß deß H. Do- miniei Orden/ hat in ihrem hefftigſten Durſt/ mit welchem ſie ſich ſelbſt alle- zeit plagete/ den Becher mit kaltem Waſſer genommen/ und alſo darvon das Maul erfuͤllend/ geredt ſich ſelbſt an und geſagt: Ozanna was ſolteſtu dir fuͤr eine Ergoͤtzung erwecken/ wann du dieſen Becher mit Waſſer außtrin- cketeſt/ oder nur das/ was du im Mund haſt/ verſchlucketeſt! darnach hat ſie das genommene Waſſer wieder auff die Erden außgeworffen. Dieſem iſt nicht ungleich was man im Leben der H. H. Vaͤtter leſet von einem Muͤnch/ welcher im groͤſten Durſt fuͤr ſeine Augen einen Krug mit reinem Waſſer 40. Tage hienge/ und nicht getruncken/ als er daruͤber gefragt wurde/ hat er ge- antwortet: deßwegen thue ich das/ damit ich von dem groſſen Verlangen/ dem ich nicht genug thue/ eine groͤſſere Kron empfange. 15. Uber das koͤnnen wir den Geſchmack abtoͤdten/ wann wir unter dem Eſſen mit einem langen und langſamen Keuen den Kiefen muͤd machen/ dann dadurch/ auſſer dem daß die Wolluſt deß Schlunds etwas gehemmet wird/ dienen wir deß Leibs und der Seelen Geſundheit. Oder wann wir kein Gewuͤrtz mehr darzu thun/ uͤber das/ welches der Koch darzu gethan/ ob gleich durch deſſen Unachtſamkeit der Speiſe Saltz/ Oehl/ Eſſig oder Pfef- fer zu mangeln ſcheinet. Wie S. Thomas Sanchez gethan/ welcher nie- mals ſeinen Speiſen dergleichen zugethan/ ob ſie gleich ungeſchmack gewe- ſen. Es iſt endlich eine andere Art der Abtoͤdtung/ denen beſten Speiſen bißweilen Wermuth oder dergleichen beymiſchen/ dardurch der gute Ge- ſchmack benommen wird. Alſo hat es unſer H. Joannes à Guillelmo ge- than/ welcher allezeit bey ſich ein Buͤchslein mit Wermuth/ Rauten/ S. Maria-Kraut/ Mutter-Kraut/ und anderer bittern Kraͤuter-Pulver gefuͤllet getragen/ damit er den Brey und andere zugerichtete Speiſen im Refectorio oder auſſer dem Kloſter beſtreuete. Dieſes aber muß man alſo nachfolgen/ damit die Geſundheit keinen Abbruch leyde; dann die Beſcheidenheit iſt der Tugenden Mutter. Es koͤnten hier mehr andere Wuͤrckungen der Abtoͤd- tungen beygeſetzt werden/ welche zur gegenwaͤrtigen Materi dieneten/ die- weil doch auß dieſen/ was bißhero geſagt worden/ andere Dinge leichtlich zu

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/452>, abgerufen am 07.05.2024.