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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Sechs und Dreyssigste Geistliche Lection
grausame unerhörte mißgestalt/ welche allen Zuschauern ein grosses Schre-
cken verursachet. Der versoffene Mann kombt auch endlich nach Hauß/
und gehet hinein/ alwo die Kind-Betterin und das neu-gebohrne Ungeheur
ligen: und/ siehe/ alßbald wirfft selbiges seine Augen auff diesen Vatter/
spitzet das Maul gleich einem Falcken/ schlagt ihm seinen langen Schweiff
umb den Leib/ und verletzet denselben mit seinen gifftigen Stichen dergestalt/
daß er erstlich am gantzen Leib mit vielen Geschwültzen außgefahnen/ gleich dar-
auff aber dm Teuffel in den Rachen gefahren ist. Nach dem Todt deß Mans
ist auch bald das Weib gestorben/ und nach dieser das Ungeheur. Ob nun
zwarn Gott dergleichen grausame Straffen gegen die Säuffer und Schlem-
mer nicht allzeit verübet; so könte ich dennoch deren sehr viele erzehlen/ wann
ich der Kürtze mich nicht befleissete. Es solle billig und allen Christ-lie-
benden Menschen gnug seyn/ was der Prophet Joel uns zuruffet und sagt:
Joel. 1.
v.
5.
Wachet auff die ihr truncken seyet/ weinet und henlet alle/
die ihr den süssen Wein mit Lust trincket; dann er ist von
euerem Maul hinweg genommen.
Was für unbeschreibliche
Ubeln so Leibs als der Seelen von der Trunck enheit täglich entstehen/ lassen
wir einen jeden selbst urtheilen: derhalben man in andern Landen dieses La-
ster/ als ein Ursach aller Lastern/ für andern am meisten flichet/ und straffet.
Wolte GOtt/ daß auch in unserm lieben Teutschland diese Untugend/ so
wohl an Geist- als Weltlichen mit mehrerm Ernst und Nachtruck gezüch-
tiget würde! Es straffet zu Zeiten eine Obrigkeit ihre untergebene wegen
deß übermässigen und unmässigen trincken/ haltet aber darin selbst keine
Maaß; dahero entstehet/ daß sie die Bestraffung oder nicht dörffen vor-
nemmen/ oder jedoch gantz Macht- und Krafftloß
verübet werden.



Die

Die Sechs und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
grauſame unerhoͤrte mißgeſtalt/ welche allen Zuſchauern ein groſſes Schre-
cken verurſachet. Der verſoffene Mann kombt auch endlich nach Hauß/
und gehet hinein/ alwo die Kind-Betterin und das neu-gebohrne Ungeheur
ligen: und/ ſiehe/ alßbald wirfft ſelbiges ſeine Augen auff dieſen Vatter/
ſpitzet das Maul gleich einem Falcken/ ſchlagt ihm ſeinen langen Schweiff
umb den Leib/ und verletzet denſelben mit ſeinen gifftigen Stichen dergeſtalt/
daß er erſtlich am gantzen Leib mit vielen Geſchwuͤltzen außgefahnẽ/ gleich dar-
auff aber dm Teuffel in den Rachen gefahren iſt. Nach dem Todt deß Mans
iſt auch bald das Weib geſtorben/ und nach dieſer das Ungeheur. Ob nun
zwarn Gott dergleichen grauſame Straffen gegen die Saͤuffer und Schlem-
mer nicht allzeit veruͤbet; ſo koͤnte ich dennoch deren ſehr viele erzehlen/ wann
ich der Kuͤrtze mich nicht befleiſſete. Es ſolle billig und allen Chriſt-lie-
benden Menſchen gnug ſeyn/ was der Prophet Joel uns zuruffet und ſagt:
Joël. 1.
v.
5.
Wachet auff die ihr truncken ſeyet/ weinet und henlet alle/
die ihr den ſüſſen Wein mit Luſt trincket; dann er iſt von
euerem Maul hinweg genommen.
Was fuͤr unbeſchreibliche
Ubeln ſo Leibs als der Seelen von der Trunck enheit taͤglich entſtehen/ laſſen
wir einen jeden ſelbſt urtheilen: derhalben man in andern Landen dieſes La-
ſter/ als ein Urſach aller Laſtern/ fuͤr andern am meiſten flichet/ und ſtraffet.
Wolte GOtt/ daß auch in unſerm lieben Teutſchland dieſe Untugend/ ſo
wohl an Geiſt- als Weltlichen mit mehrerm Ernſt und Nachtruck gezuͤch-
tiget wuͤrde! Es ſtraffet zu Zeiten eine Obrigkeit ihre untergebene wegen
deß uͤbermaͤſſigen und unmaͤſſigen trincken/ haltet aber darin ſelbſt keine
Maaß; dahero entſtehet/ daß ſie die Beſtraffung oder nicht doͤrffen vor-
nemmen/ oder jedoch gantz Macht- und Krafftloß
veruͤbet werden.



Die
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[448/0476] Die Sechs und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection grauſame unerhoͤrte mißgeſtalt/ welche allen Zuſchauern ein groſſes Schre- cken verurſachet. Der verſoffene Mann kombt auch endlich nach Hauß/ und gehet hinein/ alwo die Kind-Betterin und das neu-gebohrne Ungeheur ligen: und/ ſiehe/ alßbald wirfft ſelbiges ſeine Augen auff dieſen Vatter/ ſpitzet das Maul gleich einem Falcken/ ſchlagt ihm ſeinen langen Schweiff umb den Leib/ und verletzet denſelben mit ſeinen gifftigen Stichen dergeſtalt/ daß er erſtlich am gantzen Leib mit vielen Geſchwuͤltzen außgefahnẽ/ gleich dar- auff aber dm Teuffel in den Rachen gefahren iſt. Nach dem Todt deß Mans iſt auch bald das Weib geſtorben/ und nach dieſer das Ungeheur. Ob nun zwarn Gott dergleichen grauſame Straffen gegen die Saͤuffer und Schlem- mer nicht allzeit veruͤbet; ſo koͤnte ich dennoch deren ſehr viele erzehlen/ wann ich der Kuͤrtze mich nicht befleiſſete. Es ſolle billig und allen Chriſt-lie- benden Menſchen gnug ſeyn/ was der Prophet Joel uns zuruffet und ſagt: Wachet auff die ihr truncken ſeyet/ weinet und henlet alle/ die ihr den ſüſſen Wein mit Luſt trincket; dann er iſt von euerem Maul hinweg genommen. Was fuͤr unbeſchreibliche Ubeln ſo Leibs als der Seelen von der Trunck enheit taͤglich entſtehen/ laſſen wir einen jeden ſelbſt urtheilen: derhalben man in andern Landen dieſes La- ſter/ als ein Urſach aller Laſtern/ fuͤr andern am meiſten flichet/ und ſtraffet. Wolte GOtt/ daß auch in unſerm lieben Teutſchland dieſe Untugend/ ſo wohl an Geiſt- als Weltlichen mit mehrerm Ernſt und Nachtruck gezuͤch- tiget wuͤrde! Es ſtraffet zu Zeiten eine Obrigkeit ihre untergebene wegen deß uͤbermaͤſſigen und unmaͤſſigen trincken/ haltet aber darin ſelbſt keine Maaß; dahero entſtehet/ daß ſie die Beſtraffung oder nicht doͤrffen vor- nemmen/ oder jedoch gantz Macht- und Krafftloß veruͤbet werden. Joël. 1. v. 5. Die

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/476>, abgerufen am 29.04.2024.