Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage VII.
wenn er schon bey der ersten Abfassung des Edicts hätte
aufgenommen werden können.

In der Folge aber ereignete sich hierin eine sehr wich-
tige Veränderung. Ein Senatsschluß aus unbekannter
Zeit (a) trennte die zwey für Frauen neu aufgenommenen
Fälle der Infamie. Die Verletzung der Trauerpflicht (ohne
darum gebilligt zu werden) sollte hinfort keine rechtlichen
Folgen mehr nach sich ziehen, also nicht mehr infami-
ren: dagegen wurde bey der übereilten Ehe die Infamie
der Frau und des neuen Ehemannes bestätigt (b). Der
hieraus hervorgehende Rechtszustand ist sehr bestimmt aus-
gesprochen in einer Stelle des Ulpian, worin die Trauer
allgemein, und ohne Unterschied der Geschlechter, als eine
bloße Sache der Pietät, ohne rechtliche Folgen, insbeson-
dere ohne die Folge der Infamie, dargestellt wird (c).

(a) Allzu spät können wir den-
selben schon deswegen nicht an-
setzen, weil überhaupt kein siche-
res Senatusconsult aus der Zeit
nach Severus vorhanden ist.
(b) L. 15 C. ex quib. causis
inf.
(2. 12.). "Imp. Gordia-
nus. Decreto amplissimi ordi-
nis luctu foeminarum deminu-
to, tristior habitus ceteraque
hoc genus insignia, mulieribus
remittuntur: non etiam
intra
tempus, quo his elugere mari-
tum moris est, matrimonium
contrahere permittitur:
cum
etiam, si nuptias alias intra
hoc tempus secuta est, tam ea,
quam is qui sciens eam duxit
uxorem
, etiamsi miles sit, per-
petuo Edicto labem pudoris con-
trahat.
239."
Das heißt: in die-
sem zweyten Fall soll es bey der
im Edict (nach seiner neuesten Er-
gänzung) angedrohten Infamie
verbleiben, im ersten Fall soll die-
selbe nicht mehr gelten.
(c) L. 23 de his qui not. (3.
2.). "Parentes, et liberi utri-
usque sexus, nec non et ceteri
agnati vel cognati, secundum
pietatis rationem et animi sui
patientiam, prout quisque vo-
luerit, lugendi sunt: qui autem
eos non eluxit, non notatur in-
famia."
Der hier ausgedrückte
Gedanke kann so entwickelt und

Beylage VII.
wenn er ſchon bey der erſten Abfaſſung des Edicts hätte
aufgenommen werden können.

In der Folge aber ereignete ſich hierin eine ſehr wich-
tige Veränderung. Ein Senatsſchluß aus unbekannter
Zeit (a) trennte die zwey für Frauen neu aufgenommenen
Fälle der Infamie. Die Verletzung der Trauerpflicht (ohne
darum gebilligt zu werden) ſollte hinfort keine rechtlichen
Folgen mehr nach ſich ziehen, alſo nicht mehr infami-
ren: dagegen wurde bey der übereilten Ehe die Infamie
der Frau und des neuen Ehemannes beſtätigt (b). Der
hieraus hervorgehende Rechtszuſtand iſt ſehr beſtimmt aus-
geſprochen in einer Stelle des Ulpian, worin die Trauer
allgemein, und ohne Unterſchied der Geſchlechter, als eine
bloße Sache der Pietät, ohne rechtliche Folgen, insbeſon-
dere ohne die Folge der Infamie, dargeſtellt wird (c).

