Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der nützlichen Vbung
Betrachtungen antrifft/ ist ein bewährtes Mittel/ daß du nicht nach deinem
eigenen Willen/ sonderen nach dem Rath deines Geistlichen Vatters/ die
jenige Materien vornemmest/ so da mehr deine geistliche Bedürfftigkeit/
als den Fürwitz erfüllen. Gegen die Andere/ so viel die Weiß belan-
get/ ist dieses das beste/ daß du es immer bey der einmal angefangenen/ und
gewöhulichen Manier haltest. Gegen die Dritte ist ein sicheres
Mittel/ wann du mit tieffester Demut erkennest/ daß du der Göttlichen
Gnaden bedürffest; dieselbe inständiglich erbittest; und dir gäntzlich einbil-
dest/ daß du zumalen nichts zur guten Betrachtung beytragen könnest und
doch gleichwol mit selbiger Demut dich mögligst unterstehest/ alle Notwen-
digkeiten deß Betrachtens wohl zu beobachten.

Gegen die vierte Art deß Betrugs können drey Mittel fürnemb-
lich dienen. Erstlich mustu sicher darfür halten/ daß dieß der wahre und
fürnembste Nutzen der Betrachtung seye/ daß du zu solchem End betrachtest/
auff daß du eine vollkommene Besserung aller deiner Mängel/ eine Be-
zwingung der bösen Begierden/ den Sieg über die Versuchungen/ ein rei-
nes Gewissen/ eine vollkommene Verrichtung deiner täglichen Schuldig-
keiten/ und veste Tugenten dir erwerbest. Wann du hierüber und jetzt ge-
dachter Ursachen halber die obgemelte Ubungen ernstlich anstellest/
und dannoch alsbald den innerlichen Trost nicht vermerckest/ so
mustu derhalben doch nicht verzweiflen/ sonderen der Für-
sichtigkeit Gottes alles anheimb stellen; welcher da/ wie der heiliger.
Bernardus sagt; gleich wie ein Liebster Vatter uns das Brod reichet/ zu
unser Nahrung/ und nicht das Messer/ das ist/ die Tröstungen/ deren wir
mißbrauchen/ und also uns tödten sollen. Zum andern mustu kennen die
Wesenheit und Beschaffenheit der fürnehmsten Tugenden/ wie nicht we-
niger auch die Würckungen der jenigen Lafier und Mängel/ so denen Tu-
genten zu wider seynd (welches du alles in gegenwärtiger Tugend-Schul
überflüssig lernen kanst) du muß der Vollkommenheit selbiger Tugenten
dich ernstlich befleissen; die so eusser- als innerliche Würckungen derselben
gebrauchen mit aller möglichen Auffmercksambkeit/ mit einer andächtigen
Neigung und Begierd eines hurtigen Willens auß einer unverfälschten Jn-
tention; und daß zwarn von Tag zu Tag mit einen grössern und grössern Eif-
fer zur Vollkommenheit zu gelangen/ und auch die geringste Mängel zu ver-
nichtigen. Zum dritten muß du deinen Beruff/ deinen Orden und dessen
Manier zu leben/ als ein kräfftiges Mittel deiner Außerwählung/ so da von

Gott

Von der nuͤtzlichen Vbung
Betrachtungen antrifft/ iſt ein bewaͤhrtes Mittel/ daß du nicht nach deinem
eigenen Willen/ ſonderen nach dem Rath deines Geiſtlichen Vatters/ die
jenige Materien vornemmeſt/ ſo da mehr deine geiſtliche Beduͤrfftigkeit/
als den Fuͤrwitz erfuͤllen. Gegen die Andere/ ſo viel die Weiß belan-
get/ iſt dieſes das beſte/ daß du es immer bey der einmal angefangenen/ und
gewoͤhulichen Manier halteſt. Gegen die Dritte iſt ein ſicheres
Mittel/ wann du mit tieffeſter Demut erkenneſt/ daß du der Goͤttlichen
Gnaden beduͤrffeſt; dieſelbe inſtaͤndiglich erbitteſt; und dir gaͤntzlich einbil-
deſt/ daß du zumalen nichts zur guten Betrachtung beytragen koͤnneſt und
doch gleichwol mit ſelbiger Demut dich moͤgligſt unterſteheſt/ alle Notwen-
digkeiten deß Betrachtens wohl zu beobachten.

