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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 158. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 3. Liberare.
die ohnehin nicht gezahlt werden konnte, factisch als gleich-
gültig erscheint, so ist dennoch die Erweiterung des Ver-
mögens unzweifelhaft. Denn das Vermögen gilt stets als
eine unbestimmte Größe, wobey nicht blos die Summe
als unbestimmt gedacht werden muß, sondern selbst der
positive oder negative Totalwerth. Sollte also das Ver-
mögen auch eine negative Größe seyn, so liegt doch, ju-
ristisch betrachtet, in jeder Verminderung des Minus eine
ganz gleichartige Veränderung, wie wenn bey einem Ver-
mögen von positivem Werth das Plus erhöht wird.

Die Forderung nun, wovon der Beschenkte befreyt
werden soll, kann entweder dem Geber selbst zustehen, oder
einem Dritten.

Die Schenkung durch Erlaß einer eigenen Forderung
geschieht am einfachsten und häufigsten durch Vertrag.
Dieser Erlaßvertrag konnte bey den Römern sowohl eine
Acceptilation, als ein bloßes Pactum seyn. Die Accepti-
lation wirkte, wie überall, so auch im Fall der Schen-
kung, am vollständigsten (c); doch konnte auch sie nur
dann als Schenkung gelten, wenn die Forderung rechts-
gültig war; stand dieser ohnehin eine wirksame Exception
entgegen, so daß die Acceptilation nur angewendet wurde,
um jeden Schein einer Schuld zu tilgen, so lag darin
keine Schenkung, weil der Schuldner nicht reicher da-
durch wurde (d).


(c) L. 17 de don. (39. 5.),
L. 2 C. de acceptil.
(8. 44.).
(d) Vgl. § 149. -- Der hier an-
genommene Fall ist vollständig an-

§. 158. Schenkung. Einzelne Rechtsgeſchäfte. 3. Liberare.
die ohnehin nicht gezahlt werden konnte, factiſch als gleich-
gültig erſcheint, ſo iſt dennoch die Erweiterung des Ver-
mögens unzweifelhaft. Denn das Vermögen gilt ſtets als
eine unbeſtimmte Größe, wobey nicht blos die Summe
als unbeſtimmt gedacht werden muß, ſondern ſelbſt der
poſitive oder negative Totalwerth. Sollte alſo das Ver-
mögen auch eine negative Größe ſeyn, ſo liegt doch, ju-
riſtiſch betrachtet, in jeder Verminderung des Minus eine
ganz gleichartige Veränderung, wie wenn bey einem Ver-
mögen von poſitivem Werth das Plus erhöht wird.

Die Forderung nun, wovon der Beſchenkte befreyt
werden ſoll, kann entweder dem Geber ſelbſt zuſtehen, oder
einem Dritten.

Die Schenkung durch Erlaß einer eigenen Forderung
geſchieht am einfachſten und häufigſten durch Vertrag.
Dieſer Erlaßvertrag konnte bey den Römern ſowohl eine
Acceptilation, als ein bloßes Pactum ſeyn. Die Accepti-
lation wirkte, wie überall, ſo auch im Fall der Schen-
kung, am vollſtändigſten (c); doch konnte auch ſie nur
dann als Schenkung gelten, wenn die Forderung rechts-
gültig war; ſtand dieſer ohnehin eine wirkſame Exception
entgegen, ſo daß die Acceptilation nur angewendet wurde,
um jeden Schein einer Schuld zu tilgen, ſo lag darin
keine Schenkung, weil der Schuldner nicht reicher da-
durch wurde (d).


(c) L. 17 de don. (39. 5.),
L. 2 C. de acceptil.
(8. 44.).
(d) Vgl. § 149. — Der hier an-
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[127/0141] §. 158. Schenkung. Einzelne Rechtsgeſchäfte. 3. Liberare. die ohnehin nicht gezahlt werden konnte, factiſch als gleich- gültig erſcheint, ſo iſt dennoch die Erweiterung des Ver- mögens unzweifelhaft. Denn das Vermögen gilt ſtets als eine unbeſtimmte Größe, wobey nicht blos die Summe als unbeſtimmt gedacht werden muß, ſondern ſelbſt der poſitive oder negative Totalwerth. Sollte alſo das Ver- mögen auch eine negative Größe ſeyn, ſo liegt doch, ju- riſtiſch betrachtet, in jeder Verminderung des Minus eine ganz gleichartige Veränderung, wie wenn bey einem Ver- mögen von poſitivem Werth das Plus erhöht wird. Die Forderung nun, wovon der Beſchenkte befreyt werden ſoll, kann entweder dem Geber ſelbſt zuſtehen, oder einem Dritten. Die Schenkung durch Erlaß einer eigenen Forderung geſchieht am einfachſten und häufigſten durch Vertrag. Dieſer Erlaßvertrag konnte bey den Römern ſowohl eine Acceptilation, als ein bloßes Pactum ſeyn. Die Accepti- lation wirkte, wie überall, ſo auch im Fall der Schen- kung, am vollſtändigſten (c); doch konnte auch ſie nur dann als Schenkung gelten, wenn die Forderung rechts- gültig war; ſtand dieſer ohnehin eine wirkſame Exception entgegen, ſo daß die Acceptilation nur angewendet wurde, um jeden Schein einer Schuld zu tilgen, ſo lag darin keine Schenkung, weil der Schuldner nicht reicher da- durch wurde (d). (c) L. 17 de don. (39. 5.), L. 2 C. de acceptil. (8. 44.). (d) Vgl. § 149. — Der hier an- genommene Fall iſt vollſtändig an-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/141>, abgerufen am 29.04.2024.