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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Drey und Viertzigste Geistliche Lection
alsbald gefangen/ und seiner Augen beraubt worden. Hat nicht den aller-
weisesten Salomon verkehret der Müssiggang? So lang dieser kluge Mo-
narch in Erbauung deß gewaltigen Tempels beschäfftiget gewesen/ hat
er keine Geylheit empfunden: so bald er aber von diesem Werck zu feyren
hat angefangen/ da hat sich nicht allein der Muthwill angemeldet; sondern
denselben dergestalt zu Boden geworffen/ daß er durch Anhalten der Wei-
ber an statt GOttes ein güldenes Kalb angebetten. Auff diesen Hafen
setzt der heilige Vatter Augustinus solchen Deckel/ und sagt: Wachet der-
halben/ meine Brüder/ und haltet euch frisch; dann ich sehe euch nicht darfür
an/ daß ihr heiliger seyet als David/ stärcker als Samson/ und kluger als
Salomon. Recht und wohl singt auch der tieff finnige Poet Ovidius
also:

Cupidinis-Bogen halst im Zwang/
Wann du fliehst den Mussiggang:
Der Geylheit Brunst auch mindert sich/
Wann der Mensch beschäfftiget sich.

2. Mehr andere Ublen deß Müssigangs entwirfft der heilige Vatter
Augustinus mit diesen Worten: durch den Müssiggang werden wir viel-
mahl entzündet zur Geylheit: durch diesen Müssiggang werden wir ange-
frischt zur Hoffart: durch diesen Gang führt uns die Welt zu ihrer Eytel-
keit: dieser Müssiggang meldet sich bey uns an/ wann wir wohl gessen und
getruncken haben: der Müssiggang bringt uns ins Verderben/ wann wir
stattlich gekleidet seynd: durch diesen Müssigang werden wir zum überflüs-
sigen Schlaffen genöthiget: dieser leitet uns zu den weltlichen und eitelen
Reden. Niemahlen wird einer ein Bürger der himmlischen Stadt Jeru-
salem werden/ wofern er den Müssiggang lieben wird. Von selbigem La-
ster tragt auch seine Meinung hinzu der hönig-fliessende Bernardus/ und
sagt: der Müssiggang ist ein Unflat aller bösen Gedancken/ die höchste Böß-
heit deß Hertzen/ ein Versammlung alles Bösen/ und ein Todt der See-
len: dann ein müssiger Mensch ist gleich einem stehenden Wasser/ so da fau-
let/ dieweilen es nicht bewegt wird/ und derhalben mit schädlichen Würmen/
das ist Lastern/ erfüllet wird. Ein müssiger Mensch ist gleich einem ver-
saumten Acker/ welcher voller Dörnen und Nesseln ist/ wie der weise Sa-
lomon bezeugt/ da er spricht: Jch bin uber den Acker eines müssi-
gen Menschen gangen; und siehe/ es war alles mit Nesseln
erfült.
Auch wird ueben andern Gleichnüssen der müssige Mensch ei-

nem

Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
alsbald gefangen/ und ſeiner Augen beraubt worden. Hat nicht den aller-
weiſeſten Salomon verkehret der Muͤſſiggang? So lang dieſer kluge Mo-
narch in Erbauung deß gewaltigen Tempels beſchaͤfftiget geweſen/ hat
er keine Geylheit empfunden: ſo bald er aber von dieſem Werck zu feyren
hat angefangen/ da hat ſich nicht allein der Muthwill angemeldet; ſondern
denſelben dergeſtalt zu Boden geworffen/ daß er durch Anhalten der Wei-
ber an ſtatt GOttes ein guͤldenes Kalb angebetten. Auff dieſen Hafen
ſetzt der heilige Vatter Auguſtinus ſolchen Deckel/ und ſagt: Wachet der-
halben/ meine Bruͤder/ und haltet euch friſch; dann ich ſehe euch nicht darfuͤr
an/ daß ihr heiliger ſeyet als David/ ſtaͤrcker als Samſon/ und kluger als
Salomon. Recht und wohl ſingt auch der tieff finnige Poet Ovidius
alſo:

Cupidinis-Bogen halſt im Zwang/
Wann du fliehſt den Můſſiggang:
Der Geylheit Brunſt auch mindert ſich/
Wann der Menſch beſchaͤfftiget ſich.