Gegen die vierte Art deß Betrugs koͤnnen drey Mittel fuͤrnemb-
lich dienen. Erſtlich muſtu ſicher darfuͤr halten/ daß dieß der wahre und
fuͤrnembſte Nutzen der Betrachtung ſeye/ daß du zu ſolchem End betrachteſt/
auff daß du eine vollkommene Beſſerung aller deiner Maͤngel/ eine Be-
zwingung der boͤſen Begierden/ den Sieg uͤber die Verſuchungen/ ein rei-
nes Gewiſſen/ eine vollkommene Verrichtung deiner taͤglichen Schuldig-
keiten/ und veſte Tugenten dir erwerbeſt. Wann du hieruͤber und jetzt ge-
dachter Urſachen halber die obgemelte Ubungen ernſtlich anſtelleſt/
und dannoch alsbald den innerlichen Troſt nicht vermerckeſt/ ſo
muſtu derhalben doch nicht verzweiflen/ ſonderen der Fuͤr-
ſichtigkeit Gottes alles anheimb ſtellen; welcher da/ wie der heiliger.
Bernardus ſagt; gleich wie ein Liebſter Vatter uns das Brod reichet/ zu
unſer Nahrung/ und nicht das Meſſer/ das iſt/ die Troͤſtungen/ deren wir
mißbrauchen/ und alſo uns toͤdten ſollen. Zum andern muſtu kennen die
Weſenheit und Beſchaffenheit der fuͤrnehmſten Tugenden/ wie nicht we-
niger auch die Wuͤrckungen der jenigen Lafier und Maͤngel/ ſo denen Tu-
genten zu wider ſeynd (welches du alles in gegenwaͤrtiger Tugend-Schul
uͤberfluͤſſig lernen kanſt) du muß der Vollkommenheit ſelbiger Tugenten
dich ernſtlich befleiſſen; die ſo euſſer- als innerliche Wuͤrckungen derſelben
gebrauchen mit aller moͤglichen Auffmerckſambkeit/ mit einer andaͤchtigen
Neigung und Begierd eines hurtigen Willens auß einer unverfaͤlſchten Jn-
tention; und daß zwarn von Tag zu Tag mit einẽ groͤſſern und groͤſſern Eif-
fer zur Vollkommenheit zu gelangen/ und auch die geringſte Maͤngel zu ver-
nichtigen. Zum dritten muß du deinen Beruff/ deinen Orden und deſſen
Manier zu leben/ als ein kraͤfftiges Mittel deiner Außerwaͤhlung/ ſo da von

Gott
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0506" n="478"/><fw place="top" type="header">Von der nu&#x0364;tzlichen Vbung</fw><lb/>
Betrachtungen antrifft/ i&#x017F;t ein bewa&#x0364;hrtes Mittel/ daß du nicht nach deinem<lb/>
eigenen <hi rendition="#fr">W</hi>illen/ &#x017F;onderen nach dem Rath deines <choice><sic>Gei&#x017F;tllchen</sic><corr>Gei&#x017F;tlichen</corr></choice> Vatters/ die<lb/>
jenige Materien vornemme&#x017F;t/ &#x017F;o da mehr deine gei&#x017F;tliche Bedu&#x0364;rfftigkeit/<lb/>
als den Fu&#x0364;rwitz erfu&#x0364;llen. <hi rendition="#fr">Gegen die Andere/</hi> &#x017F;o viel die Weiß belan-<lb/>
get/ i&#x017F;t die&#x017F;es das be&#x017F;te/ daß du es immer bey der einmal angefangenen/ und<lb/>
gewo&#x0364;hulichen Manier halte&#x017F;t. <hi rendition="#fr">Gegen die Dritte</hi> i&#x017F;t ein &#x017F;icheres<lb/>
Mittel/ wann du mit tieffe&#x017F;ter Demut erkenne&#x017F;t/ daß du der Go&#x0364;ttlichen<lb/>
Gnaden bedu&#x0364;rffe&#x017F;t; die&#x017F;elbe in&#x017F;ta&#x0364;ndiglich erbitte&#x017F;t; und dir ga&#x0364;ntzlich einbil-<lb/>
