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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Fünff und Viertzigste Geistliche Lection
verabsaumet nichts: die Forcht GOttes bestehet darin/ daß der Mensch
von dem Guten/ daß er zu üben schuldig ist/ nichts unterlasse.

4. Nun werden wir durch so vielerley Sporen zu dieser heylsamen Forcht
angetrieben/ daß es Fürwahr billig zu verwundern ist/ daß nicht allein so
viele Weltliche/ sondern auch ein so grosse Anzahl der Geistlichen und
Ordens- Leuthen gefunden werden/ so da ohne einige Forcht/ nicht anders
dahin leben/ als wann sie fast ihrer Seeligkeit versichert wären. So-
thane Blindheit aber entstehet daher/ daß sie die Ursachen/ warumb sie billig
förchten solten/ gar selten bedencken; und also gehen sie ohne Forcht mit
Freuden zur Höllen zu. Damit dich aber/ mein Christliche Seel/ der
gütige GOtt für solcher Reise behüte; so überlege mit mir die Beweg-
nussen/ welche einem jeden Christ-liebenden Menschen die heylsame Forcht
zu erwerben bequem seynd: und zwar erstlich sehe an die grosse Schwachheit
und Blödigkeit der armen Menschen; die unzahlbare Gefahren/ die Ge-
fährliche Strick/ und immerwehrende Nachstellungen/ mit denen unser
menschliches Leben zumahlen erfüllet ist/ und dergestalt erfüllet/ daß wenige
denen von unsern Feinden gelegten Fall-Stricken entgehen mögen. War
nicht der berühmte König David ein heiliger und GOtt-gefälliger Mann?
Hatte dessen Sohn der Salomon an Weiß- und Klugheit seines Gleichen?
War nicht der mächtige Samson ein Richter über die Kinder Jsrael/ und
muste nicht demselben ein jeder an Särcke weichen? Diese seynd aber alle
sehr schändlich gefallen. O wie viele haben in den Wüsten und Einsamb-
keiten viele Jahr lang ein mehr Englisch als menschliches Leben geführet/
und seynd dannoch durch die Strick ihrer Feinden gefässelt worden/ und ewig
zu Grund gangen/ dieweilen sie den offt widerholten Spruch deß Weysen
Manns nicht beobachtet haben! Wirstu dich nicht beständig hal-
ten in der Forcht deß HErrn/ so wird dein Hauß bald um-
gekehret werden.
Sie haben nicht mit Forcht und Zittern/ wie der
Apostel Paulus ihnen gerathen/ ihr Heyl gewircket/ sondern sich auff ihre
eigene Kräfften zu viel verlassen/ derhalben seynd sie erbärmlich gefallen.
Wann einer seinen Willen dem Göttlichen auch also gleichförmig machen
würde/ daß ihn GOtt/ wie einen andern David lobete/ und sagte; Die-
ser ist ein Mann nach meinem Hertzen:
Wann einer in solcher
Gedult und Einfalt lebte/ daß er mit dem frommen Job zu hören verdiente:
Job. 1.Es war ein auffrichtiger und einfältiger Mann/ der
der förchtete GOTT und enthielte sich von allem Bösen/
und seines gleichen ist nicht auff Erden.
Wann einer so gros-

sen

Die Fuͤnff und Viertzigſte Geiſtliche Lection
verabſaumet nichts: die Forcht GOttes beſtehet darin/ daß der Menſch
von dem Guten/ daß er zu uͤben ſchuldig iſt/ nichts unterlaſſe.