2. Mehr andere Ublen deß Muͤſſigangs entwirfft der heilige Vatter
Auguſtinus mit dieſen Worten: durch den Muͤſſiggang werden wir viel-
mahl entzuͤndet zur Geylheit: durch dieſen Muͤſſiggang werden wir ange-
friſcht zur Hoffart: durch dieſen Gang fuͤhrt uns die Welt zu ihrer Eytel-
keit: dieſer Muͤſſiggang meldet ſich bey uns an/ wann wir wohl geſſen und
getruncken haben: der Muͤſſiggang bringt uns ins Verderben/ wann wir
ſtattlich gekleidet ſeynd: durch dieſen Muͤſſigang werden wir zum uͤberfluͤſ-
ſigen Schlaffen genoͤthiget: dieſer leitet uns zu den weltlichen und eitelen
Reden. Niemahlen wird einer ein Buͤrger der himmliſchen Stadt Jeru-
ſalem werden/ wofern er den Muͤſſiggang lieben wird. Von ſelbigem La-
ſter tragt auch ſeine Meinung hinzu der hoͤnig-flieſſende Bernardus/ und
ſagt: der Muͤſſiggang iſt ein Unflat aller boͤſen Gedancken/ die hoͤchſte Boͤß-
heit deß Hertzen/ ein Verſammlung alles Boͤſen/ und ein Todt der See-
len: dann ein muͤſſiger Menſch iſt gleich einem ſtehenden Waſſer/ ſo da fau-
let/ dieweilen es nicht bewegt wird/ und derhalben mit ſchaͤdlichen Wuͤrmen/
das iſt Laſtern/ erfuͤllet wird. Ein muͤſſiger Menſch iſt gleich einem ver-
ſaumten Acker/ welcher voller Doͤrnen und Neſſeln iſt/ wie der weiſe Sa-
lomon bezeugt/ da er ſpricht: Jch bin ůber den Acker eines müſſi-
gen Menſchen gangen; und ſiehe/ es war alles mit Neſſeln
erfült.
Auch wird ueben andern Gleichnuͤſſen der muͤſſige Menſch ei-

nem
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[554/0582] Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche Lection alsbald gefangen/ und ſeiner Augen beraubt worden. Hat nicht den aller- weiſeſten Salomon verkehret der Muͤſſiggang? So lang dieſer kluge Mo- narch in Erbauung deß gewaltigen Tempels beſchaͤfftiget geweſen/ hat er keine Geylheit empfunden: ſo bald er aber von dieſem Werck zu feyren hat angefangen/ da hat ſich nicht allein der Muthwill angemeldet; ſondern denſelben dergeſtalt zu Boden geworffen/ daß er durch Anhalten der Wei- ber an ſtatt GOttes ein guͤldenes Kalb angebetten. Auff dieſen Hafen ſetzt der heilige Vatter Auguſtinus ſolchen Deckel/ und ſagt: Wachet der- halben/ meine Bruͤder/ und haltet euch friſch; dann ich ſehe euch nicht darfuͤr an/ daß ihr heiliger ſeyet als David/ ſtaͤrcker als Samſon/ und kluger als Salomon. Recht und wohl ſingt auch der tieff finnige Poet Ovidius alſo: Cupidinis-Bogen halſt im Zwang/ Wann du fliehſt den Můſſiggang: Der Geylheit Brunſt auch mindert ſich/ Wann der Menſch beſchaͤfftiget ſich. 2. Mehr andere Ublen deß Muͤſſigangs entwirfft der heilige Vatter Auguſtinus mit dieſen Worten: durch den Muͤſſiggang werden wir viel- mahl entzuͤndet zur Geylheit: durch dieſen Muͤſſiggang werden wir ange- friſcht zur Hoffart: durch dieſen Gang fuͤhrt uns die Welt zu ihrer Eytel- keit: dieſer Muͤſſiggang meldet ſich bey uns an/ wann wir wohl geſſen und getruncken haben: der Muͤſſiggang bringt uns ins Verderben/ wann wir ſtattlich gekleidet ſeynd: durch dieſen Muͤſſigang werden wir zum uͤberfluͤſ- ſigen Schlaffen genoͤthiget: dieſer leitet uns zu den weltlichen und eitelen Reden. Niemahlen wird einer ein Buͤrger der himmliſchen Stadt Jeru- ſalem werden/ wofern er den Muͤſſiggang lieben wird. Von ſelbigem La- ſter tragt auch ſeine Meinung hinzu der hoͤnig-flieſſende Bernardus/ und ſagt: der Muͤſſiggang iſt ein Unflat aller boͤſen Gedancken/ die hoͤchſte Boͤß- heit deß Hertzen/ ein Verſammlung alles Boͤſen/ und ein Todt der See- len: dann ein muͤſſiger Menſch iſt gleich einem ſtehenden Waſſer/ ſo da fau- let/ dieweilen es nicht bewegt wird/ und derhalben mit ſchaͤdlichen Wuͤrmen/ das iſt Laſtern/ erfuͤllet wird. Ein muͤſſiger Menſch iſt gleich einem ver- ſaumten Acker/ welcher voller Doͤrnen und Neſſeln iſt/ wie der weiſe Sa- lomon bezeugt/ da er ſpricht: Jch bin ůber den Acker eines müſſi- gen Menſchen gangen; und ſiehe/ es war alles mit Neſſeln erfült. Auch wird ueben andern Gleichnuͤſſen der muͤſſige Menſch ei- nem

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/582>, abgerufen am 29.04.2024.