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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Beylage VII.

4) Die vollständigste Bestätigung aber für unsre Be-
hauptung über den praktischen Sinn der L. Julia liegt in
den späteren Ereignissen. Unter Marc Aurel wurde ein
Senatsschluß erlassen, nach welchem die Ehen der Frey-
gelassenen mit den Senatoren und deren Nachkommen nich-
tig seyn sollten, und dieser Senatsschluß wird von dieser
Zeit an stets als Ursprung der Nichtigkeit solcher Ehen
angeführt (f). Hieraus folgt nun unwidersprechlich:

a) Daß vorher die Ehe zwischen Senatoren und Frey-
gelassenen keinesweges nichtig war.

b) Daß vorher und nachher die Ehe zwischen Sena-
toren und Infamen eben so wenig nichtig war; nur wurde
die Nichtigkeit durch Interpretation noch ausgedehnt auf
die Ehen mit Schauspielern und deren Kindern, oder sol-
chen Personen, die ein anderes der Sittenlosigkeit höchst
verdächtiges Gewerbe trieben (g); niemals auf Infame
überhaupt (h).


(f) L. 16 pr. de ritu nupt.
(23. 2.). "Oratione D. Marci
cavetur, ut si Senatoris filia
libertino nupsisset, ncc nuptiae
essent:
quam et Senatusconsul-
tum secutum est." L. 16 de
spons.
(23. 1.). "Oratio Impp.
Antonini et Commodi, quae
quasdam nuptias in persona
Senatorum inhibuit,
de spon-
salibus nihil locuta est: recte
tamen dicitur, etiam sponsalia
in his casibus ipso jure nullius
esse momenti:
ut suppleatur
quod orationi deest."
Vgl. L 3
§ 1 de don. int. vir. et ux. (24.
1.), L. 27 L. 34 § 3 de ritu
nupt.
(23. 2.).
(g) Die Ausdehnung auf Schau-
spieler und deren Kinder kennt
schon Modestin. L. 42 § 1 de
ritu nupt.
(23. 2.). Vollständi-
ger wurde der Rechtssatz ausge-
bildet von Constantin (L. 1 C.
de natur. lib.
5. 27.), und des-
sen Constitution wurde wieder nä-
her bestimmt von Marcian (L. 7
C. dc incestis
5. 5.).
(h) Die angeführten Gesetze be-
ziehen die Nichtigkeit durchaus nur
Beylage VII.

4) Die vollſtändigſte Beſtätigung aber für unſre Be-
hauptung über den praktiſchen Sinn der L. Julia liegt in
den ſpäteren Ereigniſſen. Unter Marc Aurel wurde ein
Senatsſchluß erlaſſen, nach welchem die Ehen der Frey-
gelaſſenen mit den Senatoren und deren Nachkommen nich-
tig ſeyn ſollten, und dieſer Senatsſchluß wird von dieſer
Zeit an ſtets als Urſprung der Nichtigkeit ſolcher Ehen
angeführt (f). Hieraus folgt nun unwiderſprechlich:

a) Daß vorher die Ehe zwiſchen Senatoren und Frey-
gelaſſenen keinesweges nichtig war.

b) Daß vorher und nachher die Ehe zwiſchen Sena-
toren und Infamen eben ſo wenig nichtig war; nur wurde
die Nichtigkeit durch Interpretation noch ausgedehnt auf
die Ehen mit Schauſpielern und deren Kindern, oder ſol-
chen Perſonen, die ein anderes der Sittenloſigkeit höchſt
verdächtiges Gewerbe trieben (g); niemals auf Infame
überhaupt (h).


(f) L. 16 pr. de ritu nupt.
(23. 2.). „Oratione D. Marci
cavetur, ut si Senatoris filia
libertino nupsisset, ncc nuptiae
essent:
quam et Senatusconsul-
tum secutum est.” L. 16 de
spons.
(23. 1.). „Oratio Impp.
Antonini et Commodi, quae
quasdam nuptias in persona
Senatorum inhibuit,
de spon-
salibus nihil locuta est: recte
tamen dicitur, etiam sponsalia
in his casibus ipso jure nullius
esse momenti:
ut suppleatur
quod orationi deest.”
Vgl. L 3
§ 1 de don. int. vir. et ux. (24.
1.), L. 27 L. 34 § 3 de ritu
nupt.
(23. 2.).
(g) Die Ausdehnung auf Schau-
ſpieler und deren Kinder kennt
ſchon Modeſtin. L. 42 § 1 de
ritu nupt.
(23. 2.). Vollſtändi-
ger wurde der Rechtsſatz ausge-
bildet von Conſtantin (L. 1 C.
de natur. lib.
5. 27.), und deſ-
ſen Conſtitution wurde wieder nä-
her beſtimmt von Marcian (L. 7
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5. 5.).
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ziehen die Nichtigkeit durchaus nur
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[526/0540] Beylage VII. 4) Die vollſtändigſte Beſtätigung aber für unſre Be- hauptung über den praktiſchen Sinn der L. Julia liegt in den ſpäteren Ereigniſſen. Unter Marc Aurel wurde ein Senatsſchluß erlaſſen, nach welchem die Ehen der Frey- gelaſſenen mit den Senatoren und deren Nachkommen nich- tig ſeyn ſollten, und dieſer Senatsſchluß wird von dieſer Zeit an ſtets als Urſprung der Nichtigkeit ſolcher Ehen angeführt (f). Hieraus folgt nun unwiderſprechlich: a) Daß vorher die Ehe zwiſchen Senatoren und Frey- gelaſſenen keinesweges nichtig war. b) Daß vorher und nachher die Ehe zwiſchen Sena- toren und Infamen eben ſo wenig nichtig war; nur wurde die Nichtigkeit durch Interpretation noch ausgedehnt auf die Ehen mit Schauſpielern und deren Kindern, oder ſol- chen Perſonen, die ein anderes der Sittenloſigkeit höchſt verdächtiges Gewerbe trieben (g); niemals auf Infame überhaupt (h). (f) L. 16 pr. de ritu nupt. (23. 2.). „Oratione D. Marci cavetur, ut si Senatoris filia libertino nupsisset, ncc nuptiae essent: quam et Senatusconsul- tum secutum est.” L. 16 de spons. (23. 1.). „Oratio Impp. Antonini et Commodi, quae quasdam nuptias in persona Senatorum inhibuit, de spon- salibus nihil locuta est: recte tamen dicitur, etiam sponsalia in his casibus ipso jure nullius esse momenti: ut suppleatur quod orationi deest.” Vgl. L 3 § 1 de don. int. vir. et ux. (24. 1.), L. 27 L. 34 § 3 de ritu nupt. (23. 2.). (g) Die Ausdehnung auf Schau- ſpieler und deren Kinder kennt ſchon Modeſtin. L. 42 § 1 de ritu nupt. (23. 2.). Vollſtändi- ger wurde der Rechtsſatz ausge- bildet von Conſtantin (L. 1 C. de natur. lib. 5. 27.), und deſ- ſen Conſtitution wurde wieder nä- her beſtimmt von Marcian (L. 7 C. dc incestis 5. 5.). (h) Die angeführten Geſetze be- ziehen die Nichtigkeit durchaus nur

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/540>, abgerufen am 30.04.2024.