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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 174. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.)
Schenkung. Gesetzt nun, er erklärt ausdrücklich, vielleicht
bey der gerichtlichen Insinuation einer hohen Summe, daß
er die Absicht einer Schenkung habe, aber einer Schen-
kung auf den Todesfall, so muß ganz deren rechtliche Na-
tur zur Anwendung kommen. Eben so, wenn er, unter
gleicher Erklärung, auf dem Landgut des Abwesenden die
abgebrannten Gebäude auf eigene Kosten herstellt. Gesetzt
nun, er stirbt vor seinem Freund, ohne seinen Willen zu
verändern, so ist die Schenkung perfect geworden, und
sein Erbe kann nicht gegen den Beschenkten klagen, weil
die negotiorum gestorum actio durch die Absicht der Schen-
kung ausgeschlossen ist. Gesetzt aber umgekehrt, der Freund
sterbe vor ihm, so ist die mortis causa donatio durch Er-
füllung der ihr inwohnenden Bedingung der Rückgabe ver-
nichtet, der donandi animus ist für diesen Fall durch die
ausdrückliche Erklärung völlig ausgeschlossen, und er kann
den Erben seines Freundes auf Rückzahlung des ausge-
legten Geldes belangen. -- Der einzige, nur die Form
betreffende, Unterschied liegt in den Rechtsmitteln, wo-
durch die Rückzahlung bewirkt wird. Der Geber hat und
braucht keine Vindication, Condiction, oder actio prae-
scriptis verbis,
es genügt ihm zur Erreichung seines Zwecks
die negotiorum gestorum actio. Und hierin liegt wieder
eine Bestätigung der oben (§ 158) aufgestellten Ansicht,
daß in Fällen dieser Art das eigentliche Schenkungsmittel
in der Befreyung von einer eigenen Forderung des Ge-
bers besteht; von der Forderung nämlich, welche Dieser

§. 174. Schenkung auf den Todesfall. (Fortſetzung.)
Schenkung. Geſetzt nun, er erklärt ausdrücklich, vielleicht
bey der gerichtlichen Inſinuation einer hohen Summe, daß
er die Abſicht einer Schenkung habe, aber einer Schen-
kung auf den Todesfall, ſo muß ganz deren rechtliche Na-
tur zur Anwendung kommen. Eben ſo, wenn er, unter
gleicher Erklärung, auf dem Landgut des Abweſenden die
abgebrannten Gebäude auf eigene Koſten herſtellt. Geſetzt
nun, er ſtirbt vor ſeinem Freund, ohne ſeinen Willen zu
verändern, ſo iſt die Schenkung perfect geworden, und
ſein Erbe kann nicht gegen den Beſchenkten klagen, weil
die negotiorum gestorum actio durch die Abſicht der Schen-
kung ausgeſchloſſen iſt. Geſetzt aber umgekehrt, der Freund
ſterbe vor ihm, ſo iſt die mortis causa donatio durch Er-
füllung der ihr inwohnenden Bedingung der Rückgabe ver-
nichtet, der donandi animus iſt für dieſen Fall durch die
ausdrückliche Erklärung völlig ausgeſchloſſen, und er kann
den Erben ſeines Freundes auf Rückzahlung des ausge-
legten Geldes belangen. — Der einzige, nur die Form
betreffende, Unterſchied liegt in den Rechtsmitteln, wo-
durch die Rückzahlung bewirkt wird. Der Geber hat und
braucht keine Vindication, Condiction, oder actio prae-
scriptis verbis,
es genügt ihm zur Erreichung ſeines Zwecks
die negotiorum gestorum actio. Und hierin liegt wieder
eine Beſtätigung der oben (§ 158) aufgeſtellten Anſicht,
daß in Fällen dieſer Art das eigentliche Schenkungsmittel
in der Befreyung von einer eigenen Forderung des Ge-
bers beſteht; von der Forderung nämlich, welche Dieſer

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[279/0293] §. 174. Schenkung auf den Todesfall. (Fortſetzung.) Schenkung. Geſetzt nun, er erklärt ausdrücklich, vielleicht bey der gerichtlichen Inſinuation einer hohen Summe, daß er die Abſicht einer Schenkung habe, aber einer Schen- kung auf den Todesfall, ſo muß ganz deren rechtliche Na- tur zur Anwendung kommen. Eben ſo, wenn er, unter gleicher Erklärung, auf dem Landgut des Abweſenden die abgebrannten Gebäude auf eigene Koſten herſtellt. Geſetzt nun, er ſtirbt vor ſeinem Freund, ohne ſeinen Willen zu verändern, ſo iſt die Schenkung perfect geworden, und ſein Erbe kann nicht gegen den Beſchenkten klagen, weil die negotiorum gestorum actio durch die Abſicht der Schen- kung ausgeſchloſſen iſt. Geſetzt aber umgekehrt, der Freund ſterbe vor ihm, ſo iſt die mortis causa donatio durch Er- füllung der ihr inwohnenden Bedingung der Rückgabe ver- nichtet, der donandi animus iſt für dieſen Fall durch die ausdrückliche Erklärung völlig ausgeſchloſſen, und er kann den Erben ſeines Freundes auf Rückzahlung des ausge- legten Geldes belangen. — Der einzige, nur die Form betreffende, Unterſchied liegt in den Rechtsmitteln, wo- durch die Rückzahlung bewirkt wird. Der Geber hat und braucht keine Vindication, Condiction, oder actio prae- scriptis verbis, es genügt ihm zur Erreichung ſeines Zwecks die negotiorum gestorum actio. Und hierin liegt wieder eine Beſtätigung der oben (§ 158) aufgeſtellten Anſicht, daß in Fällen dieſer Art das eigentliche Schenkungsmittel in der Befreyung von einer eigenen Forderung des Ge- bers beſteht; von der Forderung nämlich, welche Dieſer

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/293>, abgerufen am 29.04.2024.