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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Beylage VIII.
einseitige Anerkennung einer schon vorhandenen Freyheit ist
eine gleichgültige, wirkungslose Handlung.

Wenn ein Erbe gegen seine Miterben eine unvollstän-
dige Collation vornimmt, indem diese sie für vollständig
halten, also nicht durch Vertrag das Fehlende erlassen,
so können dieselben das Fehlende in der Theilung nach-
fordern, weil jene vorläufige Handlung an sich nichts
Rechtsverbindliches hat (f). Es ist also wie eine unvoll-
ständige Geldzahlung, die man für vollständig hält, und
wodurch die Nachforderung des Restes nicht ausgeschlos-
sen wird (g).

Wer ein Stück seines Vermögens für mütterliches Erb-
gut irrig erklärt, da es in der That väterliches ist, wird
dadurch nicht gebunden, weil eine solche einseitige Erklä-
rung an sich nichts Verbindliches hat (h).

Nach altem Recht sollte der Ehelose aus einem Testa-
ment gar Nichts bekommen können, der Kinderlose nur
die Hälfte des ihm angewiesenen Werthes; das, was ein

und die Berufung auf den Irr-
thum konnte dazu dienen, um die
Behauptung einer solchen zu wi-
derlegen. Dann aber stand doch
nur die Thatsache in Frage, und
der Grund, warum der Sklave
nicht frey wurde, lag nicht in dem
Irrthum, sondern darin daß der
Wille des Herrn, den Sklaven
in einen Freyen zu verwandeln,
nicht vorhanden war.
(f) L. 20 pr. fam. hercisc.
(10. 2.).
(g) Wer zu viel zahlt, bedarf
einer condictio indebiti, weil
die Tradition des Geldes Eigen-
thum übertragen hat. Wer zu
wenig annimmt, bedarf weder
einer Klage noch einer Exception,
weil für den nicht gezahlten Theil
der Schuld noch gar nichts juri-
stisch Wirksames geschehen ist.
Nur wenn eine Acceptilation der
ganzen Schuld hinzugekommen
wäre, würde er eine condictio
gebrauchen.
(h) L. 5 C. de jur. et facti
ign.
(1. 18.).

Beylage VIII.
einſeitige Anerkennung einer ſchon vorhandenen Freyheit iſt
eine gleichgültige, wirkungsloſe Handlung.

Wenn ein Erbe gegen ſeine Miterben eine unvollſtän-
dige Collation vornimmt, indem dieſe ſie für vollſtändig
halten, alſo nicht durch Vertrag das Fehlende erlaſſen,
ſo können dieſelben das Fehlende in der Theilung nach-
fordern, weil jene vorläufige Handlung an ſich nichts
Rechtsverbindliches hat (f). Es iſt alſo wie eine unvoll-
ſtändige Geldzahlung, die man für vollſtändig hält, und
wodurch die Nachforderung des Reſtes nicht ausgeſchloſ-
ſen wird (g).

Wer ein Stück ſeines Vermögens für mütterliches Erb-
gut irrig erklärt, da es in der That väterliches iſt, wird
dadurch nicht gebunden, weil eine ſolche einſeitige Erklä-
rung an ſich nichts Verbindliches hat (h).

Nach altem Recht ſollte der Eheloſe aus einem Teſta-
ment gar Nichts bekommen können, der Kinderloſe nur
die Hälfte des ihm angewieſenen Werthes; das, was ein

und die Berufung auf den Irr-
thum konnte dazu dienen, um die
Behauptung einer ſolchen zu wi-
derlegen. Dann aber ſtand doch
nur die Thatſache in Frage, und
der Grund, warum der Sklave
nicht frey wurde, lag nicht in dem
Irrthum, ſondern darin daß der
Wille des Herrn, den Sklaven
in einen Freyen zu verwandeln,
nicht vorhanden war.
(f) L. 20 pr. fam. hercisc.
(10. 2.).
(g) Wer zu viel zahlt, bedarf
einer condictio indebiti, weil
die Tradition des Geldes Eigen-
thum übertragen hat. Wer zu
wenig annimmt, bedarf weder
einer Klage noch einer Exception,
weil für den nicht gezahlten Theil
der Schuld noch gar nichts juri-
ſtiſch Wirkſames geſchehen iſt.
Nur wenn eine Acceptilation der
ganzen Schuld hinzugekommen
wäre, würde er eine condictio
gebrauchen.
(h) L. 5 C. de jur. et facti
ign.
(1. 18.).
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[442/0454] Beylage VIII. einſeitige Anerkennung einer ſchon vorhandenen Freyheit iſt eine gleichgültige, wirkungsloſe Handlung. Wenn ein Erbe gegen ſeine Miterben eine unvollſtän- dige Collation vornimmt, indem dieſe ſie für vollſtändig halten, alſo nicht durch Vertrag das Fehlende erlaſſen, ſo können dieſelben das Fehlende in der Theilung nach- fordern, weil jene vorläufige Handlung an ſich nichts Rechtsverbindliches hat (f). Es iſt alſo wie eine unvoll- ſtändige Geldzahlung, die man für vollſtändig hält, und wodurch die Nachforderung des Reſtes nicht ausgeſchloſ- ſen wird (g). Wer ein Stück ſeines Vermögens für mütterliches Erb- gut irrig erklärt, da es in der That väterliches iſt, wird dadurch nicht gebunden, weil eine ſolche einſeitige Erklä- rung an ſich nichts Verbindliches hat (h). Nach altem Recht ſollte der Eheloſe aus einem Teſta- ment gar Nichts bekommen können, der Kinderloſe nur die Hälfte des ihm angewieſenen Werthes; das, was ein (e) (f) L. 20 pr. fam. hercisc. (10. 2.). (g) Wer zu viel zahlt, bedarf einer condictio indebiti, weil die Tradition des Geldes Eigen- thum übertragen hat. Wer zu wenig annimmt, bedarf weder einer Klage noch einer Exception, weil für den nicht gezahlten Theil der Schuld noch gar nichts juri- ſtiſch Wirkſames geſchehen iſt. Nur wenn eine Acceptilation der ganzen Schuld hinzugekommen wäre, würde er eine condictio gebrauchen. (h) L. 5 C. de jur. et facti ign. (1. 18.). (e) und die Berufung auf den Irr- thum konnte dazu dienen, um die Behauptung einer ſolchen zu wi- derlegen. Dann aber ſtand doch nur die Thatſache in Frage, und der Grund, warum der Sklave nicht frey wurde, lag nicht in dem Irrthum, ſondern darin daß der Wille des Herrn, den Sklaven in einen Freyen zu verwandeln, nicht vorhanden war.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/454>, abgerufen am 30.04.2024.