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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Beylage VII.
schon jenes ursprüngliche Verbot von wahrer, vollständi-
ger Nichtigkeit der Ehe, so daß für den schärfenden Se-
natsschluß keine andere neue und eigenthümliche Wirkung
übrig bleibt, als die Ehegatten polizeylich aus einander
zu treiben, woran denn freylich das Römische Recht hierin
niemals gedacht hat.

Mit diesen falschen Grundansichten der Neueren hän-
gen auch einige nicht unwichtige falsche Auslegungen ein-
zelner Stellen zusammen. Dahin gehört der Anfang des
Institutionentitels de nuptiis: Justas autem nuptias inter
se cives Romani contrahunt, qui secundum praecepta le-
gum
coeunt.
Hier sollen praecepta legum die Vorschrif-
ten der L. Julia und Papia Poppaea seyn. Daran kann
aber weder Justinian, noch der alte Jurist, aus welchem
diese Stelle genommen seyn mag, gedacht haben. Erstlich
weil in der That der Begriff der justae nuptiae von der
Beobachtung jener Vorschriften unabhängig war (Num. III.);
zweytens weil, wenn es auch nicht so gewesen wäre, der
Begriff der justae nuptiae unmöglich als von diesen Vor-
schriften allein abhängig dargestellt werden konnte, mit
Übergehung der weit wichtigeren Bedingungen des alten
jus civile. Daher sind hier praecepta legum die Vor-
schriften des positiven Rechts überhaupt, ohne speciellere
historische Andeutung. -- Ferner gehört dahin eine schwie-
rige Stelle des Paulus in der Collatio (XVI. 3), worin
der Begriff der Sui heredes dahin bestimmt wird, es seyen
die in väterlicher Gewalt stehenden Kinder, mit folgender

Beylage VII.
ſchon jenes urſprüngliche Verbot von wahrer, vollſtändi-
ger Nichtigkeit der Ehe, ſo daß für den ſchärfenden Se-
natsſchluß keine andere neue und eigenthümliche Wirkung
übrig bleibt, als die Ehegatten polizeylich aus einander
zu treiben, woran denn freylich das Römiſche Recht hierin
niemals gedacht hat.

Mit dieſen falſchen Grundanſichten der Neueren hän-
gen auch einige nicht unwichtige falſche Auslegungen ein-
zelner Stellen zuſammen. Dahin gehört der Anfang des
Inſtitutionentitels de nuptiis: Justas autem nuptias inter
se cives Romani contrahunt, qui secundum praecepta le-
gum
coëunt.
Hier ſollen praecepta legum die Vorſchrif-
ten der L. Julia und Papia Poppaea ſeyn. Daran kann
aber weder Juſtinian, noch der alte Juriſt, aus welchem
dieſe Stelle genommen ſeyn mag, gedacht haben. Erſtlich
weil in der That der Begriff der justae nuptiae von der
Beobachtung jener Vorſchriften unabhängig war (Num. III.);
zweytens weil, wenn es auch nicht ſo geweſen wäre, der
Begriff der justae nuptiae unmöglich als von dieſen Vor-
ſchriften allein abhängig dargeſtellt werden konnte, mit
Übergehung der weit wichtigeren Bedingungen des alten
jus civile. Daher ſind hier praecepta legum die Vor-
ſchriften des poſitiven Rechts überhaupt, ohne ſpeciellere
hiſtoriſche Andeutung. — Ferner gehört dahin eine ſchwie-
rige Stelle des Paulus in der Collatio (XVI. 3), worin
der Begriff der Sui heredes dahin beſtimmt wird, es ſeyen
die in väterlicher Gewalt ſtehenden Kinder, mit folgender

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[528/0542] Beylage VII. ſchon jenes urſprüngliche Verbot von wahrer, vollſtändi- ger Nichtigkeit der Ehe, ſo daß für den ſchärfenden Se- natsſchluß keine andere neue und eigenthümliche Wirkung übrig bleibt, als die Ehegatten polizeylich aus einander zu treiben, woran denn freylich das Römiſche Recht hierin niemals gedacht hat. Mit dieſen falſchen Grundanſichten der Neueren hän- gen auch einige nicht unwichtige falſche Auslegungen ein- zelner Stellen zuſammen. Dahin gehört der Anfang des Inſtitutionentitels de nuptiis: Justas autem nuptias inter se cives Romani contrahunt, qui secundum praecepta le- gum coëunt. Hier ſollen praecepta legum die Vorſchrif- ten der L. Julia und Papia Poppaea ſeyn. Daran kann aber weder Juſtinian, noch der alte Juriſt, aus welchem dieſe Stelle genommen ſeyn mag, gedacht haben. Erſtlich weil in der That der Begriff der justae nuptiae von der Beobachtung jener Vorſchriften unabhängig war (Num. III.); zweytens weil, wenn es auch nicht ſo geweſen wäre, der Begriff der justae nuptiae unmöglich als von dieſen Vor- ſchriften allein abhängig dargeſtellt werden konnte, mit Übergehung der weit wichtigeren Bedingungen des alten jus civile. Daher ſind hier praecepta legum die Vor- ſchriften des poſitiven Rechts überhaupt, ohne ſpeciellere hiſtoriſche Andeutung. — Ferner gehört dahin eine ſchwie- rige Stelle des Paulus in der Collatio (XVI. 3), worin der Begriff der Sui heredes dahin beſtimmt wird, es ſeyen die in väterlicher Gewalt ſtehenden Kinder, mit folgender

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/542>, abgerufen am 30.04.2024.