4. Nun werden wir durch ſo vielerley Sporen zu dieſer heylſamen Forcht
angetrieben/ daß es Fuͤrwahr billig zu verwundern iſt/ daß nicht allein ſo
viele Weltliche/ ſondern auch ein ſo groſſe Anzahl der Geiſtlichen und
Ordens- Leuthen gefunden werden/ ſo da ohne einige Forcht/ nicht anders
dahin leben/ als wann ſie faſt ihrer Seeligkeit verſichert waͤren. So-
thane Blindheit aber entſtehet daher/ daß ſie die Urſachen/ warumb ſie billig
foͤrchten ſolten/ gar ſelten bedencken; und alſo gehen ſie ohne Forcht mit
Freuden zur Hoͤllen zu. Damit dich aber/ mein Chriſtliche Seel/ der
guͤtige GOtt fuͤr ſolcher Reiſe behuͤte; ſo uͤberlege mit mir die Beweg-
nuſſen/ welche einem jeden Chriſt-liebenden Menſchen die heylſame Forcht
zu erwerben bequem ſeynd: und zwar erſtlich ſehe an die groſſe Schwachheit
und Bloͤdigkeit der armen Menſchen; die unzahlbare Gefahren/ die Ge-
faͤhrliche Strick/ und immerwehrende Nachſtellungen/ mit denen unſer
menſchliches Leben zumahlen erfuͤllet iſt/ und dergeſtalt erfuͤllet/ daß wenige
denen von unſern Feinden gelegten Fall-Stricken entgehen moͤgen. War
nicht der beruͤhmte Koͤnig David ein heiliger und GOtt-gefaͤlliger Mann?
Hatte deſſen Sohn der Salomon an Weiß- und Klugheit ſeines Gleichen?
War nicht der maͤchtige Samſon ein Richter uͤber die Kinder Jſrael/ und
muſte nicht demſelben ein jeder an Saͤrcke weichen? Dieſe ſeynd aber alle
ſehr ſchaͤndlich gefallen. O wie viele haben in den Wuͤſten und Einſamb-
keiten viele Jahr lang ein mehr Engliſch als menſchliches Leben gefuͤhret/
und ſeynd dannoch durch die Strick ihrer Feinden gefaͤſſelt worden/ und ewig
zu Grund gangen/ dieweilen ſie den offt widerholten Spruch deß Weyſen
Manns nicht beobachtet haben! Wirſtu dich nicht beſtaͤndig hal-
ten in der Forcht deß HErrn/ ſo wird dein Hauß bald um-
gekehret werden.
Sie haben nicht mit Forcht und Zittern/ wie der
Apoſtel Paulus ihnen gerathen/ ihr Heyl gewircket/ ſondern ſich auff ihre
eigene Kraͤfften zu viel verlaſſen/ derhalben ſeynd ſie erbaͤrmlich gefallen.
Wann einer ſeinen Willen dem Goͤttlichen auch alſo gleichfoͤrmig machen
wuͤrde/ daß ihn GOtt/ wie einen andern David lobete/ und ſagte; Die-
ſer iſt ein Mann nach meinem Hertzen:
Wann einer in ſolcher
Gedult und Einfalt lebte/ daß er mit dem frommen Job zu hoͤren verdiente:
Job. 1.Es war ein auffrichtiger und einfaͤltiger Mann/ der
der foͤrchtete GOTT und enthielte ſich von allem Boͤſen/
und ſeines gleichen iſt nicht auff Erden.
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[578/0606] Die Fuͤnff und Viertzigſte Geiſtliche Lection verabſaumet nichts: die Forcht GOttes beſtehet darin/ daß der Menſch von dem Guten/ daß er zu uͤben ſchuldig iſt/ nichts unterlaſſe. 4. Nun werden wir durch ſo vielerley Sporen zu dieſer heylſamen Forcht angetrieben/ daß es Fuͤrwahr billig zu verwundern iſt/ daß nicht allein ſo viele Weltliche/ ſondern auch ein ſo groſſe Anzahl der Geiſtlichen und Ordens- Leuthen gefunden werden/ ſo da ohne einige Forcht/ nicht anders dahin leben/ als wann ſie faſt ihrer Seeligkeit verſichert waͤren. So- thane Blindheit aber entſtehet daher/ daß ſie die Urſachen/ warumb ſie billig foͤrchten ſolten/ gar ſelten bedencken; und alſo gehen ſie ohne Forcht mit Freuden zur Hoͤllen zu. Damit dich aber/ mein Chriſtliche Seel/ der guͤtige GOtt fuͤr ſolcher Reiſe behuͤte; ſo uͤberlege mit mir die Beweg- nuſſen/ welche einem jeden Chriſt-liebenden Menſchen die heylſame Forcht zu erwerben bequem ſeynd: und zwar erſtlich ſehe an die groſſe Schwachheit und Bloͤdigkeit der armen Menſchen; die unzahlbare Gefahren/ die Ge- faͤhrliche Strick/ und immerwehrende Nachſtellungen/ mit denen unſer menſchliches Leben zumahlen erfuͤllet iſt/ und dergeſtalt erfuͤllet/ daß wenige denen von unſern Feinden gelegten Fall-Stricken entgehen moͤgen. War nicht der beruͤhmte Koͤnig David ein heiliger und GOtt-gefaͤlliger Mann? Hatte deſſen Sohn der Salomon an Weiß- und Klugheit ſeines Gleichen? War nicht der maͤchtige Samſon ein Richter uͤber die Kinder Jſrael/ und muſte nicht demſelben ein jeder an Saͤrcke weichen? Dieſe ſeynd aber alle ſehr ſchaͤndlich gefallen. O wie viele haben in den Wuͤſten und Einſamb- keiten viele Jahr lang ein mehr Engliſch als menſchliches Leben gefuͤhret/ und ſeynd dannoch durch die Strick ihrer Feinden gefaͤſſelt worden/ und ewig zu Grund gangen/ dieweilen ſie den offt widerholten Spruch deß Weyſen Manns nicht beobachtet haben! Wirſtu dich nicht beſtaͤndig hal- ten in der Forcht deß HErrn/ ſo wird dein Hauß bald um- gekehret werden. Sie haben nicht mit Forcht und Zittern/ wie der Apoſtel Paulus ihnen gerathen/ ihr Heyl gewircket/ ſondern ſich auff ihre eigene Kraͤfften zu viel verlaſſen/ derhalben ſeynd ſie erbaͤrmlich gefallen. Wann einer ſeinen Willen dem Goͤttlichen auch alſo gleichfoͤrmig machen wuͤrde/ daß ihn GOtt/ wie einen andern David lobete/ und ſagte; Die- ſer iſt ein Mann nach meinem Hertzen: Wann einer in ſolcher Gedult und Einfalt lebte/ daß er mit dem frommen Job zu hoͤren verdiente: Es war ein auffrichtiger und einfaͤltiger Mann/ der der foͤrchtete GOTT und enthielte ſich von allem Boͤſen/ und ſeines gleichen iſt nicht auff Erden. Wann einer ſo groſ- ſen Job. 1.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/606>, abgerufen am 16.06.2024.