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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
bekannt geworden war. Vielmehr würde jetzt der Geber
in dolo seyn, wenn er seine frühere Liberalität so wenden
wollte, daß der Empfänger durch den ganzen Hergang
positiv ärmer würde, da doch die Consumtion zu einer
Zeit geschehen ist, worin sie dem damals noch unverän-
derten Willen des Gebers völlig gemäß war. Dieses
Letzte, als den eigentlichen Grund der Entscheidung, drückt
Ulpian aus in den Worten: quia secundum voluntatem
dantis numi sunt consumti,
und es ist dieselbe natürliche
Betrachtung, welche von den alten Juristen auch schon
bey der Schenkung unter Ehegatten angewendet worden
ist (§ 150. u). -- Es ist also überhaupt kein nothwendi-
ger Grund vorhanden, in der Beurtheilung dieses beson-
deren Falles einen Widerspruch zwischen Julian und Ul-
pian anzunehmen, da Beide in dem wichtigsten Punkt
übereinstimmen, daß eine gültige Schenkung (und eben so
ein gültiges Darlehen) ursprünglich gar nicht vorhanden ist.



Da, wo die Schenkung auf einem Vertrag beruht,
kann sie, wie jeder andere, das Vermögen betreffende,
Vertrag eingeschränkt werden durch Bedingung, Zeit, oder
Modus (§ 116). Für diese Beschränkungen ist wichtig der
oben angegebene Begriff der perfecta donatio (§ 155).
Vor der Vollendung desjenigen Geschäfts, worin die Schen-
kung sichtbar wird, kann der Geber jede willkührliche Ein-
schränkung hinzufügen, da er ja sogar die ganze Schen-
kung noch rückgängig machen kann; nach jenem Zeitpunkt

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
bekannt geworden war. Vielmehr würde jetzt der Geber
in dolo ſeyn, wenn er ſeine frühere Liberalität ſo wenden
wollte, daß der Empfänger durch den ganzen Hergang
poſitiv ärmer würde, da doch die Conſumtion zu einer
Zeit geſchehen iſt, worin ſie dem damals noch unverän-
derten Willen des Gebers völlig gemäß war. Dieſes
Letzte, als den eigentlichen Grund der Entſcheidung, drückt
Ulpian aus in den Worten: quia secundum voluntatem
dantis numi sunt consumti,
und es iſt dieſelbe natürliche
Betrachtung, welche von den alten Juriſten auch ſchon
bey der Schenkung unter Ehegatten angewendet worden
iſt (§ 150. u). — Es iſt alſo überhaupt kein nothwendi-
ger Grund vorhanden, in der Beurtheilung dieſes beſon-
deren Falles einen Widerſpruch zwiſchen Julian und Ul-
pian anzunehmen, da Beide in dem wichtigſten Punkt
übereinſtimmen, daß eine gültige Schenkung (und eben ſo
ein gültiges Darlehen) urſprünglich gar nicht vorhanden iſt.



Da, wo die Schenkung auf einem Vertrag beruht,
kann ſie, wie jeder andere, das Vermögen betreffende,
Vertrag eingeſchränkt werden durch Bedingung, Zeit, oder
Modus (§ 116). Für dieſe Beſchränkungen iſt wichtig der
oben angegebene Begriff der perfecta donatio (§ 155).
Vor der Vollendung desjenigen Geſchäfts, worin die Schen-
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ſchränkung hinzufügen, da er ja ſogar die ganze Schen-
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[164/0178] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. bekannt geworden war. Vielmehr würde jetzt der Geber in dolo ſeyn, wenn er ſeine frühere Liberalität ſo wenden wollte, daß der Empfänger durch den ganzen Hergang poſitiv ärmer würde, da doch die Conſumtion zu einer Zeit geſchehen iſt, worin ſie dem damals noch unverän- derten Willen des Gebers völlig gemäß war. Dieſes Letzte, als den eigentlichen Grund der Entſcheidung, drückt Ulpian aus in den Worten: quia secundum voluntatem dantis numi sunt consumti, und es iſt dieſelbe natürliche Betrachtung, welche von den alten Juriſten auch ſchon bey der Schenkung unter Ehegatten angewendet worden iſt (§ 150. u). — Es iſt alſo überhaupt kein nothwendi- ger Grund vorhanden, in der Beurtheilung dieſes beſon- deren Falles einen Widerſpruch zwiſchen Julian und Ul- pian anzunehmen, da Beide in dem wichtigſten Punkt übereinſtimmen, daß eine gültige Schenkung (und eben ſo ein gültiges Darlehen) urſprünglich gar nicht vorhanden iſt. Da, wo die Schenkung auf einem Vertrag beruht, kann ſie, wie jeder andere, das Vermögen betreffende, Vertrag eingeſchränkt werden durch Bedingung, Zeit, oder Modus (§ 116). Für dieſe Beſchränkungen iſt wichtig der oben angegebene Begriff der perfecta donatio (§ 155). Vor der Vollendung desjenigen Geſchäfts, worin die Schen- kung ſichtbar wird, kann der Geber jede willkührliche Ein- ſchränkung hinzufügen, da er ja ſogar die ganze Schen- kung noch rückgängig machen kann; nach jenem Zeitpunkt

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/178>, abgerufen am 30.04.2024.