Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.

die Klage hat dann eine gemischte Natur, und tritt nicht
in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit hervor (bb). Dahin ge-
hören mehrere der in diesem §. abgehandelten einzelnen
Obligationen, z. B. die actio sepulchri violati (lit. B).
Anders, wenn solche Interessenten entweder gar nicht vor-
handen sind, oder nicht klagen wollen. Nun kann Jeder
aus dem Volke, als Vertreter der allgemeinen Sicherheit,
die Klage anstellen, und er erscheint dann gleichsam als
ein Procurator des Staats, jedoch ohne die einem Pri-
vatprocurator obliegende Cautionspflicht (cc). Dazu ist
denn auch ohne Zweifel jeder filiusfamilias befugt (dd),
und eben so kann Keiner durch minima capitis deminutio
diese Befugniß verlieren, da er doch gewiß nicht aufge-
hört hat, unus ex populo zu seyn. Das Klagerecht selbst
ist auch zunächst gar nicht ein Bestandtheil des Vermö-
gens; durch die Litiscontestation verwandelt es sich in ei-
nen solchen, es wird nun, was es bis dahin nicht war,
eine wahre Obligation (ee), und diese Forderung, so wie

(bb) S. Note cc.

(cc) S. o. Note z. -- L. 43
§ 2 de proc. (3. 2.). "In po-
pularibus actionibus, ubi quis
quasi unus ex populo agit, de-
fensionem ut procurator prae-
stare cogendus non est." --
Weil er gleichsam ein Procurator
ist, kann er nicht wieder einen
Procurator bestellen (L. 5 de pop.
act. L. 42 pr. de proc.); eben
deswegen sind zu diesen Klagen
unfähig Diejenigen, welche über-
haupt nicht Procuratoren seyn
können (L. 4. 6 de pop. act.).
Beides aber ist anders, wenn der
Kläger zugleich ein eigenes In-
teresse verfolgt, d. h. wenn es
keine reine Popularklage ist. LL.
citt. und L. 45 § 1 de proc.
(3. 3.).

(dd) Gerade so kann auch der
filiusfamilias im Criminalprozeß
Ankläger seyn. Keinesweges wol-
len das L. 6 § 2 L. 37 ad L. Jul.
de adult. (48. 5.) auf den Ehe-
bruch beschränken.

(ee) L. 7 § 1 de pop. act. (47.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.

die Klage hat dann eine gemiſchte Natur, und tritt nicht
in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit hervor (bb). Dahin ge-
hoͤren mehrere der in dieſem §. abgehandelten einzelnen
Obligationen, z. B. die actio sepulchri violati (lit. B).
Anders, wenn ſolche Intereſſenten entweder gar nicht vor-
handen ſind, oder nicht klagen wollen. Nun kann Jeder
aus dem Volke, als Vertreter der allgemeinen Sicherheit,
die Klage anſtellen, und er erſcheint dann gleichſam als
ein Procurator des Staats, jedoch ohne die einem Pri-
vatprocurator obliegende Cautionspflicht (cc). Dazu iſt
denn auch ohne Zweifel jeder filiusfamilias befugt (dd),
und eben ſo kann Keiner durch minima capitis deminutio
dieſe Befugniß verlieren, da er doch gewiß nicht aufge-
hört hat, unus ex populo zu ſeyn. Das Klagerecht ſelbſt
iſt auch zunächſt gar nicht ein Beſtandtheil des Vermö-
gens; durch die Litisconteſtation verwandelt es ſich in ei-
nen ſolchen, es wird nun, was es bis dahin nicht war,
eine wahre Obligation (ee), und dieſe Forderung, ſo wie

(bb) S. Note cc.

(cc) S. o. Note z. — L. 43
§ 2 de proc. (3. 2.). „In po-
pularibus actionibus, ubi quis
quasi unus ex populo agit, de-
fensionem ut procurator prae-
stare cogendus non est.” —
Weil er gleichſam ein Procurator
iſt, kann er nicht wieder einen
Procurator beſtellen (L. 5 de pop.
act. L. 42 pr. de proc.); eben
deswegen ſind zu dieſen Klagen
unfähig Diejenigen, welche über-
haupt nicht Procuratoren ſeyn
können (L. 4. 6 de pop. act.).
Beides aber iſt anders, wenn der
Kläger zugleich ein eigenes In-
tereſſe verfolgt, d. h. wenn es
keine reine Popularklage iſt. LL.
citt. und L. 45 § 1 de proc.
(3. 3.).

(dd) Gerade ſo kann auch der
filiusfamilias im Criminalprozeß
Ankläger ſeyn. Keinesweges wol-
len das L. 6 § 2 L. 37 ad L. Jul.
de adult. (48. 5.) auf den Ehe-
bruch beſchränken.

