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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
enthalten, und der ausgebildete Staat hat die Familien,
nicht die Individuen unmittelbar zu Bestandtheilen.

Hiernach schließt sich in der That die Obligation in
näherer Verwandtschaft an das Eigenthum an, indem das
diese beyden Verhältnisse umfassende Vermögen eine Er-
weiterung der individuellen Macht über ihre natürliche
Gränze bildet, anstatt daß das Familienverhältniß zur Er-
gänzung des an sich unvollständigen Selbst bestimmt ist.
Das Familienrecht liegt daher näher als das Vermögens-
recht den sogenannten Urrechten, und wie diese oben von
dem Gebiet des positiven Rechts gänzlich ausgeschlossen
worden sind, so muß von der Familie behauptet werden,
daß sie nur theilweise dem Rechtsgebiet angehört, anstatt
daß das Vermögen ganz und ausschließend in dasselbe fällt.

Blicken wir nun zurück auf den Punkt, wovon diese
unsre Untersuchung ausgieng, so finden wir drey Gegen-
stände, auf welche eine Herrschaft unsers Willens denkbar
ist, und, diesen Gegenständen entsprechend, drey concen-
trische Kreise, worin unser Wille herrschen kann:

1) Das ursprüngliche Selbst. Ihm entspricht das so-
genannte Urrecht, welches wir gar nicht als eigentliches
Recht behandeln.

2) Das in der Familie erweiterte Selbst. Die hierin
mögliche Herrschaft unsres Willens gehört nur theilweise
dem Rechtsgebiet an, und bildet hier das Familienrecht.

3) Die äußere Welt. Die Herrschaft des Willens,
die sich hierauf bezieht, fällt ganz in das Rechtsgebiet,

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
enthalten, und der ausgebildete Staat hat die Familien,
nicht die Individuen unmittelbar zu Beſtandtheilen.

Hiernach ſchließt ſich in der That die Obligation in
näherer Verwandtſchaft an das Eigenthum an, indem das
dieſe beyden Verhältniſſe umfaſſende Vermögen eine Er-
weiterung der individuellen Macht über ihre natürliche
Gränze bildet, anſtatt daß das Familienverhältniß zur Er-
gänzung des an ſich unvollſtändigen Selbſt beſtimmt iſt.
Das Familienrecht liegt daher näher als das Vermögens-
recht den ſogenannten Urrechten, und wie dieſe oben von
dem Gebiet des poſitiven Rechts gänzlich ausgeſchloſſen
worden ſind, ſo muß von der Familie behauptet werden,
daß ſie nur theilweiſe dem Rechtsgebiet angehört, anſtatt
daß das Vermögen ganz und ausſchließend in daſſelbe fällt.

Blicken wir nun zurück auf den Punkt, wovon dieſe
unſre Unterſuchung ausgieng, ſo finden wir drey Gegen-
ſtände, auf welche eine Herrſchaft unſers Willens denkbar
iſt, und, dieſen Gegenſtänden entſprechend, drey concen-
triſche Kreiſe, worin unſer Wille herrſchen kann:

1) Das urſprüngliche Selbſt. Ihm entſpricht das ſo-
genannte Urrecht, welches wir gar nicht als eigentliches
Recht behandeln.

2) Das in der Familie erweiterte Selbſt. Die hierin
mögliche Herrſchaft unſres Willens gehört nur theilweiſe
dem Rechtsgebiet an, und bildet hier das Familienrecht.

3) Die äußere Welt. Die Herrſchaft des Willens,
die ſich hierauf bezieht, fällt ganz in das Rechtsgebiet,

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[344/0400] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. enthalten, und der ausgebildete Staat hat die Familien, nicht die Individuen unmittelbar zu Beſtandtheilen. Hiernach ſchließt ſich in der That die Obligation in näherer Verwandtſchaft an das Eigenthum an, indem das dieſe beyden Verhältniſſe umfaſſende Vermögen eine Er- weiterung der individuellen Macht über ihre natürliche Gränze bildet, anſtatt daß das Familienverhältniß zur Er- gänzung des an ſich unvollſtändigen Selbſt beſtimmt iſt. Das Familienrecht liegt daher näher als das Vermögens- recht den ſogenannten Urrechten, und wie dieſe oben von dem Gebiet des poſitiven Rechts gänzlich ausgeſchloſſen worden ſind, ſo muß von der Familie behauptet werden, daß ſie nur theilweiſe dem Rechtsgebiet angehört, anſtatt daß das Vermögen ganz und ausſchließend in daſſelbe fällt. Blicken wir nun zurück auf den Punkt, wovon dieſe unſre Unterſuchung ausgieng, ſo finden wir drey Gegen- ſtände, auf welche eine Herrſchaft unſers Willens denkbar iſt, und, dieſen Gegenſtänden entſprechend, drey concen- triſche Kreiſe, worin unſer Wille herrſchen kann: 1) Das urſprüngliche Selbſt. Ihm entſpricht das ſo- genannte Urrecht, welches wir gar nicht als eigentliches Recht behandeln. 2) Das in der Familie erweiterte Selbſt. Die hierin mögliche Herrſchaft unſres Willens gehört nur theilweiſe dem Rechtsgebiet an, und bildet hier das Familienrecht. 3) Die äußere Welt. Die Herrſchaft des Willens, die ſich hierauf bezieht, fällt ganz in das Rechtsgebiet,

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/400>, abgerufen am 30.04.2024.