Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Status und Capitis deminutio.
wartung weniger Rücksicht verdienen sollte, als die der
Intestaterbschaft der Agnaten.

Eben so müßte auch die Emancipation eine Capitis de-
minutio
des Vaters genannt werden. Denn der Vater
scheidet aus dem bisherigen Familienverhältniß aus, und
verliert dadurch die Möglichkeit, durch die Handlungen des
Sohnes Etwas zu erwerben, wodurch er vielleicht weit
reicher werden könnte, als durch die ganz unsichere Inte-
staterbfolge aller seiner Agnaten.

Unsere Erklärung hat mit diesen Schwierigkeiten wie-
der nicht zu kämpfen, da es augenscheinlich ist, daß in
allen solchen Ereignissen keine Verminderung der Rechts-
fähigkeit liegt.

Auf den hier entwickelten Grund übrigens will ich nicht
allzuviel Gewicht legen. Die Capitis deminutio ist ein
historischer Begriff, und es wäre denkbar, daß dieser auf
ganz unlogische Weise, ohne Rücksicht auf inneren Zu-
sammenhang, construirt und gegliedert worden wäre. Aber
für wahrscheinlich können wir das doch nicht halten, und
wenn es möglich ist eine Erklärung zu finden, durch welche
die Consequenz in der Ausbildung jenes Begriffs gerettet
wird, so verdient dieselbe entschieden den Vorzug vor der-
jenigen, die diesen Dienst nicht leistet.

Die hier hervorgehobene Schwäche der Erklärung des
Paulus ist auch in vielen neueren Behandlungen unsres
Gegenstandes sehr fühlbar. So in den beiden oben (Num. I.)
angeführten Schriften von Feuerbach und Löhr, die sich

Status und Capitis deminutio.
wartung weniger Rückſicht verdienen ſollte, als die der
Inteſtaterbſchaft der Agnaten.

Eben ſo müßte auch die Emancipation eine Capitis de-
minutio
des Vaters genannt werden. Denn der Vater
ſcheidet aus dem bisherigen Familienverhältniß aus, und
verliert dadurch die Möglichkeit, durch die Handlungen des
Sohnes Etwas zu erwerben, wodurch er vielleicht weit
reicher werden koͤnnte, als durch die ganz unſichere Inte-
ſtaterbfolge aller ſeiner Agnaten.

Unſere Erklärung hat mit dieſen Schwierigkeiten wie-
der nicht zu kämpfen, da es augenſcheinlich iſt, daß in
allen ſolchen Ereigniſſen keine Verminderung der Rechts-
fähigkeit liegt.

Auf den hier entwickelten Grund übrigens will ich nicht
allzuviel Gewicht legen. Die Capitis deminutio iſt ein
hiſtoriſcher Begriff, und es wäre denkbar, daß dieſer auf
ganz unlogiſche Weiſe, ohne Rückſicht auf inneren Zu-
ſammenhang, conſtruirt und gegliedert worden wäre. Aber
für wahrſcheinlich können wir das doch nicht halten, und
wenn es möglich iſt eine Erklärung zu finden, durch welche
die Conſequenz in der Ausbildung jenes Begriffs gerettet
wird, ſo verdient dieſelbe entſchieden den Vorzug vor der-
jenigen, die dieſen Dienſt nicht leiſtet.

