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Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680.

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Mercks Wienn.
durch ein Fenster sich hat hinunter gelassen/ und
also die Zuflucht zu der Flucht genommen; auch von
Christo dem Heyland selbsten registriren die Evan-
gelisten/ daß er/ der Hebreer feindliches Nachstellen
zu meiden/ sich etlich mal habe in die Flucht bege-
ben; Jst demnach keines Wegs zu widersprechen/
daß nicht heilsam seye in der Pest-Zeit zu fliehen/ ja
absonderlich für rathsam von den bewehrtesten Me-
dicis
gehalten wird/ diesem Rath ist man zu Wienn
emsig nachkommen/ und ist der Zeit nichts anders
zu sehen gewest/ als daß viel tausend dieser Residenz-
Stadt den Rucken gewiesen/ ja wol etliche seynd
also forchtsam anzutreffen gewest/ daß sie sich in der
Flucht viel mäsiger gehalten/ als deß Loths sein
Weib/ wie sie die Stadt Sodoma verlassen/ und
vermeinten viel/ daß auch das Zuruckschauen nacher
Wienn nicht Gifft-frey werde ablauffen.

O Wienn! du bist kurz vorhero ein schöne Rahel
gewest/ siehe/ wie dich GOtt kan so geschwind in ein
schändliche Lia verungestalten/ du bist seithero im-
merzu gleichsam ein gelobtes Land gewest/ siehe/ wie
dich der Allerhöchste so bald kan in ein bestürztes
Egypten verwandlen/ du bist schon so lange Zeit he-
ro ein Brunn alles Trosts und Freuden gewest/ siehe/
wie so unverhofft dich der Allmächtige hat in ein
ausgetruckne Cistern verkehrt/ hab mich geirrt/
Wasser gnug/ aber lauter trangselige Thränen;
Doch aber seye getröst/ der jenige/ der verwundet
hat/ kan dich heilen auch/ laß es allein dir ein
Warnung seyn/ daß nicht ein Quintel Bestän-
digkeit auch in einem Centner schwehren Wolstand
seye.

Damit ich aber meine obberührte Erzählung zu
End bringe/ ist zu wissen/ daß viel und aber viel sich

von

Mercks Wienn.
durch ein Fenſter ſich hat hinunter gelaſſen/ und
alſo die Zuflucht zu der Flucht genommen; auch von
Chriſto dem Heyland ſelbſten regiſtriren die Evan-
geliſten/ daß er/ der Hebreer feindliches Nachſtellen
zu meiden/ ſich etlich mal habe in die Flucht bege-
ben; Jſt demnach keines Wegs zu widerſprechen/
daß nicht heilſam ſeye in der Peſt-Zeit zu fliehen/ ja
abſonderlich fuͤr rathſam von den bewehrteſten Me-
dicis
gehalten wird/ dieſem Rath iſt man zu Wienn
emſig nachkommen/ und iſt der Zeit nichts anders
zu ſehen geweſt/ als daß viel tauſend dieſer Reſidenz-
Stadt den Rucken gewieſen/ ja wol etliche ſeynd
alſo forchtſam anzutreffen geweſt/ daß ſie ſich in der
Flucht viel maͤſiger gehalten/ als deß Loths ſein
Weib/ wie ſie die Stadt Sodoma verlaſſen/ und
vermeinten viel/ daß auch das Zuruckſchauen nacher
Wienn nicht Gifft-frey werde ablauffen.

O Wienn! du biſt kurz vorhero ein ſchoͤne Rahel
geweſt/ ſiehe/ wie dich GOtt kan ſo geſchwind in ein
ſchaͤndliche Lia verungeſtalten/ du biſt ſeithero im-
merzu gleichſam ein gelobtes Land geweſt/ ſiehe/ wie
dich der Allerhoͤchſte ſo bald kan in ein beſtuͤrztes
Egypten verwandlen/ du biſt ſchon ſo lange Zeit he-
ro ein Brunn alles Troſts und Freuden geweſt/ ſiehe/
wie ſo unverhofft dich der Allmaͤchtige hat in ein
ausgetruckne Ciſtern verkehrt/ hab mich geirꝛt/
Waſſer gnug/ aber lauter trangſelige Thraͤnen;
Doch aber ſeye getroͤſt/ der jenige/ der verwundet
hat/ kan dich heilen auch/ laß es allein dir ein
Warnung ſeyn/ daß nicht ein Quintel Beſtaͤn-
digkeit auch in einem Centner ſchwehren Wolſtand
ſeye.

Damit ich aber meine obberuͤhrte Erzaͤhlung zu
End bringe/ iſt zu wiſſen/ daß viel und aber viel ſich

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[116/0126] Mercks Wienn. durch ein Fenſter ſich hat hinunter gelaſſen/ und alſo die Zuflucht zu der Flucht genommen; auch von Chriſto dem Heyland ſelbſten regiſtriren die Evan- geliſten/ daß er/ der Hebreer feindliches Nachſtellen zu meiden/ ſich etlich mal habe in die Flucht bege- ben; Jſt demnach keines Wegs zu widerſprechen/ daß nicht heilſam ſeye in der Peſt-Zeit zu fliehen/ ja abſonderlich fuͤr rathſam von den bewehrteſten Me- dicis gehalten wird/ dieſem Rath iſt man zu Wienn emſig nachkommen/ und iſt der Zeit nichts anders zu ſehen geweſt/ als daß viel tauſend dieſer Reſidenz- Stadt den Rucken gewieſen/ ja wol etliche ſeynd alſo forchtſam anzutreffen geweſt/ daß ſie ſich in der Flucht viel maͤſiger gehalten/ als deß Loths ſein Weib/ wie ſie die Stadt Sodoma verlaſſen/ und vermeinten viel/ daß auch das Zuruckſchauen nacher Wienn nicht Gifft-frey werde ablauffen. O Wienn! du biſt kurz vorhero ein ſchoͤne Rahel geweſt/ ſiehe/ wie dich GOtt kan ſo geſchwind in ein ſchaͤndliche Lia verungeſtalten/ du biſt ſeithero im- merzu gleichſam ein gelobtes Land geweſt/ ſiehe/ wie dich der Allerhoͤchſte ſo bald kan in ein beſtuͤrztes Egypten verwandlen/ du biſt ſchon ſo lange Zeit he- ro ein Brunn alles Troſts und Freuden geweſt/ ſiehe/ wie ſo unverhofft dich der Allmaͤchtige hat in ein ausgetruckne Ciſtern verkehrt/ hab mich geirꝛt/ Waſſer gnug/ aber lauter trangſelige Thraͤnen; Doch aber ſeye getroͤſt/ der jenige/ der verwundet hat/ kan dich heilen auch/ laß es allein dir ein Warnung ſeyn/ daß nicht ein Quintel Beſtaͤn- digkeit auch in einem Centner ſchwehren Wolſtand ſeye. Damit ich aber meine obberuͤhrte Erzaͤhlung zu End bringe/ iſt zu wiſſen/ daß viel und aber viel ſich von

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_mercks_1680/126>, abgerufen am 04.05.2024.