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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Fünfftzigste Geistliche Lection
men Kindern zu Hülff kommen: und gleich wie die Hand den andern
Theilen deß Leibs beyspringet/ wann ein Füncklein auff selbige fallet; also
lasset uns von diesen unsern Mit-Gliedern der Christ- Catholischen Kirchen
das Feur hinweg treiben; und daß zwarn umb so viel mehr; dieweilen die
geistliche Glieder die leibliche an Würden weit übertreffen.

2. Uber solche Barmhertzigkeit hat uns ein herrliches Bey - Spiel hin-
terlassen die H. Christina/ welches da mehr zu verwundern als nachzufolgen
ist. Als selbige Jungfrau in ihrer Kindheit gestorben ware/ und das Ambt
der heiligen Meeß für selbige gelesen wurde/ hat sie sich gähling von der
Todten- Bahr auff gerichtet/ und hat die Stiegen der Kirchen in aller in
aller Hurtigkeit gleich einem Vogel hinauff geeilet; und ist daselbst biß zum
End der heiligen Messen verblieben. Nach vollendetem Ambt/ ist sie von
Priester beschwohren worden herunter zu steigen; so auch gefchehen: darauff
ist sie von ihren Freunden gefragt worden/ was ihr widerfahren seye: und
hat denselben also geantwortet: So bald ich verschieden bin/ haben mich
die H. H. Engel zu einem Fenster und und grausamen Ort geführet; wel-
cher mit Menschen- Seelen erfüllet ware. Da ich nun der Meinung wa-
re/ daß selbiges die Höll seye/ so haben sie mir gesagt/ daß es für das Feg-
Feur seye. Hernach haben sie mich zu den höllischen Tormenten geführet/
alwo/ und am vorigen Ort ich viele auß meinen Bekennten gesehen hab.
Diesem nach bin ich zum Paradeiß/ zum Thron der Göttlichen Maje-
stät geführet worden: und da ich sahe/ daß der HERR sich über meine
Ankunfft erfreuete/ bin ich unaußsprechlicher Weiß getröstet worden/ diewei-
len ich vermeinte/ daselbst in alle Ewigkeit zu verbleiben: und der HERR
sprach zu mir: Mein liebste Tochter/ du solst in Warheit allzeit bey mir
seyn. Nun gab ich dir aber die Wahl/ ob du anjetzo bey mir verbleiben/
oder zum Leib wiederub kehren/ und in selbigem vermittelst der bußferti-
gen Wercke für alle die jenige Seelen/ so du im Feg-Feur gesehen hast/
gnug thun wollest/ und also mit häuffigen Verdiensten abermahl zu mir
kommen. Hierauff gab ich zur Antwort/ daß ich dieserthalben zum Leib
wiederzukehren gesinnet seye: und siehe/ alsbald zeigte der HErr hierab
ein grosses vergnügen/ und sendete mich wiederumb zum vorigen Leib.
So bitte ich euch nun/ daß ihr euch über die Wunderthaten/ so ihr an mir
schen werdet/ nicht zu sehr entrüsten wollet. Von sothaner Zeit hat sie die Ge-
genwart der Menschen zu fliehen angefangen/ und hat sich in feurige O-
fen geworffen/ in denen sie wegen Grösse der Schmertzen zwarn erschröck-
lich geruffen: ist aber im bervorkommen gantz unbeschädigt befunden

worden.

Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
men Kindern zu Huͤlff kommen: und gleich wie die Hand den andern
Theilen deß Leibs beyſpringet/ wann ein Fuͤncklein auff ſelbige fallet; alſo
laſſet uns von dieſen unſern Mit-Gliedern der Chriſt- Catholiſchen Kirchen
das Feur hinweg treiben; und daß zwarn umb ſo viel mehr; dieweilen die
geiſtliche Glieder die leibliche an Wuͤrden weit uͤbertreffen.