de&#x017F;t/ daß du zumalen nichts zur guten Betrachtung beytragen ko&#x0364;nne&#x017F;t und<lb/>
doch gleichwol mit &#x017F;elbiger Demut dich mo&#x0364;glig&#x017F;t unter&#x017F;tehe&#x017F;t/ alle Notwen-<lb/>
digkeiten deß Betrachtens wohl zu beobachten.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Gegen die vierte Art</hi> deß Betrugs ko&#x0364;nnen drey Mittel fu&#x0364;rnemb-<lb/>
lich dienen. Er&#x017F;tlich mu&#x017F;tu &#x017F;icher darfu&#x0364;r halten/ daß dieß der wahre und<lb/>
fu&#x0364;rnemb&#x017F;te Nutzen der Betrachtung &#x017F;eye/ daß du zu &#x017F;olchem End betrachte&#x017F;t/<lb/>
auff daß du eine vollkommene Be&#x017F;&#x017F;erung aller deiner Ma&#x0364;ngel/ eine Be-<lb/>
zwingung der bo&#x0364;&#x017F;en Begierden/ den Sieg u&#x0364;ber die Ver&#x017F;uchungen/ ein rei-<lb/>
nes Gewi&#x017F;&#x017F;en/ eine vollkommene Verrichtung deiner ta&#x0364;glichen Schuldig-<lb/>
keiten/ und ve&#x017F;te Tugenten dir erwerbe&#x017F;t. Wann du hieru&#x0364;ber und jetzt ge-<lb/>
dachter Ur&#x017F;achen halber die obgemelte Ubungen ern&#x017F;tlich an&#x017F;telle&#x017F;t/<lb/>
und dannoch alsbald den innerlichen Tro&#x017F;t nicht vermercke&#x017F;t/ &#x017F;o<lb/>
mu&#x017F;tu derhalben doch nicht verzweiflen/ &#x017F;onderen der Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ichtigkeit Gottes alles anheimb &#x017F;tellen; welcher da/ wie der heiliger.<lb/>
Bernardus &#x017F;agt; gleich wie ein Lieb&#x017F;ter Vatter uns das Brod reichet/ zu<lb/>
un&#x017F;er Nahrung/ und nicht das Me&#x017F;&#x017F;er/ das i&#x017F;t/ die Tro&#x0364;&#x017F;tungen/ deren wir<lb/>
mißbrauchen/ und al&#x017F;o uns to&#x0364;dten &#x017F;ollen. Zum andern mu&#x017F;tu kennen die<lb/>
We&#x017F;enheit und Be&#x017F;chaffenheit der fu&#x0364;rnehm&#x017F;ten Tugenden/ wie nicht we-<lb/>
niger auch die <hi rendition="#fr">W</hi>u&#x0364;rckungen der jenigen Lafier und Ma&#x0364;ngel/ &#x017F;o denen Tu-<lb/>
genten zu wider &#x017F;eynd (welches du alles in gegenwa&#x0364;rtiger Tugend-Schul<lb/>
u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig lernen kan&#x017F;t) du muß der Vollkommenheit &#x017F;elbiger Tugenten<lb/>
dich ern&#x017F;tlich beflei&#x017F;&#x017F;en; die &#x017F;o eu&#x017F;&#x017F;er- als innerliche Wu&#x0364;rckungen der&#x017F;elben<lb/>
gebrauchen mit aller mo&#x0364;glichen Auffmerck&#x017F;ambkeit/ mit einer anda&#x0364;chtigen<lb/>
Neigung und Begierd eines hurtigen Willens auß einer unverfa&#x0364;l&#x017F;chten Jn-<lb/>
tention; und daß zwarn von Tag zu Tag mit eine&#x0303; gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Eif-<lb/>
fer zur Vollkommenheit zu gelangen/ und auch die gering&#x017F;te Ma&#x0364;ngel zu ver-<lb/>