Die hier hervorgehobene Schwäche der Erklärung des
Paulus iſt auch in vielen neueren Behandlungen unſres
Gegenſtandes ſehr fuͤhlbar. So in den beiden oben (Num. I.)
angeführten Schriften von Feuerbach und Löhr, die ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0503" n="489"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Status</hi> und <hi rendition="#aq">Capitis deminutio.</hi></fw><lb/>
wartung weniger Rück&#x017F;icht verdienen &#x017F;ollte, als die der<lb/>
Inte&#x017F;taterb&#x017F;chaft der Agnaten.</p><lb/>
            <p>Eben &#x017F;o müßte auch die Emancipation eine <hi rendition="#aq">Capitis de-<lb/>
minutio</hi> des Vaters genannt werden. Denn der Vater<lb/>
&#x017F;cheidet aus dem bisherigen Familienverhältniß aus, und<lb/>
verliert dadurch die Möglichkeit, durch die Handlungen des<lb/>
Sohnes Etwas zu erwerben, wodurch er vielleicht weit<lb/>
reicher werden ko&#x0364;nnte, als durch die ganz un&#x017F;ichere Inte-<lb/>
&#x017F;taterbfolge aller &#x017F;einer Agnaten.</p><lb/>
            <p>Un&#x017F;ere Erklärung hat mit die&#x017F;en Schwierigkeiten wie-<lb/>
der nicht zu kämpfen, da es augen&#x017F;cheinlich i&#x017F;t, daß in<lb/>
allen &#x017F;olchen Ereigni&#x017F;&#x017F;en keine Verminderung der Rechts-<lb/>
fähigkeit liegt.</p><lb/>
            <p>Auf den hier entwickelten Grund übrigens will ich nicht<lb/>
allzuviel Gewicht legen. Die <hi rendition="#aq">Capitis deminutio</hi> i&#x017F;t ein<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;cher Begriff, und es wäre denkbar, daß die&#x017F;er auf<lb/>
ganz unlogi&#x017F;che Wei&#x017F;e, ohne Rück&#x017F;icht auf inneren Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang, con&#x017F;truirt und gegliedert worden wäre. Aber<lb/>
für wahr&#x017F;cheinlich können wir das doch nicht halten, und<lb/>
wenn es möglich i&#x017F;t eine Erklärung zu finden, durch welche<lb/>
die Con&#x017F;equenz in der Ausbildung jenes Begriffs gerettet<lb/>
wird, &#x017F;o verdient die&#x017F;elbe ent&#x017F;chieden den Vorzug vor der-<lb/>
jenigen, die die&#x017F;en Dien&#x017F;t nicht lei&#x017F;tet.</p><lb/>
            <p>Die hier hervorgehobene Schwäche der Erklärung des<lb/>
Paulus i&#x017F;t auch in vielen neueren Behandlungen un&#x017F;res<lb/>
Gegen&#x017F;tandes &#x017F;ehr fu&#x0364;hlbar. So in den beiden oben (Num. <hi rendition="#aq">I.</hi>)<lb/>
angeführten Schriften von Feuerbach und Löhr, die &#x017F;ich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[489/0503] Status und Capitis deminutio. wartung weniger Rückſicht verdienen ſollte, als die der Inteſtaterbſchaft der Agnaten. Eben ſo müßte auch die Emancipation eine Capitis de- minutio des Vaters genannt werden. Denn der Vater ſcheidet aus dem bisherigen Familienverhältniß aus, und verliert dadurch die Möglichkeit, durch die Handlungen des Sohnes Etwas zu erwerben, wodurch er vielleicht weit reicher werden koͤnnte, als durch die ganz unſichere Inte- ſtaterbfolge aller ſeiner Agnaten. Unſere Erklärung hat mit dieſen Schwierigkeiten wie- der nicht zu kämpfen, da es augenſcheinlich iſt, daß in allen ſolchen Ereigniſſen keine Verminderung der Rechts- fähigkeit liegt. Auf den hier entwickelten Grund übrigens will ich nicht allzuviel Gewicht legen. Die Capitis deminutio iſt ein hiſtoriſcher Begriff, und es wäre denkbar, daß dieſer auf ganz unlogiſche Weiſe, ohne Rückſicht auf inneren Zu- ſammenhang, conſtruirt und gegliedert worden wäre. Aber für wahrſcheinlich können wir das doch nicht halten, und wenn es möglich iſt eine Erklärung zu finden, durch welche die Conſequenz in der Ausbildung jenes Begriffs gerettet wird, ſo verdient dieſelbe entſchieden den Vorzug vor der- jenigen, die dieſen Dienſt nicht leiſtet. Die hier hervorgehobene Schwäche der Erklärung des Paulus iſt auch in vielen neueren Behandlungen unſres Gegenſtandes ſehr fuͤhlbar. So in den beiden oben (Num. I.) angeführten Schriften von Feuerbach und Löhr, die ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/503
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/503>, abgerufen am 06.05.2024.