(a) Allzu ſpät können wir den-
ſelben ſchon deswegen nicht an-
ſetzen, weil überhaupt kein ſiche-
res Senatusconſult aus der Zeit
nach Severus vorhanden iſt.
(b) L. 15 C. ex quib. causis
inf.
(2. 12.). „Imp. Gordia-
nus. Decreto amplissimi ordi-
nis luctu foeminarum deminu-
to, tristior habitus ceteraque
hoc genus insignia, mulieribus
remittuntur: non etiam
intra
tempus, quo his elugere mari-
tum moris est, matrimonium
contrahere permittitur:
cum
etiam, si nuptias alias intra
hoc tempus secuta est, tam ea,
quam is qui sciens eam duxit
uxorem
, etiamsi miles sit, per-
petuo Edicto labem pudoris con-
trahat.
239.”
Das heißt: in die-
ſem zweyten Fall ſoll es bey der
im Edict (nach ſeiner neueſten Er-
gänzung) angedrohten Infamie
verbleiben, im erſten Fall ſoll die-
ſelbe nicht mehr gelten.
(c) L. 23 de his qui not. (3.
2.). „Parentes, et liberi utri-
usque sexus, nec non et ceteri
agnati vel cognati, secundum
pietatis rationem et animi sui
patientiam, prout quisque vo-
luerit, lugendi sunt: qui autem
eos non eluxit, non notatur in-
famia.”
Der hier ausgedrückte
Gedanke kann ſo entwickelt und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0560" n="546"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VII.</hi></fw><lb/>
wenn er &#x017F;chon bey der er&#x017F;ten Abfa&#x017F;&#x017F;ung des Edicts hätte<lb/>
aufgenommen werden können.</p><lb/>
            <p>In der Folge aber ereignete &#x017F;ich hierin eine &#x017F;ehr wich-<lb/>
tige Veränderung. Ein Senats&#x017F;chluß aus unbekannter<lb/>
Zeit <note place="foot" n="(a)">Allzu &#x017F;pät können wir den-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;chon deswegen nicht an-<lb/>
&#x017F;etzen, weil überhaupt kein &#x017F;iche-<lb/>
res Senatuscon&#x017F;ult aus der Zeit<lb/>
nach Severus vorhanden i&#x017F;t.</note> trennte die zwey für Frauen neu aufgenommenen<lb/>
Fälle der Infamie. Die Verletzung der Trauerpflicht (ohne<lb/>
darum gebilligt zu werden) &#x017F;ollte hinfort keine rechtlichen<lb/>
Folgen mehr nach &#x017F;ich ziehen, al&#x017F;o nicht mehr infami-<lb/>
ren: dagegen wurde bey der übereilten Ehe die Infamie<lb/>
der Frau und des neuen Ehemannes be&#x017F;tätigt <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 15 <hi rendition="#i">C. ex quib. causis<lb/>
inf.</hi> (2. 12.). &#x201E;Imp. Gordia-<lb/>
nus. Decreto amplissimi ordi-<lb/>
nis luctu foeminarum deminu-<lb/>
to, <hi rendition="#i">tristior habitus ceteraque<lb/>
hoc genus insignia, mulieribus<lb/>
remittuntur: non etiam</hi> intra<lb/>
tempus, quo his elugere mari-<lb/>
tum moris est, <hi rendition="#i">matrimonium<lb/>
contrahere permittitur:</hi> cum<lb/>
etiam, si nuptias alias intra<lb/>
hoc tempus secuta est, <hi rendition="#i">tam ea,</hi><lb/>
quam <hi rendition="#i">is qui sciens eam duxit<lb/>
uxorem</hi>, etiamsi miles sit, <hi rendition="#i">per-<lb/>
petuo Edicto labem pudoris con-<lb/>
trahat.</hi> 239.&#x201D;</hi> Das heißt: in die-<lb/>
&#x017F;em zweyten Fall &#x017F;oll es bey der<lb/>
im Edict (nach &#x017F;einer neue&#x017F;ten Er-<lb/>
gänzung) angedrohten Infamie<lb/>
verbleiben, im er&#x017F;ten Fall &#x017F;oll die-<lb/>
&#x017F;elbe nicht mehr gelten.</note>. Der<lb/>
hieraus hervorgehende Rechtszu&#x017F;tand i&#x017F;t &#x017F;ehr be&#x017F;timmt aus-<lb/>
ge&#x017F;prochen in einer Stelle des Ulpian, worin die Trauer<lb/>
allgemein, und ohne Unter&#x017F;chied der Ge&#x017F;chlechter, als eine<lb/>
bloße Sache der Pietät, ohne rechtliche Folgen, insbe&#x017F;on-<lb/>
dere ohne die Folge der Infamie, darge&#x017F;tellt wird <note xml:id="seg2pn_89_1" next="#seg2pn_89_2" place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 23 <hi rendition="#i">de his qui not.</hi> (3.<lb/>
2.). &#x201E;Parentes, et liberi utri-<lb/>
usque sexus, nec non et ceteri<lb/>
agnati vel cognati, secundum<lb/>
pietatis rationem et animi sui<lb/>
patientiam, prout quisque vo-<lb/>
luerit, lugendi sunt: qui autem<lb/>
eos non eluxit, non notatur in-<lb/>
famia.&#x201D;</hi> Der hier ausgedrückte<lb/>
Gedanke kann &#x017F;o entwickelt und</note>.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[546/0560] Beylage VII. wenn er ſchon bey der erſten Abfaſſung des Edicts hätte aufgenommen werden können. In der Folge aber ereignete ſich hierin eine ſehr wich- tige Veränderung. Ein Senatsſchluß aus unbekannter Zeit (a) trennte die zwey für Frauen neu aufgenommenen Fälle der Infamie. Die Verletzung der Trauerpflicht (ohne darum gebilligt zu werden) ſollte hinfort keine rechtlichen Folgen mehr nach ſich ziehen, alſo nicht mehr infami- ren: dagegen wurde bey der übereilten Ehe die Infamie der Frau und des neuen Ehemannes beſtätigt (b). Der hieraus hervorgehende Rechtszuſtand iſt ſehr beſtimmt aus- geſprochen in einer Stelle des Ulpian, worin die Trauer allgemein, und ohne Unterſchied der Geſchlechter, als eine bloße Sache der Pietät, ohne rechtliche Folgen, insbeſon- dere ohne die Folge der Infamie, dargeſtellt wird (c). (a) Allzu ſpät können wir den- ſelben ſchon deswegen nicht an- ſetzen, weil überhaupt kein ſiche- res Senatusconſult aus der Zeit nach Severus vorhanden iſt. (b) L. 15 C. ex quib. causis inf. (2. 12.). „Imp. Gordia- nus. Decreto amplissimi ordi- nis luctu foeminarum deminu- to, tristior habitus ceteraque hoc genus insignia, mulieribus remittuntur: non etiam intra tempus, quo his elugere mari- tum moris est, matrimonium contrahere permittitur: cum etiam, si nuptias alias intra hoc tempus secuta est, tam ea, quam is qui sciens eam duxit uxorem, etiamsi miles sit, per- petuo Edicto labem pudoris con- trahat. 239.” Das heißt: in die- ſem zweyten Fall ſoll es bey der im Edict (nach ſeiner neueſten Er- gänzung) angedrohten Infamie verbleiben, im erſten Fall ſoll die- ſelbe nicht mehr gelten. (c) L. 23 de his qui not. (3. 2.). „Parentes, et liberi utri- usque sexus, nec non et ceteri agnati vel cognati, secundum pietatis rationem et animi sui patientiam, prout quisque vo- luerit, lugendi sunt: qui autem eos non eluxit, non notatur in- famia.” Der hier ausgedrückte Gedanke kann ſo entwickelt und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/560
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/560>, abgerufen am 14.05.2024.