nichtigen. Zum dritten muß du deinen Beruff/ deinen Orden und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Manier zu leben/ als ein kra&#x0364;fftiges Mittel deiner Außerwa&#x0364;hlung/ &#x017F;o da von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Gott</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0506] Von der nuͤtzlichen Vbung Betrachtungen antrifft/ iſt ein bewaͤhrtes Mittel/ daß du nicht nach deinem eigenen Willen/ ſonderen nach dem Rath deines Geiſtlichen Vatters/ die jenige Materien vornemmeſt/ ſo da mehr deine geiſtliche Beduͤrfftigkeit/ als den Fuͤrwitz erfuͤllen. Gegen die Andere/ ſo viel die Weiß belan- get/ iſt dieſes das beſte/ daß du es immer bey der einmal angefangenen/ und gewoͤhulichen Manier halteſt. Gegen die Dritte iſt ein ſicheres Mittel/ wann du mit tieffeſter Demut erkenneſt/ daß du der Goͤttlichen Gnaden beduͤrffeſt; dieſelbe inſtaͤndiglich erbitteſt; und dir gaͤntzlich einbil- deſt/ daß du zumalen nichts zur guten Betrachtung beytragen koͤnneſt und doch gleichwol mit ſelbiger Demut dich moͤgligſt unterſteheſt/ alle Notwen- digkeiten deß Betrachtens wohl zu beobachten. Gegen die vierte Art deß Betrugs koͤnnen drey Mittel fuͤrnemb- lich dienen. Erſtlich muſtu ſicher darfuͤr halten/ daß dieß der wahre und fuͤrnembſte Nutzen der Betrachtung ſeye/ daß du zu ſolchem End betrachteſt/ auff daß du eine vollkommene Beſſerung aller deiner Maͤngel/ eine Be- zwingung der boͤſen Begierden/ den Sieg uͤber die Verſuchungen/ ein rei- nes Gewiſſen/ eine vollkommene Verrichtung deiner taͤglichen Schuldig- keiten/ und veſte Tugenten dir erwerbeſt. Wann du hieruͤber und jetzt ge- dachter Urſachen halber die obgemelte Ubungen ernſtlich anſtelleſt/ und dannoch alsbald den innerlichen Troſt nicht vermerckeſt/ ſo muſtu derhalben doch nicht verzweiflen/ ſonderen der Fuͤr- ſichtigkeit Gottes alles anheimb ſtellen; welcher da/ wie der heiliger. Bernardus ſagt; gleich wie ein Liebſter Vatter uns das Brod reichet/ zu unſer Nahrung/ und nicht das Meſſer/ das iſt/ die Troͤſtungen/ deren wir mißbrauchen/ und alſo uns toͤdten ſollen. Zum andern muſtu kennen die Weſenheit und Beſchaffenheit der fuͤrnehmſten Tugenden/ wie nicht we- niger auch die Wuͤrckungen der jenigen Lafier und Maͤngel/ ſo denen Tu- genten zu wider ſeynd (welches du alles in gegenwaͤrtiger Tugend-Schul uͤberfluͤſſig lernen kanſt) du muß der Vollkommenheit ſelbiger Tugenten dich ernſtlich befleiſſen; die ſo euſſer- als innerliche Wuͤrckungen derſelben gebrauchen mit aller moͤglichen Auffmerckſambkeit/ mit einer andaͤchtigen Neigung und Begierd eines hurtigen Willens auß einer unverfaͤlſchten Jn- tention; und daß zwarn von Tag zu Tag mit einẽ groͤſſern und groͤſſern Eif- fer zur Vollkommenheit zu gelangen/ und auch die geringſte Maͤngel zu ver- nichtigen. Zum dritten muß du deinen Beruff/ deinen Orden und deſſen Manier zu leben/ als ein kraͤfftiges Mittel deiner Außerwaͤhlung/ ſo da von Gott

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/506
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/506>, abgerufen am 28.04.2024.