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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 21. Concurrirende Rechtsquellen.
diese Betrachtungsweise nothwendig, wenn sie rein und
vollständig aufgefaßt werden sollten. Allein ein so ver-
einzeltes Daseyn haben sie in der Wirklichkeit in keinem
der Staaten gehabt, worin sie Eingang fanden. Daher
soll nun noch eine Übersicht über diejenigen ihnen fremd-
artigen Rechtsquellen gegeben werden, die mit ihnen in
Berührung getreten sind, und mit welchen sie im Leben
selbst die Herrschaft über die Rechtsverhältnisse ge-
theilt haben.

Zuerst begegnete ihnen überall schon zur Zeit ihrer
Aufnahme einheimisches Recht: namentlich also in Deutsch-
land ursprünglich Germanisches Recht, und eben so in den
meisten anderen Ländern, insbesondere in Frankreich. Das
Verhältniß dieser beiden verschiedenartigen Rechte in der
Anwendung auf das Leben, war zu allen Zeiten ein schwie-
riges und verwickeltes, und die Ausgleichung dieses Con-
flicts gehörte stets zu den wichtigsten Aufgaben des wissen-
schaftlichen Rechts, besonders in dem praktischen Theil
desselben (§ 20).

Dann aber schloß sich überall eine fortgehende Lan-
desgesetzgebung an das aufgenommene fremde Recht an,
die theils durch das eben erwähnte Bedürfniß der Aus-
gleichung mit dem Germanischen Recht angeregt wurde,
theils auch ohne Rücksicht auf diesen Conflict durch die
neuere Praxis (§ 20), die in diesen Landesgesetzen häufig
Anerkennung und Feststellung fand. Dahin gehört also
in den einzelnen Theilen von Deutschland das ganze Ter-

§. 21. Concurrirende Rechtsquellen.
dieſe Betrachtungsweiſe nothwendig, wenn ſie rein und
vollſtändig aufgefaßt werden ſollten. Allein ein ſo ver-
einzeltes Daſeyn haben ſie in der Wirklichkeit in keinem
der Staaten gehabt, worin ſie Eingang fanden. Daher
ſoll nun noch eine Überſicht über diejenigen ihnen fremd-
artigen Rechtsquellen gegeben werden, die mit ihnen in
Berührung getreten ſind, und mit welchen ſie im Leben
ſelbſt die Herrſchaft über die Rechtsverhältniſſe ge-
theilt haben.

Zuerſt begegnete ihnen überall ſchon zur Zeit ihrer
Aufnahme einheimiſches Recht: namentlich alſo in Deutſch-
land urſprünglich Germaniſches Recht, und eben ſo in den
meiſten anderen Ländern, insbeſondere in Frankreich. Das
Verhältniß dieſer beiden verſchiedenartigen Rechte in der
Anwendung auf das Leben, war zu allen Zeiten ein ſchwie-
riges und verwickeltes, und die Ausgleichung dieſes Con-
flicts gehörte ſtets zu den wichtigſten Aufgaben des wiſſen-
ſchaftlichen Rechts, beſonders in dem praktiſchen Theil
deſſelben (§ 20).

Dann aber ſchloß ſich überall eine fortgehende Lan-
desgeſetzgebung an das aufgenommene fremde Recht an,
die theils durch das eben erwähnte Bedürfniß der Aus-
gleichung mit dem Germaniſchen Recht angeregt wurde,
theils auch ohne Rückſicht auf dieſen Conflict durch die
neuere Praxis (§ 20), die in dieſen Landesgeſetzen häufig
Anerkennung und Feſtſtellung fand. Dahin gehört alſo
in den einzelnen Theilen von Deutſchland das ganze Ter-

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[101/0157] §. 21. Concurrirende Rechtsquellen. dieſe Betrachtungsweiſe nothwendig, wenn ſie rein und vollſtändig aufgefaßt werden ſollten. Allein ein ſo ver- einzeltes Daſeyn haben ſie in der Wirklichkeit in keinem der Staaten gehabt, worin ſie Eingang fanden. Daher ſoll nun noch eine Überſicht über diejenigen ihnen fremd- artigen Rechtsquellen gegeben werden, die mit ihnen in Berührung getreten ſind, und mit welchen ſie im Leben ſelbſt die Herrſchaft über die Rechtsverhältniſſe ge- theilt haben. Zuerſt begegnete ihnen überall ſchon zur Zeit ihrer Aufnahme einheimiſches Recht: namentlich alſo in Deutſch- land urſprünglich Germaniſches Recht, und eben ſo in den meiſten anderen Ländern, insbeſondere in Frankreich. Das Verhältniß dieſer beiden verſchiedenartigen Rechte in der Anwendung auf das Leben, war zu allen Zeiten ein ſchwie- riges und verwickeltes, und die Ausgleichung dieſes Con- flicts gehörte ſtets zu den wichtigſten Aufgaben des wiſſen- ſchaftlichen Rechts, beſonders in dem praktiſchen Theil deſſelben (§ 20). Dann aber ſchloß ſich überall eine fortgehende Lan- desgeſetzgebung an das aufgenommene fremde Recht an, die theils durch das eben erwähnte Bedürfniß der Aus- gleichung mit dem Germaniſchen Recht angeregt wurde, theils auch ohne Rückſicht auf dieſen Conflict durch die neuere Praxis (§ 20), die in dieſen Landesgeſetzen häufig Anerkennung und Feſtſtellung fand. Dahin gehört alſo in den einzelnen Theilen von Deutſchland das ganze Ter-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/157>, abgerufen am 02.05.2024.