(ee) L. 7 § 1 de pop. act. (47.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0146" n="132"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Per&#x017F;onen.</fw><lb/>
die Klage hat dann eine gemi&#x017F;chte Natur, und tritt nicht<lb/>
in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit hervor <note place="foot" n="(bb)">S. Note <hi rendition="#aq">cc.</hi></note>. Dahin ge-<lb/>
ho&#x0364;ren mehrere der in die&#x017F;em §. abgehandelten einzelnen<lb/>
Obligationen, z. B. die <hi rendition="#aq">actio sepulchri violati (lit. B).</hi><lb/>
Anders, wenn &#x017F;olche Intere&#x017F;&#x017F;enten entweder gar nicht vor-<lb/>
handen &#x017F;ind, oder nicht klagen wollen. Nun kann Jeder<lb/>
aus dem Volke, als Vertreter der allgemeinen Sicherheit,<lb/>
die Klage an&#x017F;tellen, und er er&#x017F;cheint dann gleich&#x017F;am als<lb/>
ein Procurator des Staats, jedoch ohne die einem Pri-<lb/>
vatprocurator obliegende Cautionspflicht <note place="foot" n="(cc)">S. o. Note <hi rendition="#aq">z. &#x2014; <hi rendition="#i">L.</hi> 43<lb/>
§ 2 <hi rendition="#i">de proc.</hi> (3. 2.). &#x201E;In po-<lb/>
pularibus actionibus, ubi quis<lb/><hi rendition="#i">quasi unus ex populo agit,</hi> de-<lb/>
fensionem ut procurator prae-<lb/>
stare cogendus non est.&#x201D;</hi> &#x2014;<lb/>
Weil er gleich&#x017F;am ein Procurator<lb/>
i&#x017F;t, kann er nicht wieder einen<lb/>
Procurator be&#x017F;tellen (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 5 <hi rendition="#i">de pop.<lb/>
act. L.</hi> 42 <hi rendition="#i">pr. de proc.</hi></hi>); eben<lb/>
deswegen &#x017F;ind zu die&#x017F;en Klagen<lb/>
unfähig Diejenigen, welche über-<lb/>
haupt nicht Procuratoren &#x017F;eyn<lb/>
können (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 4. 6 <hi rendition="#i">de pop. act.</hi></hi>).<lb/>
Beides aber i&#x017F;t anders, wenn der<lb/>
Kläger zugleich ein eigenes In-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e verfolgt, d. h. wenn es<lb/>
keine reine Popularklage i&#x017F;t. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">LL.<lb/>
citt.</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 45 § 1 <hi rendition="#i">de proc.</hi></hi><lb/>
(3. 3.).</note>. Dazu i&#x017F;t<lb/>
denn auch ohne Zweifel jeder <hi rendition="#aq">filiusfamilias</hi> befugt <note place="foot" n="(dd)">Gerade &#x017F;o kann auch der<lb/><hi rendition="#aq">filiusfamilias</hi> im Criminalprozeß<lb/>
Ankläger &#x017F;eyn. Keinesweges wol-<lb/>
len das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 6 § 2 <hi rendition="#i">L.</hi> 37 <hi rendition="#i">ad L. Jul.<lb/>
de adult.</hi></hi> (48. 5.) auf den Ehe-<lb/>
bruch be&#x017F;chränken.</note>,<lb/>
und eben &#x017F;o kann Keiner durch <hi rendition="#aq">minima capitis deminutio</hi><lb/>
die&#x017F;e Befugniß verlieren, da er doch gewiß nicht aufge-<lb/>
hört hat, <hi rendition="#aq">unus ex populo</hi> zu &#x017F;eyn. Das Klagerecht &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t auch zunäch&#x017F;t gar nicht ein Be&#x017F;tandtheil des Vermö-<lb/>
gens; durch die Litisconte&#x017F;tation verwandelt es &#x017F;ich in ei-<lb/>
nen &#x017F;olchen, es wird nun, was es bis dahin nicht war,<lb/>
eine wahre Obligation <note xml:id="seg2pn_28_1" next="#seg2pn_28_2" place="foot" n="(ee)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 7 § 1 <hi rendition="#i">de pop. act.</hi></hi> (47.</note>, und die&#x017F;e Forderung, &#x017F;o wie<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[132/0146] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. die Klage hat dann eine gemiſchte Natur, und tritt nicht in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit hervor (bb). Dahin ge- hoͤren mehrere der in dieſem §. abgehandelten einzelnen Obligationen, z. B. die actio sepulchri violati (lit. B). Anders, wenn ſolche Intereſſenten entweder gar nicht vor- handen ſind, oder nicht klagen wollen. Nun kann Jeder aus dem Volke, als Vertreter der allgemeinen Sicherheit, die Klage anſtellen, und er erſcheint dann gleichſam als ein Procurator des Staats, jedoch ohne die einem Pri- vatprocurator obliegende Cautionspflicht (cc). Dazu iſt denn auch ohne Zweifel jeder filiusfamilias befugt (dd), und eben ſo kann Keiner durch minima capitis deminutio dieſe Befugniß verlieren, da er doch gewiß nicht aufge- hört hat, unus ex populo zu ſeyn. Das Klagerecht ſelbſt iſt auch zunächſt gar nicht ein Beſtandtheil des Vermö- gens; durch die Litisconteſtation verwandelt es ſich in ei- nen ſolchen, es wird nun, was es bis dahin nicht war, eine wahre Obligation (ee), und dieſe Forderung, ſo wie (bb) S. Note cc. (cc) S. o. Note z. — L. 43 § 2 de proc. (3. 2.). „In po- pularibus actionibus, ubi quis quasi unus ex populo agit, de- fensionem ut procurator prae- stare cogendus non est.” — Weil er gleichſam ein Procurator iſt, kann er nicht wieder einen Procurator beſtellen (L. 5 de pop. act. L. 42 pr. de proc.); eben deswegen ſind zu dieſen Klagen unfähig Diejenigen, welche über- haupt nicht Procuratoren ſeyn können (L. 4. 6 de pop. act.). Beides aber iſt anders, wenn der Kläger zugleich ein eigenes In- tereſſe verfolgt, d. h. wenn es keine reine Popularklage iſt. LL. citt. und L. 45 § 1 de proc. (3. 3.). (dd) Gerade ſo kann auch der filiusfamilias im Criminalprozeß Ankläger ſeyn. Keinesweges wol- len das L. 6 § 2 L. 37 ad L. Jul. de adult. (48. 5.) auf den Ehe- bruch beſchränken. (ee) L. 7 § 1 de pop. act. (47.

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/146
Zitationshilfe:	Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/146>, abgerufen am 15.05.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.