2. Uber ſolche Barmhertzigkeit hat uns ein herrliches Bey - Spiel hin-
terlaſſen die H. Chriſtina/ welches da mehr zu verwundern als nachzufolgen
iſt. Als ſelbige Jungfrau in ihrer Kindheit geſtorben ware/ und das Ambt
der heiligen Meeß fuͤr ſelbige geleſen wurde/ hat ſie ſich gaͤhling von der
Todten- Bahr auff gerichtet/ und hat die Stiegen der Kirchen in aller in
aller Hurtigkeit gleich einem Vogel hinauff geeilet; und iſt daſelbſt biß zum
End der heiligen Meſſen verblieben. Nach vollendetem Ambt/ iſt ſie von
Prieſter beſchwohren worden herunter zu ſteigen; ſo auch gefchehen: darauff
iſt ſie von ihren Freunden gefragt worden/ was ihr widerfahren ſeye: und
hat denſelben alſo geantwortet: So bald ich verſchieden bin/ haben mich
die H. H. Engel zu einem Fenſter und und grauſamen Ort gefuͤhret; wel-
cher mit Menſchen- Seelen erfuͤllet ware. Da ich nun der Meinung wa-
re/ daß ſelbiges die Hoͤll ſeye/ ſo haben ſie mir geſagt/ daß es fuͤr das Feg-
Feur ſeye. Hernach haben ſie mich zu den hoͤlliſchen Tormenten gefuͤhret/
alwo/ und am vorigen Ort ich viele auß meinen Bekennten geſehen hab.
Dieſem nach bin ich zum Paradeiß/ zum Thron der Goͤttlichen Maje-
ſtaͤt gefuͤhret worden: und da ich ſahe/ daß der HERR ſich uͤber meine
Ankunfft erfreuete/ bin ich unaußſprechlicher Weiß getroͤſtet worden/ diewei-
len ich vermeinte/ daſelbſt in alle Ewigkeit zu verbleiben: und der HERR
ſprach zu mir: Mein liebſte Tochter/ du ſolſt in Warheit allzeit bey mir
ſeyn. Nun gab ich dir aber die Wahl/ ob du anjetzo bey mir verbleiben/
oder zum Leib wiederub kehren/ und in ſelbigem vermittelſt der bußferti-
gen Wercke fuͤr alle die jenige Seelen/ ſo du im Feg-Feur geſehen haſt/
gnug thun wolleſt/ und alſo mit haͤuffigen Verdienſten abermahl zu mir
kommen. Hierauff gab ich zur Antwort/ daß ich dieſerthalben zum Leib
wiederzukehren geſinnet ſeye: und ſiehe/ alsbald zeigte der HErr hierab
ein groſſes vergnuͤgen/ und ſendete mich wiederumb zum vorigen Leib.
So bitte ich euch nun/ daß ihr euch uͤber die Wunderthaten/ ſo ihr an mir
ſchen werdet/ nicht zu ſehr entruͤſten wollet. Von ſothaner Zeit hat ſie die Ge-
genwart der Menſchen zu fliehen angefangen/ und hat ſich in feurige O-
fen geworffen/ in denen ſie wegen Groͤſſe der Schmertzen zwarn erſchroͤck-
lich geruffen: iſt aber im bervorkommen gantz unbeſchaͤdigt befunden

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[638/0666] Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection men Kindern zu Huͤlff kommen: und gleich wie die Hand den andern Theilen deß Leibs beyſpringet/ wann ein Fuͤncklein auff ſelbige fallet; alſo laſſet uns von dieſen unſern Mit-Gliedern der Chriſt- Catholiſchen Kirchen das Feur hinweg treiben; und daß zwarn umb ſo viel mehr; dieweilen die geiſtliche Glieder die leibliche an Wuͤrden weit uͤbertreffen. 2. Uber ſolche Barmhertzigkeit hat uns ein herrliches Bey - Spiel hin- terlaſſen die H. Chriſtina/ welches da mehr zu verwundern als nachzufolgen iſt. Als ſelbige Jungfrau in ihrer Kindheit geſtorben ware/ und das Ambt der heiligen Meeß fuͤr ſelbige geleſen wurde/ hat ſie ſich gaͤhling von der Todten- Bahr auff gerichtet/ und hat die Stiegen der Kirchen in aller in aller Hurtigkeit gleich einem Vogel hinauff geeilet; und iſt daſelbſt biß zum End der heiligen Meſſen verblieben. Nach vollendetem Ambt/ iſt ſie von Prieſter beſchwohren worden herunter zu ſteigen; ſo auch gefchehen: darauff iſt ſie von ihren Freunden gefragt worden/ was ihr widerfahren ſeye: und hat denſelben alſo geantwortet: So bald ich verſchieden bin/ haben mich die H. H. Engel zu einem Fenſter und und grauſamen Ort gefuͤhret; wel- cher mit Menſchen- Seelen erfuͤllet ware. Da ich nun der Meinung wa- re/ daß ſelbiges die Hoͤll ſeye/ ſo haben ſie mir geſagt/ daß es fuͤr das Feg- Feur ſeye. Hernach haben ſie mich zu den hoͤlliſchen Tormenten gefuͤhret/ alwo/ und am vorigen Ort ich viele auß meinen Bekennten geſehen hab. Dieſem nach bin ich zum Paradeiß/ zum Thron der Goͤttlichen Maje- ſtaͤt gefuͤhret worden: und da ich ſahe/ daß der HERR ſich uͤber meine Ankunfft erfreuete/ bin ich unaußſprechlicher Weiß getroͤſtet worden/ diewei- len ich vermeinte/ daſelbſt in alle Ewigkeit zu verbleiben: und der HERR ſprach zu mir: Mein liebſte Tochter/ du ſolſt in Warheit allzeit bey mir ſeyn. Nun gab ich dir aber die Wahl/ ob du anjetzo bey mir verbleiben/ oder zum Leib wiederub kehren/ und in ſelbigem vermittelſt der bußferti- gen Wercke fuͤr alle die jenige Seelen/ ſo du im Feg-Feur geſehen haſt/ gnug thun wolleſt/ und alſo mit haͤuffigen Verdienſten abermahl zu mir kommen. Hierauff gab ich zur Antwort/ daß ich dieſerthalben zum Leib wiederzukehren geſinnet ſeye: und ſiehe/ alsbald zeigte der HErr hierab ein groſſes vergnuͤgen/ und ſendete mich wiederumb zum vorigen Leib. So bitte ich euch nun/ daß ihr euch uͤber die Wunderthaten/ ſo ihr an mir ſchen werdet/ nicht zu ſehr entruͤſten wollet. Von ſothaner Zeit hat ſie die Ge- genwart der Menſchen zu fliehen angefangen/ und hat ſich in feurige O- fen geworffen/ in denen ſie wegen Groͤſſe der Schmertzen zwarn erſchroͤck- lich geruffen: iſt aber im bervorkommen gantz unbeſchaͤdigt befunden worden.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/666>, abgerufen am 06.05.2024.